• Der Satiriker Florian Scheuba beschäftigt sich vor allem mit den vielen Korruptionsskandalen in Österreich.
  • Als "Investigativkabarettist" bereitet er Hintergründe und Zusammenhänge immer wieder humoristisch auf.
  • Mit dem Moderator Jan Böhmermann arbeitet er außerdem an einer Verfilmung der sogenannten Ibiza-Affäre.
Ein Interview

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Die österreichische Politik sorgt immer wieder mit Korruptionsskandalen für Aufsehen. Viele Ermittlungsverfahren richten sich gegen aktuelle oder ehemalige Politiker der mit den Grünen regierenden ÖVP.

Eine Quelle für viele seit dem vergangenen Jahr bekannt gewordenen Vorwürfe ist das beschlagnahmte Handy des Managers Thomas Schmid, eines Vertrauten des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP). Viele der mehr als 300.000 bei ihm gefundenen Nachrichten sind noch nicht ausgewertet. Das bietet Satirikern wie Florian Scheuba viel Stoff, der unter anderem als Teil der Gruppe "Wir Staatskünstler" sogenanntes Investigativ-Kabarett betreibt.

Vergangene Woche traten zwei umstrittene Ministerinnen am gleichen Tag zurück. Zudem wurde bekannt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen einen Landeshauptmann (Ministerpräsidenten, Anm. d. Red.) ermittelt, alle drei sind von der ÖVP. Was passiert da gerade?

Florian Scheuba: Man könnte es mit Blick auf den Vornamen des Ex-Kanzlers als Entbastifizierung beschreiben. Es werden quasi einige der letzten Kurz-Reste aus der Regierung radiert. Und das geht natürlich nicht ohne interne Kämpfe, das war vom Timing her nämlich nicht so geplant seitens der Parteiführung. Es wirkt so, als würden da auch noch ein paar alte Rechnungen beglichen werden und natürlich ist das System Kurz jetzt nicht komplett weg aus der ÖVP. Es ist jetzt zur Seite gedrängt, aber es gibt noch einige, die darauf hoffen, dass es irgendwann ein Comeback geben wird. Momentan sind die aber zweifelsohne in der Defensive.

Ein Dauerthema, das nicht nur im "System Kurz" eine Rolle spielte, ist die Nähe zwischen Politik und Medien. Im neuen Pressefreiheits-Ranking von Reporter ohne Grenzen ist Österreich um 14 Plätze auf Nummer 31 gefallen. Warum?

Das liegt daran, dass sehr viel ans Tageslicht gekommen ist. Der vielleicht schockierendste Moment im berühmten Ibiza-Video wird immer wieder übersehen - jener, wo Strache (Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ, Anm. d. Red.) eine Orbánisierung der Medien fordert.

Also eine politische Unterwerfung nach dem Vorbild von Ungarn.

Ja, er spricht da auch ausdrücklich über den Herrn Pecina. Das war der Investor, der für Viktor Orban die Medien eingekauft und sie ihm auf dem Silbertablett präsentiert hat. Es war also nicht einfach nur leeres Gerede: Herr Strache hat sich auf einem Landgut von Pecina in Österreich immer wieder mit Viktor Orbán getroffen. Kein Wunder, dass sich so etwas auch auf das Pressefreiheits-Ranking auswirkt - man kann nur hoffen, dass da gegengesteuert wird.

Die Ibiza-Affäre ist auch Thema eines Films, an dem Sie unter anderem mit dem Moderator Jan Böhmermann arbeiten. Worauf darf man sich da gefasst machen?

Das wissen wir leider selbst nicht (lacht). Es gibt ein fertiges Drehbuch zu einer satirischen Bearbeitung des Themas, die viel auf fiktionale Elemente setzt – etwa darauf, was sich in den Köpfen der Beteiligten abgespielt haben könnte. Aber seitens des Senders und der Partner bei der Ko-Finanzierung geht es aktuell nicht weiter. Mehr kann ich dazu leider nicht sagen.

In den sozialen Netzwerken ist immer wieder zu lesen, dass die Politik in Österreich genug Stoff für eine Netflix-Serie mit unendlich vielen Folgen bieten würde. Wie würden Sie das umsetzen?

Man könnte daraus eine Soap Opera machen. Es könnte auch trashig sein im Stil der seit den 80ern laufenden US-Serie "Reich und schön". Wenn man sich die Chats von Thomas Schmid anschaut, könnte man die eins zu eins verwenden - für eine Softerotik-Comedy zum Beispiel. Das wäre auch für deutsche Zuschauer unterhaltsam.

Inwiefern?

Das Ganze ist ein bisschen gruselig, aber gleichzeitig kann man sich das als Deutscher vielleicht sogar entspannter anschauen, weil man weiß: Es betrifft nicht die eigenen Politiker. Und trotzdem könnte man Parallelen erkennen zu Dingen, die auch in Deutschland passieren.

Woran denken Sie da?

Ganz prinzipiell den Umgang mit Rechtspopulismus. Das ist ja, was Kurz quasi als Programm hatte: Er wollte einen Rechtspopulismus mit besseren Manieren etablieren, womit er ja Wahlen gewonnen und Erfolg gehabt hat. Dieses Problem gibt es in Deutschland auch. Beispielsweise in der Frage, wie man mit der AfD umgeht und ob man nicht vielleicht Sachen von ihr übernehmen könnte, wenn man sie ein bisschen schöner verpackt.

Sie bereiten im Rahmen einer Veranstaltungsreihe mit dem Investigativjournalisten Florian Klenk Skandale humoristisch auf. Wäre angesichts beide Länder betreffender Themen wie dem Wirecard-Betrug auch eine Deutschland-Tour denkbar?
Ja, momentan haben wir aber das Problem, dass wir mit der jetzigen Arbeit kaum nachkommen, weil so viel gleichzeitig passiert in Österreich. Und es ist für mich ein großes Anliegen, den Scheinwerfer auf Sachen zu richten, die sonst möglicherweise untergehen, eben weil zu viel gleichzeitig ist. Für Deutschland müssten wir das Ganze außerdem komplett neu aufstellen und uns einarbeiten.

Sie haben sich 2010 in dem Buch "Cordoba – Das Rückspiel", das 2021 an einem Theater in Bayern seine deutsche Erstaufführung hatte, mit den Deutschen in Österreich beschäftigt. Wie sehen Sie das Verhältnis heute?

Wir haben uns damals befasst mit der Situation der deutschen Gastarbeiter in Österreich und mit der Quasi-Parallelgesellschaft, die sie als stärkste Zuwanderungsgruppe bilden. Da haben sich in den letzten Jahren interessante Verwerfungen ergeben, weshalb mich das Thema reizt und immer wieder in meinen Programmen vorkommt. Dass die Deutschen wiederum sich für die österreichische Politik eher aus Unterhaltungsgründen interessieren, ist für mich total nachvollziehbar.

Wieso?

Ihre Relevanz ist überschaubar. Wenn der österreichische Bundeskanzler auf Anraten des Ex-"Bild"-Chefs Kai Diekmann nach Russland fährt, um Putin zu treffen, dann ist das in Österreich ein großes Thema - in Deutschland vermutlich eher nicht. Interessant für deutsche Beobachter ist aber vielleicht, dass manche Sachen zuerst in der österreichischen Politik ausprobiert werden – etwa der Rechtspopulismus. Mit dem Modell Jörg Haider und seinen Konsequenzen für das politische Leben war Österreich da Vorreiter. Bei so etwas lohnt sich also ab und zu der Blick nach Österreich, um zu schauen, was alles möglich ist und worauf man achten sollte. Aus Deutschland höre ich oft: Wahnsinn, so was wäre bei uns nicht möglich. Dann frage ich ein bisschen nach und dann heißt es manchmal: Okay, vielleicht doch.

Ein Unterschied ist das Ausmaß der staatlichen Medienförderung, oder? Oft ist hier von "Inseratenkorruption" die Rede: bezahlte Anzeigen im Gegenzug für positive Berichterstattung.

Ja, die Verhaberung (gegenseitige Begünstigung; Anm. d. Red.) mit der Politik und das Erfolgen von Gegengeschäften ist etwas spezifisch Österreichisches. Dieses System wird sich auch nicht so schnell ändern. Es gibt Gegentrends, aber die Medienförderung gehört auf neue Beine gestellt. Diese Hintenrum-Finanzierung über Regierungsinserate ist für Deutsche nur schwer nachvollziehbar, glaube ich. Das war vor ein paar Jahren auch schon mal Thema in meinem Programm, damals waren die Pro-Kopf-Ausgaben in Österreich rund zehnmal so hoch wie in Deutschland. Das offizielle Ziel von solchen Inseraten ist es ja, Menschen über etwas zu informieren, von dem sie noch nichts wissen. Das heißt, unsere Regierung hält ihre Bürger für zehnmal so blöd wie die Deutschen.

Zur Person: Florian Scheuba ist Kabarettist, Autor und Schauspieler. Im April ist sein neues Buch bei Zsolnay erschienen: "Wenn das in die Hose geht, sind wir hin: Chats, Macht und Korruption. Eine Spurensuche."
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