Am Montag hatte Emmanuel Macron Élisabeth Borne und damit ihre Regierung entlassen. Am Dienstag präsentierte er ihren Nachfolger. Mit Gabriel Attals Ernennung gelingt ihm eine mehrfache Premiere für Frankreich.
Lediglich sechs Monate waren vergangen, seit er das Bildungsressort übernommen hatte, bevor ihn der französische Präsident
Im Spätsommer war er kaum ernannt, da kam er in die Schlagzeilen, als er das Abaja, ein meist knöchellanges Gewand, an Schulen verbot. Eine kontroverse Entscheidung, die im traditionell laizistischen Frankreich allerdings gut ankam. Ebenso wie eine Kampagne gegen Mobbing an Schulen, die Attal in seiner Amtszeit ein weiteres Herzensanliegen war.
Er ist nun nicht nur der jüngste Regierungschef in der Geschichte Frankreichs. Mit 34 Jahren ist Gabriel Attal aktuell auch der jüngste Regierungschef innerhalb der EU. Der Nachfolger der geschassten Élisabeth Borne ist ein aufsteigender Stern der französischen Politik und wird bereits als Nachfolger Macrons bei den Präsidentschaftswahlen 2027 gehandelt. Der amtierende Präsident darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten.
Steiler Aufstieg in Frankreichs Politik
Laut Frankreich-Experte Jacob Ross von der Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ist der französische Politiker "in vielen Belangen eine Ausnahmefigur."
Zum einen ist er der erste offen homosexuelle Premierminister des Landes. Er lebt mit dem Europaabgeordneten Stéphane Séjourné in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
Zum anderen hat Attal einen steilen Aufstieg hinter sich: Bereits während seiner Schulzeit schloss er sich den Sozialisten an und arbeitete nach dem Studium zunächst als Redenschreiber der französischen Sozial- und Gesundheitsministerin Marisol Touraine.
Nach einem kurzen Intermezzo in der Kommunalpolitik verließ Attal die Sozialistische Partei und trat 2017 für Macrons Partei En Marche bei den Parlamentswahlen an. Offenbar hatte der damals 28-Jährige den richtigen Riecher: Mit En Marche wurde er als Abgeordneter in die Nationalversammlung gewählt und fungierte anschließend als Sprecher der Partei.
Bereits mit 29 Jahren wurde Attal Staatssekretär im Bildungsministerium unter Jean-Michel Blanquer und war zu diesem Zeitpunkt jüngstes Regierungsmitglied der Fünften Republik. 2019 war er in dieser Funktion verantwortlich für die Einführung einer Dienstpflicht – eines von Emmanuel Macrons politischen Herzensanliegen.
Gabriel Attal stammt aus gutem Hause
Attal gilt als klassischer Repräsentant der französischen Elite. Sein Vater war als Anwalt und Filmproduzent tätig, seine Mutter ebenfalls als Filmproduzentin und im Immobilienbereich. Der Nachfahre von Deutschbalten besuchte eine Privatschule im Pariser 6. Arrondissement und anschließend die prestigeträchtige Universität Sciences Po, an der vor ihm zahlreiche französische Staats- und Regierungschefs studiert hatten. Auch Emmanuel Macron ist einer der Absolventen der Hochschule.
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Dass er selbst nie eine öffentliche Schule besucht hat, als Bildungsminister aber für eben diese verantwortlich war, wurde zu einem großen Kritikpunkt während Attals sechsmonatiger Amtszeit als Bildungsminister. Immer wieder kommt es in Frankreich zu Debatten über die angeblich abgehobenen Eliten, die das Land regierten und die Wirtschaft leiteten, dabei aber Vetternwirtschaft betreiben würden und den Bezug zur Bevölkerung verloren hätten.
Auch Attal gilt seinen Kritikern als ein weiterer Karrierist, der es aufgrund seiner Herkunft und den damit zusammenhängenden Kontakten im Staatsdienst ganz nach oben geschafft hat.
Ein loyaler Weggefährte Macrons
Dass seine Nähe zum Präsidenten geholfen hat, steht außer Frage. "Attal gilt als jemand, der dem Präsidenten treu ergeben ist," bestätigt auch Frankreich-Experte Ross. Er verdanke Macron seine gesamte politische Karriere. Ohne die Zugehörigkeit zu dessen Partei und dessen Protektion wäre Attal wohl nie so schnell nach oben gekommen.
Vertritt er auch dessen politische Ansichten? Ganz sicher ist das nicht. Attal werde innerhalb von Macrons Partei eher dem linksliberalen Flügel zugerechnet, sagt Ross. Seine Vergangenheit als Sozialist habe hier immer noch starken Einfluss auf den neuen Regierungschef.
Ob Attal seine politischen Vorstellungen im neuen Amt umsetzen kann, ist allerdings fraglich. Seine Vorgängerin Borne war zuletzt vor allem als Erfüllungsgehilfin Macrons tätig gewesen und musste Gesetze mithilfe von Rechtspopulisten im Parlament durchpeitschen, die gegen die Überzeugungen der eigenen Fraktion verstießen. Das hatte ihr letztlich nach weniger als zwei Jahren im Amt den Job gekostet.
Attal ist bereits der vierte Regierungschef unter Macron. Ob er länger durchhält als seine Vorgänger, muss sich zeigen. Schafft er es, wäre er vielleicht wirklich der heißeste Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2027.
Über den Gesprächspartner
- Jacob Ross ist Research Fellow im Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen, mit Fokus auf deutsch-französische Beziehungen. Er ist Frankreich-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Jacob Ross
- Sz.de: Klon des Präsidenten
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