Schicksalsstunden in London. Für Wikileaks-Gründer Julian Assange entscheidet sich, ob er an die USA ausgeliefert wird oder nicht. Aber wie wurde Assange zu einem der größten Whistleblower der Geschichte?
Nach knapp fünf Jahren in britischer Haft soll in London nun endgültig entschieden werden, ob in Großbritannien alle Rechtsmittel für den Wikileaks-Gründer Julian Assange gegen seine Auslieferung in die USA ausgeschöpft sind oder ob er weiter vor britischen Gerichten dagegen vorgehen darf. Die USA wollen den Australier wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente und Verstößen gegen das Anti-Spionage-Gesetz vor Gericht stellen.
Julian Assange – Staatsfeind Nr. 1 der USA
Wikileaks wurde 2009 einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als die Plattform hunderttausende Nachrichten von Funkmeldeempfängern, sogenannten Pagern, veröffentlichte. Die Nachrichten wurden am Tag der Terroranschläge vom 11. September 2001 verschickt.
Ab November 2010 publizierte die Plattform mithilfe großer internationaler Medienhäuser – darunter das deutsche Magazin "Spiegel" - mehr als 250.000 als geheim eingestufte Dokumente. Dieses "Cablegate" genannte Leak legte die Aktivitäten der USA in den Kriegen in Afghanistan und im Irak teilweise offen. Dabei ging es auch um die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen.
Mit der Veröffentlichung wurde
Zu Beginn zielten Wikileaks-Veröffentlichungen auf repressive Regierungen in Asien ab. Auch Länder der ehemaligen Sowjetunion sowie afrikanische Staaten und Regierungen des Nahen Ostens waren im Fadenkreuz der Plattform. Die meisten Enthüllungen jedoch betrafen die Vereinigten Staaten – und nutzten Russland strategisch. Ein Beispiel sind die vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 veröffentlichten E-Mails aus dem Parteiapparat der US-Demokraten, die von Russland erbeutet worden sein könnten.
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Wikileaks-Gründer Assange wird gleichzeitig gefeiert und verachtet
Wikileaks wurde auch vorgeworfen, im Namen der Transparenz Menschen zu gefährden, deren Identitäten die Plattform in den publizierten Dokumenten preisgab. Im Laufe der Jahre haben sich daher mehrere Medien und Stars von Wikileaks distanziert.
Für die einen ist Assange ein verfolgter Kämpfer für Informationsfreiheit – für andere ein Manipulator und Straftäter. Seit 2010 ermittelte die schwedische Staatsanwaltschaft wegen Vergewaltigung und sexueller Gewalt gegen zwei Frauen gegen Assange. Zwei Jahre später floh er in die Botschaft Ecuadors in London und beantragte erfolgreich politisches Asyl.
Obwohl die schwedische Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Assange 2017 einstellte, droht ihm wegen der Veröffentlichung der geheimen Dokumente weiter die Auslieferung aus Großbritannien an die Vereinigten Staaten.
Ohne die ehemalige US-Militärangehörige Chelsea Manning wäre "Cablegate" nicht möglich gewesen: Sie leitete mehr als 700.000 als geheim eingestufte Dokumente an Wikileaks weiter. Im Jahr 2013 wurde sie dafür zu 35 Jahren Haft verurteilt, später dank US-Präsident Barack Obama freigelassen. Da sie sich weigerte, in den Ermittlungen zu Wikileaks auszusagen, wurde sie vorübergehend in Beugehaft genommen.
Der Hollywood-Film "Inside Wikileaks – Die fünfte Gewalt" des Regisseurs Bill Condon griff die Geschichte der Plattform im Jahr 2013 auf. Auch die Dokumentation "Risk" der Filmemacherin Laura Poitras dreht sich um die Geschichte von Wikileaks. Assange tauchte auch in einer Folge der US-Fernsehserie "Simpsons" auf. Er diente außerdem als Vorbild für die Figur des Polemix im 36. Asterix-Comicband "Das Papyrus des Cäsar".
Verhandlung ohne Assange
Das womöglich entscheidende Verfahren um die Auslieferung von Julian Assange an die USA hat ohne den Wikileaks-Gründer begonnen. Assange gehe es "heute nicht gut", sagte sein Anwalt Edward Fitzgerald im High Court in London. Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich Unterstützer Assanges, die lautstark seine Freilassung forderten.
Sollte sein Einspruch abgelehnt werden, würde das Auslieferungsverfahren beginnen. Assanges Unterstützer haben für diesen Fall angekündigt, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu ziehen, um die Auslieferung aussetzen zu lassen. Großbritannien unterliegt der Rechtsprechung des EGMR. Allerdings ordnet der Gerichtshof nur in Ausnahmefällen solche Aussetzungen an. Zudem ist fraglich, ob die britische Regierung eine entsprechende Entscheidung des EGMR akzeptieren würde. (afp/the)
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