Die Bundesregierung senkt die Mehrwertsteuer, um den Konsum nach der Coronakrise anzukurbeln. Doch profitiert der Verbraucher davon wirklich? Wer spart dadurch Geld? Fragen und Antworten in der Übersicht.

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"Mehrwertsteuer geschenkt" - mit solchen Werbeaktionen wollten bisher vor allem Elektromärkte und Möbelhäuser den Verkauf ankurbeln. Da scheint sich die Bundesregierung etwas abgeschaut zu haben.

Die Idee: Damit der Geldbeutel der Bürger nach der Coronakrise wieder lockerer sitzt, sollen sie für ein halbes Jahr ein paar Prozentpunkte weniger Mehrwertsteuer zahlen. Ob das aber bei den richtigen ankommt und wirklich den erwarteten Konsumschub bringt, ist umstritten. Fragen und Antworten in der Übersicht.

Was genau ist geplant?

Mehrwertsteuer zahlt man in Deutschland jedes Mal, wenn man etwas kauft. Im Supermarkt steht sie in der Regel nicht auf dem Preisschild, sondern erst auf dem Kassenzettel.

Auch bei größeren Anschaffungen etwa im Möbel- oder Autohaus sieht man sie auf der Rechnung. Es gibt zwei unterschiedliche Sätze: den regulären von 19 Prozent und den ermäßigten von 7 Prozent für Güter des Grundbedarfs, die besonders erschwinglich sein sollen.

Beide Steuersätze sollen nun gesenkt werden - auf 16 beziehungsweise 5 Prozent. Gelten sollen die neuen Steuersätze vom 1. Juli bis 31. Dezember.

Spare ich als Verbraucher durch Mehrwertsteuersenkung Geld?

Das ist das Ziel - aber es ist noch nicht ganz sicher. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Handel aufgefordert, die Steuersenkung an die Verbraucher weiterzugeben, zwingen kann er die Geschäfte aber nicht.

"Mir ist nicht ganz klar, ob die Unternehmen wirklich für die kurze Zeit ihre Preise senken werden oder diese Steuersenkung nicht einfach nur mitnehmen", sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, dem "Handelsblatt". Schließlich müssten etwa für wenige Monate alle Preisschilder neu gedruckt werden.

Wie es laufen könnte, zeigt aber auch das Beispiel Großbritannien. Hier wurde die Mehrwertsteuer in der Finanzkrise 2009 vorübergehend gesenkt. Einer Studie zufolge gaben die Händler 75 Prozent der Ersparnis an die Verbraucher weiter.

Wie viel könnte die Ersparnis ausmachen?

Je teurer man einkauft, desto mehr kann man theoretisch sparen. Bei einer Flasche Saft für jetzt 99 Cent macht die Steuersenkung zwei Cent aus, bei einer Waschmaschine für 700 Euro bereits 15 Euro.

Lässt der Händler den Verkaufspreis trotzdem gleich, macht er entsprechend mehr Gewinn - ändert er ihn, spart der Verbraucher. Ob ein Supermarkt deswegen allerdings von werberelevanten Preisen wie 1,99 Euro abrücken wird, ist offen.

Wer profitiert besonders?

In absoluten Zahlen werden diejenigen besonders viel Geld sparen, die teuer einkaufen - also voraussichtlich Gutverdiener. Zugleich aber ist die Mehrwertsteuer bei Geringverdienern oft die einzige Steuer, die sie in nennenswerter Höhe zahlen.

Einer DIW-Studie zufolge belastet die Mehrwertsteuer relativ gesehen Haushalte mit geringem Einkommen überproportional. Die Senkung käme bei ihnen also auch überproportional an.

Bringt die Steuersenkung mehr Nachfrage?

Das ist umstritten. Wirtschaftswissenschaftler wie Thiess Büttner von der Universität Erlangen-Nürnberg gehen davon aus, dass zwar erstmal viel gekauft wird, Verbraucher viele Anschaffungen aber nur vorziehen.

Für das erste Quartal 2021, wenn die Mehrwertsteuer wieder auf Normalniveau steigt, sei wieder ein Einbruch im Konsum zu erwarten.

Was kostet die Steuersenkung den Staat?

Das Finanzministerium geht davon aus, dass in diesem Jahr dadurch rund 20 Milliarden Euro weniger Steuern hereinkommen. Das sei aber zu verschmerzen, wenn dadurch die Wirtschaft wieder auf die Beine komme und zugleich den Bürgern geholfen sei, meint Finanzminister Scholz.

Denn Rettungspakete für große Unternehmen können weit mehr kosten.

Ist die Mehrwertsteuersenkung eine versteckte Autokaufprämie?

Das hat CSU-Chef Markus Söder in der Nacht so angedeutet: Angesichts der Mehrwertsteuersenkung sei verschmerzbar, dass es keine Autokaufprämie für Verbrenner geben werde. Die Autobauer versicherten sogleich, sie wollten den Preisvorteil voll an ihre Kunden weitergeben.

Doch die Wirkung wird bei den meisten Autos weit weg von dem sein, was sich die Hersteller bei einer Prämie erhofft hatten. Selbst ein Auto für 30.000 Euro würde nur rund 650 Euro günstiger werden. Ob das Verbraucher zum Kauf bewegt, die eigentlich kein neues Auto brauchen, ist ungewiss.

Kann die Senkung bis zum 1. Juli beschlossen werden?

Das wird sportlich. Der Bundestag kommt vorher noch einmal zusammen, dann könnte ein Gesetz im Eilverfahren beschlossen werden.

Der Bundesrat dagegen müsste zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um die Steuersenkung rechtzeitig durchzuwinken. (msc/dpa)

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