Haben Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministers 2022 Kritik eigener Experten am geplanten Atomausstieg unterdrückt? Nein, sagt Robert Habeck: "Die Unterlagen erzählen eine andere Geschichte."
Bundeswirtschaftsminister
Die Energieversorgung sei komplett gesichert, die Strompreise am Handel seien heruntergegangen. "Wir sind super durch die Krise gekommen."
Nach der Sondersitzung betonte Habeck, dass er selbst und sein Ministerium die Frage eines möglichen Weiterbetriebs der deutschen Atomkraftwerke sehr frühzeitig von sich aus geprüft hätten.
Auch Umweltministerin
Habeck konnte immer die richtigen Fragen stellen
Habeck sagte, entscheidend sei, dass er in den wirklich relevanten Runden immer die richtigen Fragen stellen konnte. Dies seien die Runden mit den Kraftwerksbetreibern gewesen. "Das ist auch dokumentiert und schriftlich vorlegbar, dass diese auch beantwortet wurden." Im März 2022 hätten die Betreiber der Atomkraftwerke mitgeteilt, dass die Brennelemente "ausgelutscht" gewesen seien.
Auslöser der Sondersitzung ist ein Bericht des Magazins "Cicero". Demnach sollen sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg unterdrückt worden sein. Wichtige Informationen hätten Habeck nicht erreicht. Habeck sagte, die Annahme, es habe eine Art Geheimwissen gegeben, das ihn nicht erreicht habe, sei falsch. Auch beide grün geführten Ministerien weisen die Vorwürfe zurück. Den Abgeordneten sollen nun weitere Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.
"Und wenn die Abgeordneten die Unterlagen lesen, dann wird sich ein anderes Bild darstellen", sagte Habeck. "Die Unterlagen erzählen eine andere Geschichte, als es kolportiert wurde, nämlich dass das Ministerium und meine Person, und zwar schon vor dem russischen Angriffskrieg, aktiv auf die Betreiber der Atomkraftwerke zugegangen ist, mit der Frage: Können eure Dinger länger laufen? Und hilft es uns was?" Diese Beratungen hätten schon kurz vor dem russischen Angriff begonnen, als dieser sich abzeichnete, sagte eine Sprecherin des Ministeriums auf Nachfrage. Russland war zu diesem Zeitpunkt der wichtigste Gaslieferant Deutschlands. Der lange geplante Atomausstieg Deutschlands war für den Jahreswechsel 2022/23 geplant.
Versorgungssicherheit hatte für Habeck "absolute Priorität"
Die Auskunft der AKW-Betreiber sei im Frühjahr gewesen, dass die noch vorhandenen Brennelemente der letzten drei deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende ausgebrannt wären, sagte Habeck. "Später im Laufe des Jahres wurde diese Information korrigiert. Da hieß es dann, die können doch noch zwei, drei, vier, fünf Monate länger laufen und entsprechend wurde dann auch noch einmal die Laufzeit verlängert." Er versicherte: "Die Versorgungssicherheit hatte für mich absolute Priorität und das ganze Haus hat ohne Denkverbote, allerdings natürlich immer auf der Basis von Fakten, von Daten und auch von Rechtsnormen, gearbeitet."
Wirtschafts- und Umweltministerium hatten sich im März 2022 in einem Prüfvermerk gegen eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ausgesprochen. Beide Ministerien hatten geprüft, ob und inwiefern eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken – angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine und der aktuell hohen Importabhängigkeit von Russland – zur Energiesicherheit beitragen würde. Später war der Betrieb von drei Atomkraftwerken zur Sicherung der Stromversorgung doch noch bis Mitte April 2023 verlängert worden.
Im Entwurf eines Vermerks hatten Fachleute des Wirtschaftsministeriums Anfang März die Frage aufgeworfen, ob ein Weiterbetrieb nicht sinnvoll sein könnte, Argumente dafür aufgeführt und eine Prüfung empfohlen. Dieses Papier erreichte Habeck nach eigenen Angaben damals nicht. Es ging aber laut Wirtschaftsministerium später in den Prüfvermerk ein, in dem Wirtschafts- und Umweltministerium sich gegen eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke aussprachen.
Die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Klimaschutz und Energie, Ingrid Nestle, sah die Vorwürfe mit der Sitzung "öffentlich, transparent und vollständig ausgeräumt".
FDP-Politiker sieht Habeck "auf gutem Weg"
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, zeigte sich zufrieden mit den Erläuterungen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in einer Sondersitzung zur Entscheidungsfindung vor dem Atomausstieg. Es mache keinen Sinn, "über irgendwelche Rücktritte zu philosophieren", sagte der Abgeordnete am Freitagmorgen in Berlin nach der kurzfristig anberaumten Sitzung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie.
"Und ich möchte auch sagen, so wie der Minister es heute dargestellt hat, ist es völlig logisch, wie er entschieden hat", führte in der Beek aus. Im Moment sei Habeck kein Fehlverhalten nachzuweisen. Es gehe darum, dass die Parlamentarier wüssten, auf welcher Grundlage Entscheidungen getroffen worden seien. "Und ich glaube, hier Vertrauen, Transparenz zu schaffen, damit ist er auf einem guten Weg, und wir unterstützen das."
Der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse, wies darauf hin, dass das Ministerium nun auch dem Ausschuss Unterlagen zur Verfügung stellen wolle. "Wir werden also diese Unterlagen sehr intensiv prüfen, wir werden sie sichten und dann unsere Einordnung dazu mitteilen." Die FDP habe bereits im Frühjahr des Jahres 2022 Zweifel an der Einschätzung der beteiligten Ministerien gehabt, die damals einen Weiterbetrieb der letzten deutschen Atomkraftwerke ablehnten. Die FDP habe sich den Sommer über für einen sogenannten Streckbetrieb eingesetzt und damit am Ende auch Erfolg gehabt. (dpa/tas)
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