Das neue Schmuckstück der SPD heißt Olaf Scholz. Der 56-Jährige lieferte bei der Wahl in Hamburg die Zahlen, die die SPD im Bund gerne hätte. Ist Scholz damit nicht prädestiniert für die Kanzlerkandidatur? Eigentlich ja, sagt Parteienforscher Oskar Niedermayer. Aber es gibt einen Haken.
Charismatisch, pragmatisch, beliebt - die Sozialdemokraten haben offenbar wieder einen Siegertypen.
Der 56 Jahre alte Scholz dürfte der SPD da gerade recht kommen. Nach seinem Wahlsieg aber wehrte der stellvertretende Bundesvorsitzende Fragen zu einer möglichen Kanzlerkandidatur ab. Wieso eigentlich? Parteienforscher Prof. Oskar Niedermayer erklärt im Gespräch mit unserem Portal, warum Scholz genau der richtige Kanzlerkandidat für die Sozialdemokraten wäre, aber ein entscheidendes Problem hat.
- Darum hat Olaf Scholz das Zeug zur Bundespolitik"Olaf Scholz hat durchaus das Format, über Hamburg hinaus Politik zu machen", sagt Niedermayer. "Das hat er mehrfach bewiesen." In der Tat hat Scholz wichtige Erfahrungen über die Hamburger Bürgerversammlung hinaus gemacht. Zwischen 2007 und 2009 war er Bundesminister für Arbeit und Soziales; bereits seit 2009 ist er stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und regelmäßig in Berlin zu Gast. Niedermayer sieht Parallelen: "Er ist in seiner unaufgeregten Art mit Frau Merkel zu vergleichen", meint der Politologe. "Auch er geht die Dinge sachlich, handlungsorientiert und unideologisch an."
- Wofür wird Scholz kritisiert - und wofür gelobt?Früher galt Scholz als zu technokratisch, zu rational und zu sehr auf Effizienz getrimmt. Ähnlich wie Peer Steinbrück also, der bei der Wahl 2013 so nachhaltig scheiterte. Er habe kein Charisma und könne die Leute nicht mitnehmen, hieß es. "Das ist deutlich anders geworden. Er ist in Hamburg ein sehr beliebter Bürgermeister", sagt Niedermayer. Scholz' großes Plus: "Er hat vor den jeweiligen Wahlen immer nur das versprochen, was er hinterher auch halten konnte."
- Wofür steht die Politik Olaf Scholz'?Scholz strebt in seiner Wirtschaftspolitik die Mitte an. "Und das ist bei der SPD bei Weitem nicht bei jedem der Fall", meint Niedermayer. Wirtschaft und Wachstum sind Kernthemen von Scholz' Politik. "Nicht nur bei den Gewerkschaften, sondern auch bei den Wirtschaftsverbänden kommt er damit gut an", sagt der Politikwissenschaftler. "Seine Erfolge zeigen, dass die SPD nur Wahlen gewinnen kann, wenn sie sich der Mitte zuwendet."
- Was wären seine Positionen in der internationalen Politik?Der Schuldenstreit mit Griechenland, die weltweite Bedrohung durch religiös motivierten Terrorismus, die Gewalt durch den Islamischen Staat in Nahost und der Krieg in der Ostukraine - weltpolitisch stehen drängende Themen auf der Agenda. Scholz' Positionen zu einigen dieser Themen sind unklar. "Er äußert sich in der Öffentlichkeit nicht dazu, weil er eben ein Landespolitiker ist", erklärt Niedermayer. "Von seinem Naturell her ist er aber wie Frau Merkel. Er wäre sicher ein sehr moderater Außenpolitiker."
- Ist Scholz ein geeignete Kanzlerkandidat für die SPD?Bei den Sozialdemokraten hat immer der erste Vorsitzende das sogenannte Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Das wäre Sigmar Gabriel. Doch der Stellvertreter der Bundeskanzlerin kann auf dieses Privileg auch verzichten. "Sollte Gabriel nicht kandidieren, wäre Scholz sicherlich der beste Kandidat", meint Niedermayer. "Aber er wird es nicht tun."
- Darum dürfte Scholz auf eine Kanzlerkandidatur verzichtenWarum? "Er hat vor der Wahl und auch jetzt nach der Wahl den Hamburgern eindeutig sein Wort gegeben, dass er Erster Bürgermeister bleiben wird", begründet Niedermayer. Angeblich will Scholz sogar für eine weitere Legislaturperiode in der Hansestadt antreten, "um möglicherweise die Olympischen Spiele in Hamburg zu eröffnen". Eine solche Bewerbung ist für die Spiele 2024 geplant. Niedermayer glaubt deshalb nicht, dass sich Scholz noch höheren Ambitionen hingeben wird. "Man weiß genau, was mit einem Politiker geschieht, der sein Wort gegenüber den Bürgern bricht: Er ist weg vom Fenster und seine Karriere beendet", sagt er. "Ich bin mir sicher, dass er nicht Kanzlerkandidat werden wird."
Prof. Oskar Niedermayer ist Lehrbeauftragter des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Der Schwerpunkt der Arbeit des 62-Jährigen ist die Parteienforschung. Er gilt in diesem Themengebiet als ausgewiesener Experte und veröffentlichte hierzu etliche Bücher sowie Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften.
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