Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen über die Zustände in deutschen Schlachthöfen. Einem Fleisch-Unternehmer ist die harsche Kritik an seiner Branche sichtlich unangenehm – und der Moderator macht es noch schlimmer.

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Nein, die Zuschauerinnen und Zuschauer sind nicht drei Wochen in der Zeit zurückgereist. Auch wenn manch einer das vielleicht gedacht haben dürfte. Frank Plasberg diskutiert mit seinen Gästen am Montagabend über Arbeitsbedingungen und Tierwohl in der deutschen Fleischindustrie. Dabei stand das Thema in den vergangenen Wochen gar nicht mehr im Fokus der öffentlichen Debatte – die Fälle von gehäuften Corona-Infektionen unter Beschäftigten in Schlachthöfen liegen schon einige Wochen zurück.

Die Sendung beweist aber: Es kann durchaus angebracht sein, nicht nur hochaktuelle Wellen zu reiten. Fleischkonsum ist ein emotionales Thema, das praktisch jeden betrifft. Entsprechend unterhaltsam wird die Sendung.

Was ist das Thema bei "Hart aber fair"?

1.208 Mitarbeiter der Fleischindustrie sind in den vergangenen Wochen bundesweit positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die Infektionen haben ein Schlaglicht auf die Zustände in der Branche geworfen. Mitarbeiter werden von manchen Sub-Unternehmern unter Umgehung des Mindestlohns bezahlt, müssen zum Teil unter fragwürdigen Bedingungen wohnen und sind somit auch einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Von der Fleischindustrie ist die Erklärung zu hören, man müsse nun einmal möglichst preiswert produzieren – weil der Kunde im Lebensmittelhandel die günstigen Angebote bevorzugt.

Wer sind die Gäste?

Anette Dowideit: Die Investigativ-Reporterin der Tageszeitung "Die Welt" berichtet von den Bedingungen in der Fleischindustrie: Arbeiter werden in kleinen Transportern aus dem Ausland geholt. Die Massenunterkünfte der Sub-Unternehmen, bei denen viele von ihnen angestellt sind, sehen zum Teil aus wie Schrottimmobilien. Und dann müssten die Arbeiter auch noch mehrere Hundert Euro für ein Bett dort bezahlen, so Dowideit.

Robert Habeck: Das System ist schuld, sagt der Grünen-Vorsitzende und frühere Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein: "Weil es immer mehr für immer weniger Geld produziert." Die schlechte Bezahlung und prekäre Beschäftigung der Mitarbeiter ist seiner Einschätzung nach ein Geschäftsmodell. "Wir sind ein Dumping-Schlachtland geworden."

Max Straubinger: Der CSU-Agrarpolitiker ist selbst Landwirt – und will nicht die ganze Branche über einen Kamm scheren. Die Corona-Infektionen in Schlachthöfen sind für ihn eher Einzelfälle als ein flächendeckendes Problem: "Es hat sich ja beschränkt auf zehn Betriebe in ganz Deutschland", sagt der Bundestagsabgeordnete.

Heiner Manten: Der Vorsitzende des Verbands der Fleischwirtschaft bittet am Anfang um Verständnis: "Ich muss mich erstmal sammeln und zurechtfinden." Als Verbandsvertreter muss er den Kopf für die Versäumnisse der gesamten Branche hinhalten. Eine Aufgabe, die ihm sichtlich unangenehm ist. Manten beteuert: In seinem eigenen Unternehmen seien die Beschäftigten fest angestellt, "tadellos untergebracht" und fair bezahlt.

Hubertus Heil: Der Bundesminister für Arbeit und Soziales müsste sich fragen lassen, warum er erst jetzt etwas gegen die Zustände in der Branche unternimmt, die schon lange bekannt waren. Heil geht bei dem Thema aber ganz in den Gegenangriff: Er will Werkverträge verbieten, mit denen Firmen bestimmte Arbeiten an Sub-Unternehmen auslagern. Man könne darüber miteinander reden, sagt er zu Manten: "Aber nicht über das Ob, sondern über das Wie."

Was ist der Moment des Abends?

Zahlen sagen oft mehr als Talkshow-Statements. Deshalb sind die Einsichten besonders interessant, die der Deutschlandfunk-Journalist Manfred Götzke in einem Einzelgespräch vermittelt.

Er hat in Coesfeld mit rumänischen Arbeitskräften gesprochen und macht folgende Rechnung auf: Mehrere Arbeiter hätten ihm berichtet, dass sie pro Monat 1.200 bis 1.300 Euro brutto verdienen. Davon abgezogen wird Geld für Unterkunft und Arbeitskleidung. Unterm Strich blieben demnach 600 bis 700 Euro.

Dafür, so berichteten es ihm zumindest die Betroffenen, mussten sie an sechs Tagen pro Woche jeweils zehn bis zwölf Stunden arbeiten. Wenn das stimmt, wären das geradezu kriminelle Zustände.

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Was ist das Rededuell des Abends?

Hitzig wird es, als es ans Eingemacht geht: an den Preis nämlich. Grünen-Chef Habeck spricht sich für einen staatlich festgelegten Mindestpreis für Fleisch aus – auch wenn das nur ein minimaler erster Schritt sei.

Doch auch dieser Schritt wäre für den CSU-Politiker Straubinger zu groß: "Ich bin ja auch für gute Preise für die Bauern – aber das funktioniert nicht in der Marktwirtschaft." Die Preise werden seiner Meinung nach vom Lebensmittelhandel diktiert, und den würden die Landwirte als Partner brauchen, um eine bessere Tierhaltung durchzusetzen.

Es gibt wahrscheinlich in der Tat einige offene Fragen und mögliche Probleme, wenn die Politik einen Preis vorgeben will. Fleischverbandsvertreter Manten will zum Beispiel wissen: Was passiert mit dem Fleisch, das nicht verkauft wird, weil es den Kunden dann zu teuer ist? Wird das weggeworfen?

Trotzdem hat Habeck bei diesem Thema leichtes Spiel – und das liegt auch am verbalen Schulterzucken und der schwerfälligen Verweigerungshaltung seines CSU-Kontrahenten: Straubinger will an Billigpreisen offenbar nicht rütteln. "Dass ein Landwirt für die Landwirte Dumpingpreise fordert – das ist doch Wahnsinn", meint Habeck dazu.

Wie hat sich Frank Plasberg geschlagen?

Der Moderator ist in dieser Sendung in seinem Element, hat immer wieder eine passende Zahl oder ein Foto bereit, wenn die Situation es erfordert. Allerdings gehen mit Plasberg auch wieder einmal die Pferde durch.

Es ist schon deutlich geworden, dass das Lampenfieber dem Verbandsvertreter Heiner Manten zu schaffen gemacht und er nicht so recht in die Diskussion findet. Doch obwohl sich Manten fängt, bohrt Plasberg noch einmal in der Wunde, geht auf ihn zu und sagt: "Ich weiß, dass Sie ein feiner Kerl sind." Manten solle nicht darauf achten, was ihm PR-Agenturen für einen Talkshow-Auftritt geraten haben. "Reden Sie für sich, für Ihre Familie. Dann reden Sie gut", sagt Plasberg – und tritt Manten damit nicht nur räumlich viel zu nah.

Wer auf diese Art auf einen nervösen Gast einredet, stellt ihn nur noch mehr bloß – und schafft für alle Beteiligten (die Zuschauer eingeschlossen) eine peinliche Situation. Das hätte sich Plasberg schenken müssen.

Was ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"?

Noch eine Peinlichkeit kann sich der Moderator am Ende nicht verkneifen: In der Schlussrunde will Plasberg von jedem wissen, mit welchem anderen Gast sie oder er sich am liebsten ein einen Schweinestall legen würde. Das ist ein ziemlich alberner und damit unwürdiger Abschluss für eine ansonsten informative und unterhaltsame Sendung.

Es wird deutlich: Die Coronakrise hat zum Teil untragbare Zustände in den Schlachthöfen enthüllt. Dass die Politik handeln will und wird, scheint auch klar. Hubertus Heil gibt sich jedenfalls entschlossen, auch CSU-Politiker Straubinger spricht sich zum Beispiel für einen branchenbezogenen Mindestlohn aus.

Noch ein positiver Aspekt: Das Coronavirus war zwar der Anlass, über Arbeitsbedingungen und Tierwohl zu sprechen. Weil es dazu so viel zu sagen gibt, gerät das Virus selbst aber ein Stück weit in den Hintergrund. Und das ist in diesen Zeiten immer zu begrüßen.

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