CDU-Politiker Carsten Linnemann schlägt heftige Kritik entgegen für seinen Vorstoß, Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen später einzuschulen. Sogar Parteikollegen unterstellen ihm "Populismus", die Opposition fühlt "Fremdscham". Ein grundsätzliches Verbot hat der Fraktionsvize allerdings nicht gefordert.
Mit seinem Vorstoß, Kinder, die kein Deutsch sprechen, nicht zur Grundschule zuzulassen, stößt Unionsfraktionsvize
Linnemann hatte in der "Rheinischen Post" (Dienstag) mit Verweis auf "neue Parallelgesellschaften" gesagt: "Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen".
Linnemann: "Vorschulpflicht für alle, die schlecht Deutsch sprechen"
Der CDU-Politiker forderte also nicht, wie ursprünglich von der Deutschen Presse-Agentur fälschlich berichtet, ein Grundschulverbot. Für betroffene Kinder schlug er eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden.
Ihm gehe es darum, dass es Konsequenzen haben müsse, wenn Kinder vor der Schule die sogenannten Sprachstandtests nicht bestünden. Wenn dann trotzdem eingeschult würde, hätten weder die Kinder aus deutschsprachigen noch die aus nicht-deutschsprachigen Haushalten etwas davon, sagte Linnemann am Dienstag der dpa.
"Kinder, die kaum Deutsch sprechen, dürfen in der ersten Klasse nicht benachteiligt sein", erklärte er: "Deshalb müssen sie vor der Einschulung sprachlich fit gemacht werden. Also brauchen wir verpflichtende Sprachtests im Alter von vier und dann Vorschulpflicht für alle, die schlecht Deutsch sprechen."
Carsten Linnemann: "Keine neuen Parallelgesellschaften schaffen"
Kipping: "Stimmenfang im rechten Sumpf"
Erwähnt hatte er in dem ursprünglichen Interview allerdings auch die Vorfälle in Freibädern, die Tat auf dem Frankfurter Bahnsteig und die Schwertattacke in Stuttgart. Das alles wühle die Menschen auf und befeuere die Sorge, dass neue Parallelgesellschaften entstehen könnten.
Linke-Chefin
Kipping warf dem CDU-Politiker vor, das Thema mit Meldungen über Gewalttaten von Erwachsenen zu vermengen. "Ist ihm nicht bekannt, dass der Täter von Frankfurt, der offensichtlich eine psychotische Störung hatte, fließend deutsch spricht und als Schweizer praktisch den gleichen Migrationshintergrund hat wie Alice Weidel?"
Lehrerverband fordert verpflichtende Sprachtests
Unterstützung bekam Linnemann vom Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger. Der sagte der dpa am Montag, Linnemann habe natürlich Recht damit, dass die eigentliche sprachliche Förderung vor der Grundschule erfolgen müsste.
Kinder sollten nach Meidingers Ansicht schon lange vor der Einschulung verpflichtende Sprachtests durchlaufen. "Ich bin ein absoluter Anhänger von bundesweiten, flächendeckenden Sprachstandstests bei Drei- und Vierjährigen."
Es gebe Ansätze dafür in einigen Ländern, aber leider passiere dann zu wenig, weil ausgebildetes Personal fehlten, und Grundschullehrer seien sowieso Mangelware.
Aussagen von Linnemann "zum Fremdschämen"?
Die SPD-Bildungspolitikerin Marja-Liisa Völlers hingegen sagte der dpa, die Aussagen Linnemanns seien "wirklich zum Fremdschämen und populistisches Getöse wie in Wahlkampfzeiten".
Man könne Kinder nicht von der Grundschule ausschließen, nur weil sie schlecht Deutsch sprächen. Das schaffe Parallelgesellschaften und langfristige Integrationsprobleme, anstatt sie zu lösen.
"Die Kinder sind genau richtig da, wo sie sind. Ein besseres Lernumfeld für alle Kinder als Schulunterricht mit Gleichaltrigen gibt es doch gar nicht."
Parteikollegin urteilt: "Populistischer Unfug"
Auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte den Vorstoß von Linnemann vehement zurückgewiesen.
Prien sprach in der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag) von "populistischem Unfug" und "dem völlig falschen Weg". Diese Kinder gehörten vielmehr "im Rahmen der Regelbeschulung" in Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), hält ebenfalls nicht viel vom Vorstoß ihres Parteifreunds Linnemann. "An der Schulpflicht gibt es nichts zu rütteln", sagte sie der "Rheinischen Post" (Mittwoch). "Was wir aber brauchen, ist gezielte Sprachförderung von Anfang an."
Gebraucht würden verpflichtende Sprachtests und Förderprogramme, die möglichst früh ansetzen. Widmann-Mauz verwies auf ihre entsprechende Initiative mit den CDU-Bildungsministern bei der Kultusministerkonferenz.
Weiter sagte sie, Lehrer verdienten im Alltag mehr Unterstützung, beispielsweise durch mehr begleitende Sprachvermittlung an Schulen und gemischte Teams mit Sozialarbeitern, Erziehern und Sozialpsychologen. "Und auch die Eltern müssen wir stärker in die Pflicht nehmen. Denn Bildung ist entscheidend für die Integration und Zukunftschancen aller Kinder." (hub/dpa)
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