Hongkongs chinatreue Regierungschefin Carrie Lam hat vor dem Hintergrund neuer Massenproteste Gesprächsbereitschaft signalisiert. Man sei bereit zuzuhören, auf eine grundlegende Forderung der Demonstranten ging sie allerdings nicht ein.
Vor dem Hintergrund anhaltender Massenproteste der Demokratiebewegung in Hongkong hat die chinatreue Regierungschefin Carrie Lam Gesprächsbereitschaft signalisiert. Lam kündigte am Dienstag eine "Plattform zum Dialog an". Sie und ihre Regierung seien "entschlossen, zuzuhören, was die Leute uns zu sagen haben". Dabei machte die Regierungschefin allerdings kein konkretes Angebot an die Protestbewegung. Es gehe um einen Dialog "mit Menschen aus allen Lebensbereichen".
Lam sagte, dass es eine Untersuchung der seit dem 9. Juni andauernden Proteste und der damit verbundenen Beschwerden gegen die Polizei geben werde. Diese solle jedoch von der Aufsichtsbehörde der Polizei und nicht, wie von Demonstranten gefordert, von einer unabhängigen Stelle durchgeführt werden.
Eine Million Menschen waren am Wochenende auf den Straßen
Am Wochenende waren in der früheren britischen Kronkolonie mit ihren 7,5 Millionen Einwohnern mehr als eine Million Menschen friedlich auf die Straßen gegangen. Anders als in den Wochen zuvor kam es bei den Protesten am Wochenende nicht zu nennenswerten Ausschreitungen. Die Demonstranten bauten keine Barrikaden. Die Polizei verzichtete auf den Einsatz von Tränengas, was als Zeichen der Entspannung gewertet wurde.
Hongkong gehört seit dem Abzug der Briten 1997 wieder zu China. Als Sonderverwaltungszone hat es eigentlich noch bis 2047 umfangreiche Sonderrechte garantiert. Viele fürchten nun darum. Forderungen der Demonstranten sind freie Wahlen und eine unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt bei früheren Demonstrationen. Aus der Menge wurden aber auch Rufe nach Unabhängigkeit laut.
In dieser Woche soll es mit kleineren Protesten weitergehen. Für den 31. August riefen die Veranstalter zu einer neuen Großkundgebung auf.
China hält weiter an Drohkulisse fest
Die streng zensierten Staatsmedien auf dem chinesischen Festland erwähnten die friedlichen Proteste nicht. Stattdessen drehten sich die Berichte weiterhin um die Ausschreitungen der Vorwochen und Protestaktionen von chinesischen Bürgern in aller Welt.
China hält damit weiter an der aufgebauten Drohkulisse eines möglichen Eingreifens in Hongkong fest. In den vergangenen Tagen waren chinesische Einsatzkräfte um die Stadt zusammengezogen worden. Die Staatsmedien zeigten die Verlegung großer Truppenteile und Bilder von Übungen zur Bekämpfung von Aufständischen.
Angesichts dieser Entwicklungen gibt es international Sorge vor einem militärischen Eingreifen wie 1989 bei der blutigen Niederschlagung der Proteste in Peking. Staatspräsident Xi Jinping hat sich zur Entwicklung in Hongkong noch nicht geäußert. Am 1. Oktober will die Volksrepublik ihr 70-jähriges Bestehen feiern.
Twitter will chinesische Diskreditierungskampagne aufgedeckt haben
Dass China weiterhin versucht, die Informationshoheit über den Konflikt mit Hongkong zu gewinnen und so die Meinung über die Demonstrationen beeinflussen will, zeigen zwei Beispiele aus sozialen Netzwerken.
So hat Twitter nach eigenen Angaben eine großangelegte Kampagne aus China aufgedeckt, die die Proteste in Hongkong diskreditieren sollte. Der Kurznachrichtendienst machte 936 Accounts aus, über die koordiniert "politischer Streit in Hongkong gesät werden sollte". Zusätzlich sei ein Netzwerk aus rund 200.000 Accounts gesperrt worden, bevor es nennenswerte Aktivität entwickeln konnte, teilte Twitter am Montag mit.
Facebook entfernte mit ähnlicher Begründung fünf Accounts, sieben Seiten und drei Gruppen. Mindestens einer der Seiten seien rund 15.500 Facebook-Profile gefolgt. Beide Dienste zeigten Beispiele von Beiträgen, in denen die Demonstranten in Hongkong zum Beispiel als gewalttätig dargestellt wurden.
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