Bald sollen Konsum und Besitz von Cannabis in Deutschland ab 18 Jahren erlaubt sein. Das plant die Bundesregierung in einem Modell-Projekt unter wissenschaftlicher Begleitung. Der Jugendmediziner Jakob Maske warnt im Interview mit unserer Redaktion vor Schäden durch Gras-Konsum: "Diese können bis zum 25. Lebensjahr auftreten und sind in dieser Altersspanne oftmals nicht heilbar."

Ein Interview

Herr Maske, die Bundesregierung will den Konsum von Cannabis schrittweise erlauben. Werden wir bald mehr kiffende Kinder und Jugendliche haben?

Mehr aktuelle News

Jakob Maske: Das hängt ganz davon ab, wie der Jugendschutz aufgestellt wird. Schaut man sich die jetzige Situation an, ist er für alle Drogen schlecht aufgestellt. Im Cannabis-Gesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat der Jugendschutz jedoch eine hohe Priorität. Er sagt aber noch nicht, wie er das umsetzen möchte. Von daher sind wir gespannt, wie der Jugendschutz bei der schrittweisen Legalisierung von Cannabis umgesetzt werden soll. Greifen die geplanten Programme, ist es durchaus möglich, dass sogar weniger Jugendliche Cannabis konsumieren, weil die jungen Menschen durch ihr Wissen die Finger davonlassen.

Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung konsumierten im Jahr 2021 knapp sechs Prozent der Zwölf- bis 25-Jährigen regelmäßig Cannabis. 35 Prozent haben Gras schon einmal ausprobiert. Kann die Legalisierung diesen ansteigenden Trend stoppen?

Cannabis gilt unter Jugendlichen oft als leichte und harmlose Droge. Wir Ärztinnen und Ärzte sehen eher das Gegenteil. Auch die Kriminalisierung der Konsumenten bringt gewisse Gefahren mit sich. So kann die Qualität von Cannabis unter Umständen besser werden, beispielsweise ohne chemische Zusätze, die oft auf dem Schwarzmarkt eingesetzt werden. Ob sich das bewahrheitet, werden die Modellvorhaben der Regierung zeigen. Es gibt immer mehr Studien, die sehr deutlich zeigen, was für einen starken Einfluss Cannabis auf die Gesundheit von Jugendlichen hat. Je früher der Konsum beginnt, desto gefährlicher ist es für das spätere Leben – in der Regel kann er zu irreversiblen Schäden führen.

Welche denn?

Das ist sehr individuell. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit bleibender Schäden beim einmaligen Ausprobieren eher gering. Aber die Gefahr besteht. Mehr betroffen sind die regelmäßigen Konsumenten. Je früher begonnen wird, das geht bei Zwölf- bis 13-Jährigen in Deutschland los, desto wahrscheinlicher kann eine psychiatrische Erkrankung folgen – wie zum Beispiel Psychosen. Diese können bis zum 25. Lebensjahr auftreten und sind in dieser Altersspanne oftmals nicht heilbar.

Sollte Cannabis-Konsum also erst ab einem Alter von 25 Jahren erlaubt sein?

Aus rein medizinischer Sicht wäre das gut. Bis dahin ist die Vernetzung des Gehirns bei den meisten Menschen abgeschlossen. Aus rechtlicher Sicht wird man Cannabis aber schon ab 18 Jahren erlauben. Alles andere wäre unrealistisch. Weil es dann aber noch immer eine siebenjährige Gefahr für Psychosen gibt, muss man die Legalisierung wissenschaftlich begleiten.

Jakob Maske: "Wir sehen schon bei Alkohol, dass der Jugendschutz nicht funktioniert"

Sie sprachen eben von einer Verharmlosung von Cannabis unter Jugendlichen. Will die Regierung nicht eher weg vom schlechten Image der Einstiegsdroge? Auch der Drogenbeauftragte sagte im Interview mit unserer Redaktion, dass Cannabis endlich enttabuisiert werden müsste. Alkohol sei ein viel schlimmeres Zell-Gift.

Ich glaube, dass Herr Lauterbach Cannabis gerade nicht verharmlosen will. Die jetzige Kriminalisierung der Konsumenten, die damit einhergehende Beschaffungskriminalität und die schlechte Qualität wegen der Zusätze hat er im Blick. Das alles soll bald der Vergangenheit angehören. Durch Aufklärungskampagnen muss dann deutlich werden, dass Cannabis nicht harmlos ist und dass durch eine kontrollierte Abgabe der Schwarzmarkt zurückgedrängt werden soll. Dass das nicht hundertprozentig funktioniert, sieht man im Ausland. Aber man wird den illegalen Handel zumindest deutlich eindämmen können.

Welche Beispiele haben Sie da im Kopf?

In Südafrika, Malta und einigen Bundesstaaten in den USA ist Cannabis legal. In Letzteren sind die sogenannten Edibles problematisch, also essbare Produkte, bei denen Cannabis verarbeitet wurde. Das führt in den Staaten zu noch mehr Sucht und noch mehr Konsum, auch bei Kindern und Jugendlichen, wie jüngst eine Studie zeigte. Essbare Cannabis-Produkte soll es aber nicht in Deutschland geben. Da gibt es klare Bestrebungen, das nicht zu erlauben.

Bisher gibt es noch kein konkretes Gesetz bezüglich der Legalisierung von Cannabis. Was sollte die Regierung hinsichtlich der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen beachten?

Es muss ein vernünftiger Jugendschutz her. Wir sehen ja schon bei Alkohol, dass der Jugendschutz nicht funktioniert. Jugendliche bekommen an fast jeder Supermarktkasse unproblematisch alkoholische Getränke, auch an Hochprozentiges kommen viele auf Umwegen ran. An zurzeit noch illegales Cannabis kommen sie auch fast überall. Hier muss die Regierung klarstellen, wie sie das zukünftig verhindern und über mögliche, schwere Schäden durch den Konsum aufklären will.

Zur Person: Jakob Maske ist Kinder- und Jugendmediziner in Berlin. Außerdem ist er der Sprecher des Kinderärzte-Berufsverbands.
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.