Die Indizien für den Tod von IS-Anführer Abu Bakr al-Bagdadi verdichten sich. Was bedeutet das für die Terrormiliz Islamischer Staat? Ein Experte warnt, die Gefährlichkeit des IS wird sich noch vergrößern. Die Zahl der Anschläge in Deutschland könnte deutlich zunehmen.

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Schon mehrfach wurde Abu Bakr al-Bagdadi, der Kopf des sogenannten Islamischen Staats, für tot erklärt. Er soll Ende Mai bei einem russischen Luftangriff auf die syrische IS-Hochburg Rakka ums Leben gekommen sein. Das berichtete das russische Außenministerium im Juni.

Beweise fehlten bislang, doch nun verdichten sich die Hinweise darauf, dass der selbst ernannte Kalif tatsächlich getötet wurde.

Informationen aus Kreisen des IS

Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat das mit Verweis auf Informationen hochrangiger IS-Kader aus der Region Deir ez-Zor vor wenigen Tagen bekannt gegeben.

Irakische Medien meldeten den Tod ebenfalls. "Es gibt keine seriöse Bestätigung, dass al-Bagdadi tatsächlich tot ist", gibt jedoch IS-Experte Bruno Schirra auf Nachfrage unserer Redaktion zu Bedenken.

Die syrische Beobachtungsstelle habe in der Vergangenheit immer mal wieder falsche Nachrichten verbreitet, sagt Schirra. Tatsächlich blieben Zeitpunkt, Ort und Umstände von al-Bagdadis Tod bislang unklar.

Al-Bagdadi hatte großen Einfluss

Nichtsdestotrotz haben die Spekulationen begonnen, welche Auswirkungen das mutmaßliche Ableben des Top-Terroristen auf den Islamischen Staat haben könnte.

Al-Bagdadi war 2010 zum Chef der damals noch Islamischer Staat im Irak (ISI) genannten Organisation aufgestiegen, 2014 rief er in Mossul das Kalifat aus und nannte sich fortan "Kalif Ibrahim".

Der 1971 in der irakischen Stadt Samarra geborene Abu Bakr al-Bagdadi war einer der meistgesuchten Terroristen der Welt und galt aufgrund seines Einflusses als Terror-Nachfolger von Osama Bin Laden, dem 2011 getöteten Chef des Terrornetzwerks al-Kaida.

Das US-Außenministerium hatte im Vorjahr 25 Millionen US-Dollar für seine Ergreifung ausgesetzt. Trotz seiner Prominenz dürfte der mutmaßliche Tod aber keine großen Auswirkungen auf den IS haben.

Experte: al-Bagdadis Tod schadet dem IS nicht

"Das schadet dem Islamischen Staat in keiner Art und Weise", sagt Bruno Schirra. "Das Kalifat hat womöglich eine Lichtgestalt verloren, aber schon in ein paar Monaten wird es eine neue Lichtgestalt geben."

Laut der Nachrichtenagentur Reuters gelten die ehemaligen irakischen Offiziere Iyad al-Obaidi und Ayad al-Jumaili als mögliche Nachfolger.

Al-Obaidi soll zuletzt als Kriegsminister amtiert haben, während al-Jumaili den Sicherheitsdienst der Miliz leitete. Al-Bagdadi, der öffentliche Auftritte scheute, befand sich in den vergangenen Jahren quasi permanent auf der Flucht.

Es ist unklar, wie groß sein Einfluss auf das operative Geschäft zuletzt überhaupt noch gewesen ist. Die "Süddeutsche Zeitung" bezeichnet ihn als "Phantom des Terrors".

Düsteres Szenario: Alltäglicher Terror in Deutschland

IS-Experte Schirra hat keinen Zweifel daran, dass die Gefährlichkeit der Miliz in den kommenden Jahren - trotz des Todes des Anführers und militärischer Verluste - sogar noch zunehmen wird.

In seinem Buch "Der Terror kommt", das im Herbst erscheinen wird, entwirft er ein düsteres Szenario: alltäglicher Terror in Deutschland – mit Anschlägen auf Züge, U-Bahnen, Kinos sowie Geiselnahmen in Schulen und Kindergärten.

Schläfer hätten sich in den vergangenen zwei Jahren hierzulande professionell vernetzt. Auch in Frankreich und Großbritannien hat die Zahl von gewaltbereiten IS-Anhängern deutlich zugenommen.

IS will seine Position deutlich machen

Nach dem Verlust eines Großteils seines Gebiets im Irak und in Syrien müsse sich die Terrororganisation vermehrt "durch Anschläge im Westen bei seinen Anhängern legitimieren", behauptet Schirra. "Der IS ist in einer Bringschuld. Er muss zeigen, dass er noch da ist."

Zuletzt hatte die von den USA geführte Anti-IS-Koalition die irakische Millionenstadt Mossul zurückerobert. Aktuell sind nur noch knapp 30 Prozent des ursprünglichen Gebietes unter Kontrolle der Dschihadisten.

Die staatlichen Strukturen sind nur noch ansatzweise vorhanden, Steuern und Ölgeschäft als Einnahmequelle weitestgehend weggebrochen.

Dafür konnte sich der IS in anderen Regionen der Erde weiter ausbreiten: Aktuell ist er in Indonesien und auf den Philippinen auf dem Vormarsch.

Gut vernetzt über den gesamten Globus

Die Anhänger des IS sind auch im Internet eng miteinander vernetzt. Über sehr gut verschlüsselte Kanäle werden Anschlagspläne entworfen, Schläfer für Terrorattacken vorbereitet und zum Losschlagen aufgefordert.

Über Youtube und Twitter wird Propaganda verbreitet. "Ein virtuelles Kalifat hat sich fest etabliert", sagt Schirra. Die Miliz sei auch ohne staatliche Ordnung "handlungsfähig und brandgefährlich".
Der Tod von Abu Bakr al-Baghdadi – sofern er sich tatsächlich bestätigen sollte – war da höchstens ein symbolischer Erfolg.

Die deutschen und ausländischen Sicherheitsbehörden haben noch viel Arbeit vor sich.



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