In Bosnien und Herzegowina liegt Krieg in der Luft: Serbenführer Milorad Dodid hat konkrete Schritte hin zu einer Abspaltung der Republik Srpska unternommen. Was die EU jetzt tun kann, welche internationalen Unterstützer Dodik hat und wieso der Serbenführer zur Jagd gegen einen CSU-Politiker aufruft.

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Experten sprechen von der schwersten Krise seit Ende des Bosnien-Krieges im Jahr 1995: Serbenführer Milorad Dodik droht immer vehementer mit der Spaltung des Landes Bosnien und Herzegowina – und hat konkrete Schritte dahin unternommen.

So ließ er Gesetze beschließen, denen zufolge staatliche Justiz- und Strafverfolgungsbehörden nicht mehr auf dem Gebiet der Republik Srspka arbeiten dürfen. Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina ist in zwei Entitäten geteilt – die Föderation Bosnien und Herzegowina und die Republik Srpska.

Serbenführer Dodik zündelt auf dem Balkan

Nun ließ Srpska-Chef Dodik das Strafgesetzbuch so ändern, dass Beamte bestraft werden, die weiterhin in gesamtstaatlichen Institutionen tätig sind. Außerdem kündigte er die Schaffung einer eigenen Grenzpolizei an und führte ein "Gesetz über ausländische Agenten" ein.

Im Parlament der Republik Srpska erklärte er Mitte März: "Wir werden Schmidt jagen." Gemeint ist damit CSU-Politiker Christian Schmidt, Hoher Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina. Er überwacht als aktueller Amtsinhaber das politische Geschehen im Land und hat selbst staatliche Macht.

Es sind Worte, die aus dem Mund eines einstigen Reformers und Hoffnungsträgers kommen. Heute jedoch ist der Chef der Republik Srpska vielmehr Schreckgespenst am Westbalkan. Dass Dodik so gegen Schmidt schießt, hat folgenden Grund: Ende 2023 unterschrieb Dodik zwei Gesetze, die festlegten, dass die Entscheidungen des UN-Repräsentanten Schmidt in der Republik Srpska ungültig sind.

Dafür wurde Dodik im Februar dieses Jahres vom Bundesgericht Bosnien und Herzegowinas zu einem Jahr Haft und einem sechsjährigen Verbot politischer Aktivitäten verurteilt. Seitdem läuft auch ein Haftbefehl gegen ihn.

Dodik will Bosnien und Herzegowina spalten

"Die Sezessionsrhetorik von Dodik ist nichts Neues, darauf setzt er seit zehn Jahren", sagt Politikwissenschaftler und Osteuropa-Experte Vedran Dzihic. Bislang habe er gedroht, einen Schritt nach vorn gemacht und durch Druck Kompromisse herbeigeführt. "Dadurch war der Staat immer wieder in der Krise, Institutionen waren blockiert."

Nun sei Dodik aber einen Schritt weiter gegangen. "Seine Regierungsbilanz ist zuletzt schlechter geworden, gleichzeitig ist die Opposition stärker geworden und der Druck seitens einiger EU-Staaten größer", analysiert Dzihic. Auch durch die Verurteilung stehe seine politische Karriere auf dem Spiel.

Dzihic beurteilt die derzeitige Gefahr als "riesig": "Die Friedensordnung steht auf dem Spiel", sagt er. Im Dayton-Abkommen von 1995 hatte man nach dem Bosnien-Krieg versucht, eine Friedensordnung zu schaffen. "Man hat für die drei Völker zwei territoriale Entitäten geschaffen. In der Republik Srpska leben mehrheitlich Serben und in der Föderation Bosnien-Herzegowina leben mehrheitlich muslimische Bosniaken und bosnische Kroaten", erklärt der Experte.

Im Abkommen von Dayton sei aber auch festgelegt, dass die staatliche Souveränität und die territoriale Integrität des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina gewährt bleiben – genau dagegen verstößt Dodik derzeit mit seinen Gesetzen. "Es wurde auch beschlossen, dass ein neuer verfassungsgebender Prozess in der Republika Srpska beginnt – laut zentralstaatlicher Verfassung hat die kleinere bosnische Entität dazu eigentlich kein Recht", so Dzihic.

Dodik galt eins als "Verräter"

Die Idee der internationalen Staatengemeinschaft sei nach Kriegsende Mitte der 1990er eigentlich gewesen: Der Staat wird zusammenwachsen und vielleicht zum Vorkriegszustand zurückkehren. "Das hat sich aber nicht erfüllt. Mit dem Verweis auf die anderen Völker und die Gefährdung der eigenen Nation wird weiterhin Politik gemacht", sagt Dzihic.

Dabei galt Dodik serbischen Nationalisten einst selbst als "Verräter". Als er 1998 erstmals Premierminister der Republik Srpska wurde, war der bosnische Staat gerade in einem Reformprozess – auch Richtung EU. "Dodik hat sich damals als konstruktiver politischer Player dargestellt und agiert. Er hat für staatliche Reformen gesorgt, etwa die Schaffung einer Staatsanwaltschaft und Polizeibehörde", erinnert Dzihic.

Insbesondere nach der Weltwirtschaftskrise hätten viele Bürgerinnen und Bürger jedoch den Eindruck bekommen, es gebe doch keine Perspektive der schnellen europäischen Integration. Immer mehr wandten sich den Nationalisten zu – und Dodik war auf serbischer Seite vorne mit dabei.

Heute steht der einstige Reformer auf dem Weg zu Europa auf der schwarzen Liste der USA und strebt die Vereinigung seiner Republik mit dem benachbarten Serbien an. 2016 ließ er erstmals ein Referendum über die Unabhängigkeit der Republik Srpska abhalten – obwohl das Verfassungsgericht des Landes die Volksbefragung zuvor für illegal erklärt hatte.

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Ob der Haftbefehl gegen Dodik auch umgesetzt wird, ist unklar. Denn er hat angekündigt, sich von der Polizei der Republik Srspka schützen zu lassen – ein Eingreifen birgt also für Bosnien und Herzegowina auch ein Sicherheitsrisiko.

"Wir haben es hier mit einem Staat zu tun, der aus dem Krieg geboren wurde. In diesem Krieg sind hunderttausend Menschen umgebracht und zwei Millionen Menschen vertrieben worden", sagt Dzihic. Wenn man jetzt 30 Jahre später das Ganze neu aufmache, kehre man de facto in die Kriegszeit zurück.

Auf dem Balkan droht wieder ein Krieg

"Im schlimmsten Szenario gibt es neue bewaffnete Konflikte, wenn Dodik an seinen Ideen festhält und die Bosniaken sagen: 'Wir lassen uns nicht wie in den 1990er-Jahren wieder einen Teil des Landes entreißen'", warnt Dzihic.

Hinzukommt, dass Dodik Unterstützer im Ausland hat: Der serbische Präsident Aleksandar Vučić könnte den bosnischen Serben beispielsweise zur Hilfe eilen. "Das ist extrem gefährlich. Und all dies passiert in der europäischen Nachbarschaft und zu einem Zeitpunkt, zu dem sich geopolitisch viel verschiebt. Das ist alles ein Spiel mit dem Feuer", sagt der Politikwissenschaftler.

Dass jemand in dem Konflikt eine Vermittlerrolle einnehmen könnte, hält Dzihic für weniger wahrscheinlich. "Viel zu vermitteln gibt es wahrscheinlich kaum. Die Gesetze des Staates Bosnien und Herzegowina sagen klar, dass die erlassenen Gesetze der Republik Srspka verfassungswidrig sind."

Er sieht die EU in der Pflicht, Sanktionen zu erlassen – so wie die USA es bereits getan haben. Doch auch der ungarische Präsident Viktor Orban ist ein enger Freund und Verbündeter von Dodik – und möchte jegliches scharfes Vorgehen gegen ihn verhindern. "Auch im Kreml-Chef Putin hat er einen Fürsprecher. Dodik setzt darauf, dass er ihm im Zweifelsfall hilft." Es brodelt auf dem Balkan - schon wieder.

Zur Person

  • Dr. Vedran Dzihic ist Politikwissenschaftler und forscht am Österreichischen Institut für Internationale Politik. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die europäische Integration, Konfliktforschung sowie Außenpolitik und Nationalismus. Sein regionaler Fokus liegt auf Ost- und Südosteuropa, mit besonderem Schwerpunkt auf dem Balkan und auf den USA.

Verwendete Quellen