Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Geld sparen. Jetzt setzte er den Rotstift bei einem umstrittenen Zweig der Gesundheitsversorgung an.
Homöopathie als mögliche Kassenleistung vor dem Aus: Bundesgesundheitsminister
Krankenkassen locken Kunden mit Homöopathie-Übernahme
Bereits seit Jahren wird diskutiert, ob Homöopathie weiter von Krankenkassen bezahlt werden soll. Basis für homöopathische Arzneimittel können pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen sein. Die extrem verdünnten Stoffe werden zum Beispiel in Form von Kügelchen (Globuli) verabreicht. Wissenschaftlicher Konsens ist, dass für homöopathische Behandlungen keine Wirkung nachgewiesen ist, die über den Placebo-Effekt hinausgeht.
Heute können Kassen solche Mittel dennoch als Satzungsleistungen anbieten. Das sind Angebote, die eine Kasse zusätzlich zu den vorgeschriebenen Leistungen gewähren kann. Die untereinander in Konkurrenz stehenden Versicherungen können damit für sich werben. Darüber hinaus können Kassen mittels bestimmter Verträge Diagnosen und Behandlungen von Ärzten mit Homöopathie-Angeboten finanzieren.
Lauterbach sagte, dass Kassen Leistungen bezahlten, die medizinisch nichts brächten, "können wir uns nicht leisten". Ihm gehe es dabei auch ums Prinzip, sagte der Politiker und Mediziner: "Es gibt auch das falsche Bild." Wissenschaft sei die Basis des Regierungshandelns in der Klima-, Gesundheitspolitik oder anderen Bereichen. "Es kann keine vernünftige Politik geben, die die Wissenschaft ignoriert – im Bereich der Homöopathie haben wir das bisher gemacht."
Einsparungen in Millionenhöhe
Die geschätzten Einsparungen durch den geplanten Schritt bezifferte Lauterbach auf 20 bis 50 Millionen Euro pro Jahr. Lauterbachs Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) hatte sich 2019 noch gegen ein Aus von Homöopathie als Kassenleistung gewandt – vielen würde dadurch vor den Kopf gestoßen. Nun kritisierte
Die gesetzlichen Kassen gaben 2021 für homöopathische Mittel allein rund sieben Millionen Euro aus, für anthroposophische Arzneimittel knapp 15 Millionen. Verbandssprecher Florian Lanz äußerte sich zurückhaltend zu Lauterbachs Plänen: "Was die Finanzwirkung angeht, handelt es sich mehr um eine symbolische Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlichen Effekt." Es sei eine politische Entscheidung gewesen, Sondervorschriften mit geringeren Anforderungen an den Nachweis der Wirksamkeit bei den besonderen Therapierichtungen einzuführen. "Und es wäre jetzt erneut eine politische Entscheidung, diese wieder zu streichen."
Die Securvita Krankenkasse, nach eigenen Angaben "Vorreiter bei der Naturheilkunde", warf Lauterbach Aktionismus vor. "Es gab und gibt genügend gesetzliche Grundlagen, die Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen", sagte Vorstand Vladimir Werner der Deutschen Presse-Agentur etwa mit Blick auf vorgesehene Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsnachweise bei Verträgen von Kassen mit bestimmten Ärzten. "Diese anzuwenden scheut sich der Minister offensichtlich, denn sie erfordern mehr als die populistische Infragestellung der für unsere Gesundheitsversorgung wichtigen Homöopathie."
Lob von den Kassenärzten und dem Koalitionspartner
Lob bekam Lauterbach von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). "Es ist richtig, Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen", sagte KBV-Chef Andreas Gassen der "Rheinischen Post". "Während jede neue Leistung, die in den Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen werden soll, zu Recht einen umfangreichen Nutzennachweis durchlaufen muss, hat manche Krankenkasse gerne homöopathische Verfahren und Mittel, für die es keine ausreichenden Studienlagen gibt, im Sinne des Versichertenmarketings angeboten."
Auch vom liberalen Koalitionspartner bekam Lauterbach Unterstützung. "Teure Pseudomedizin können wir uns angesichts der prekären Kassenlage nicht mehr leisten", sagte die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. Natürlich könne man weiter homöopathische Mittel auf eigene Kosten einnehmen. Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann sprach von einem "richtigen Schritt" Lauterbachs, mahnte aber weitere Anreize für mehr Eigenverantwortung an. Von den Grünen, in deren Reihen Homöopathie als Kassenleistung in der Vergangenheit verteidigt wurde, gab es vorerst keine Reaktion.
Im achtseitigen Papier aus Lauterbachs Ministeriums mit Empfehlungen für stabile Kassenfinanzen ist der geplante Einschnitt für die Homöopathie bereits knapp genannt – unter anderem neben geplanten Reformen etwa der Klinikfinanzierung oder für verstärkten Kampf gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten. "Leistungen, die keinen medizinisch belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden", heißt es dort.
Homöopathie als Zusatzversicherung
Die Möglichkeit der Kassen werde gestrichen, per Satzung homöopathische und anthroposophische Leistungen vorzusehen. "Den Krankenkassen wird es jedoch möglich sein, private Zusatzversicherungen zu diesen Leistungen zu vermitteln." Das Papier verschickte Lauterbachs Haus laut "Spiegel" an andere Ministerien.
Homöopathische Mittel werden von Patientinnen und Patienten bei vielen Leiden eingesetzt. So gibt es ein Mittel gegen grippale Effekte, Globuli für ein Einpendeln des Blutdrucks bei Herz-Kreislauf-Beschwerden, Tabletten mit Spuren des Eichenblättrigen Giftsumach gegen rheumatische Schmerzen oder Tabletten mit Pflanzenbestandteilen und Magnesium phosphoricum gegen Menstruationsbeschwerden in bestimmten Verdünnungsstufen – nur als wenige Beispiele unter vielen. (dpa/the)
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