Im Deutschen Bundestag wird diskutiert und gestritten – doch immer wieder vergreifen sich Abgeordnete im Ton. Die meisten Ordnungsrufe hat sich in dieser Wahlperiode bisher die AfD eingehandelt.

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Rhetorisch wurde schon immer ordentlich zugelangt im hohen Haus der Demokratie. Die vielleicht bekannteste Schimpftirade leistete sich 1984 Joschka Fischer: Der damalige Grünen-Bundestagsabgeordnete rief dem Vizepräsidenten Richard Stücklen (CSU) nach einem Wortgefecht zu: "Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub!"

Der spätere Bundesaußenminister Fischer brachte es der "Süddeutschen Zeitung" zufolge in seiner gesamten Bundestagszeit auf zwölf Ordnungsrufe. Mehr Ermahnungen erlaubten sich nur die legendären Streithähne und SPD-Politiker Herbert Wehner (58) und Ottmar Schreiner (40).

Mehr als 30 Ordnungsrufe für AfD

Im Parlament soll diskutiert und gestritten werden – aber in einem sachlichen Ton. Vergreift sich ein Abgeordneter im Ton, stößt eine Beleidigung oder andere Störung aus, kann der Präsident oder die Präsidentin der Sitzung ihn mit einem Ordnungsruf bestrafen.

Die Zeiten von Wehner, Schreiner und Fischer sind zwar längst vorbei. Geschimpft und gepöbelt wird im Bundestag noch immer. Mit Abstand die meisten Ordnungsrufe haben in der laufenden Legislaturperiode Abgeordnete der AfD erhalten.

Während Politikerinnen und Politiker der anderen Fraktionen bisher Ordnungsrufe im niedrigen einstelligen Bereich kassierten, wurden die der AfD mehr als 30 Mal zur Ordnung gerufen, wie aus den entsprechenden Protokollen hervorgeht. Auf das Konto anderer Parteien ging jeweils nur ein Sechstel dieser Zahl oder weniger. Darüber berichtete jetzt die "Bild"-Zeitung.

Beatrix von Storch an der Spitze

Beatrix von Storch (AfD) führt die unrühmliche Liste an. © dpa/Michael Kappeler

Schon jetzt ist die Zahl aller Ordnungsrufe der vorigen Legislaturperiode erreicht: Seit der Wahl 2021 waren es einer Auswertung des Bundestags zufolge 50 gültige Ordnungsrufe. Allerdings ist der Bundestag derzeit auch so groß wie noch nie.

Am häufigsten erhielt die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Beatrix von Storch, einen Ordnungsruf – insgesamt zehn Mal. Auf dem zweiten Platz folgt Storchs Parteikollege Stephan Brandner mit sieben Ordnungsrufen. Auch der fraktionslose AfD-Politiker Matthias Helferich wurde bisher des Öfteren zur Ordnung gemahnt.

Von Pfeifen und nervenden Alten

Ein Beispiel aus der vergangenen Woche: In der Generaldebatte über den Haushalt des Bundeskanzleramts handelte sich AfD-Mann Brandner einen Ordnungsruf ein, als er CSU-Politiker Alexander Dobrindt beleidigte: Brandner hatte gerufen: "Herr Dobrindt, Sie sind eine Pfeife!"

Das sehr rechte Lager provoziert aber auch Abgeordnete von anderen Parteien immer wieder zu Ausrutschern. Nach einer wirren Rede des betagten Abgeordneten Robert Farle (parteilos, ehemals AfD) rief ihm der SPD-Politiker Daniel Baldy hinterher: "Alter, ey, nerv' nicht mit deinem Gelaber! Also wirklich, geh nach Hause!" Auch dafür erteilte ihm Sitzungspräsident Wolfgang Kubicki (FDP) einen Ordnungsruf.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat vor der Sommerpause des Bundestags Respekt in politischen Debatten angemahnt. "Man merkt, dass sich die Sprache verhärtet hat", sagte Bas im Juni im Interview mit unserer Redaktion. "Wir brauchen aber einen fairen und respektvollen Umgang miteinander." (fab)

Verwendete Quellen:

  • dpa
  • bild.de: Die Pöbel-Liste aus dem Bundestag
  • sueddeutsche.de: Ausrutscher im Bundestag: "Mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch"
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