- Mit seiner geplanten Rentenreform bringt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron viele Menschen im Land gegen sich auf.
- Den zweiten Tag in Folge erschüttern Proteste zahlreiche Städte.
- Dazu kommen Arbeitsniederlegungen, die sich auf die Verkehrsverbindungen auswirken.
- Die Zahl der Protestierenden differiert jedoch erheblich, je nachdem, ob die Polizei oder die Gewerkschaft sie angibt.
Zum zweiten Mal binnen zwei Wochen haben in Frankreich mehr als eine Million Menschen gegen die geplante Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre protestiert. Nach Angaben der Gewerkschaft CGT gingen landesweit 2,8 Millionen Menschen auf die Straße, die Polizei meldete hingegen 1,2 Millionen Demonstrierende. Die Streikbereitschaft war diesmal etwas geringer, dennoch lagen weite Teile des öffentlichen Lebens lahm.
Allein in Paris protestierten laut CGT 500.000 Menschen - nach Angaben der Polizei waren es 87.000. Die Polizei meldete zudem 40.000 Demonstrierende in Marseille, 23.000 in Rennes und 28.000 in Nantes.
Am 19. Januar waren nach CGT-Angaben landesweit mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen. Die Gewerkschaften kündigten am Dienstagabend weitere Proteste und Streiks am 7. und 11. Februar an.
Die Gewerkschaften stellen sich gegen die Anhebung des Rentenalters
"Es ist eine der größten organisierten Demonstrationen, die unser Land in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat", sagte Gewerkschaftschef Laurent Berger. "Es sind noch mehr Leute da als beim letzten Mal". Die Gewerkschaften fordern, auf die geplante Anhebung des Rentenalters zu verzichten.
"Ich will nicht bis 64 arbeiten, das ist gar nicht möglich", sagte Sandrine Carré, eine 52 Jahre alte Vorschullehrerin aus Bordeaux. "Wir hocken so oft auf dem Boden, dass ich jetzt schon kaputte Knie habe", fügte sie hinzu.
An den Streiks schienen hingegen weniger Menschen teilzunehmen als am ersten Protesttag. So lag etwa im öffentlichen Dienst die Quote der Streikteilnehmer am Mittag bei 19,4 Prozent gegenüber 28 Prozent am 19. Januar. Bei der französischen Bahn SNCF legten etwa 37 Prozent der Beschäftigten die Arbeit nieder, zuvor waren es 46 Prozent gewesen. Erneut fielen zahlreiche Bahnen, Busse und Flüge aus.
Etwa 11.000 Sicherheitskräfte versuchten, die Ordnung aufrecht zu erhalten
Etwa 11.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, um Ausschreitungen bei den Demonstrationen zu verhindern. Die Pariser Polizei meldete bis zum frühen Abend 30 Festnahmen.
Präsident Emmanuel Macron hatte am Vorabend betont, dass die Reform nötig sei, "um das System zu retten". Die Rentenkasse weist derzeit ein Plus auf, soll nach Schätzungen von Experten aber bis 2030 in ein Defizit von 14 Milliarden Euro rutschen. Daher sei die Reform "unumgänglich", sagte Macron und verwies auf die übrigen EU-Länder, in denen das Renteneintrittsalter bereits deutlich höher liege.
Laut einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage sind Macrons Zustimmungswerte in Folge der Debatte um die Rentenreform um fünf Punkte gefallen, er kommt nun nur noch auf 36 Prozent. Fast zwei Drittel der Bevölkerung mache die Regierung für die Streiks und die Lähmung des öffentlichen Lebens verantwortlich, heißt es in der Umfrage des Instituts Odoxa.
Viele Menschen kritisieren Macrons Schonpolitik gegenüber Vermögenden
"Macron nimmt das Geld nie von dort, wo es im Überfluss vorhanden ist: bei den Gewinnsteuern, den Dividenden, den Unternehmen", kritisierte Floriane Verheil, eine 44-jährige Museumsangestellte, die in Paris demonstrierte. "Sie sparen dort, wo sie es nicht sollten, auf dem Rücken der Menschen, die hart und für niedrige Löhne arbeiten", fügte sie hinzu.
Experten rechnen damit, dass die Protestbewegung sich noch ausweiten könnte. Beim ersten Reformversuch 2019 hatte Frankreich die längsten Streiks seit den Studentenprotesten 1968 erlebt.
Die Reform umfasst neben der Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre auch eine Erhöhung der Mindestrente auf 1.200 Euro. Zudem soll die Beschäftigung von Senioren gefördert werden. Für Macron ist die Rentenreform eines der wichtigsten Vorhaben seiner zweiten und letzten Amtszeit. (AFP/hau)
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