Die AfD wirft den Medien immer wieder unfaire Berichterstattung vor - blockiert allerdings auch selbst Informationen. Journalisten haben beim Umgang mit der Partei inzwischen dazugelernt. Doch nicht immer sind sie gut vorbereitet.

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Die Medien und die AfD: Das ist ein schwieriges Verhältnis. Die Politiker fühlen sich oft ungerecht behandelt. Viele Journalisten sind wiederum unsicher, wie sie den Rechtspopulisten gegenübertreten sollen.

"Keine andere Partei in der Geschichte der Bundesrepublik ist so schnell gewachsen. Also darf sie auch besonders beachtet werden", sagt Medienwissenschaftler Bernd Gäbler gegenüber unserer Redaktion. "Es müssen in der Berichterstattung nur für alle die gleichen, aus dem Journalismus selbst erwachsenen Standards gelten. Man darf nie bei den einen Schoßhündchen sein und bei den anderen Pitbull."

Gäbler lehrt an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld Journalismus und hat für die Otto Brenner Stiftung zwei Studien über das Thema "AfD und Medien" verfasst.

Berichterstattung über AfD: "Mehr Reflexion, weniger spontane Reflexe"

Ein Ergebnis seiner Untersuchungen: Die überregionalen Medien haben dazugelernt. "Im Großen und Ganzen gibt es in der Berichterstattung über die AfD etwas mehr Reflexion und etwas weniger spontane Reflexe", sagt der Professor heute.

Journalisten verschafften nicht mehr jeder gezielten Provokation aus den Reihen der AfD noch zusätzlich große Resonanz. Dennoch sei immer wieder auch Unsicherheit zu spüren: "Lohnt es sich, über ein Ereignis zu berichten? Soll einer Behauptung entgegengetreten werden?"

Manche Journalisten fühlten sich unter Druck: "Sie kennen die zu erwartenden Vorwürfe einer Parteinahme gegen die AfD schon und wollen diesen zuvorkommen."

Streit um Höcke-Interview

Zuletzt hatte ein ZDF-Interview mit dem thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke für Aufsehen gesorgt. Darin sprach Journalist David Gebhard den Politiker zunächst auf dessen Sprachgebrauch an.

In einem Einspieler sollten Parteikollegen Zitate zuordnen: Stammen sie von Höcke oder von Hitler? Nach rund zehn Minuten schaltete sich Höckes Pressesprecher ein: "Das geht so nicht. Sie haben jetzt Herrn Höcke mit Fragen konfrontiert, die ihn stark emotionalisiert haben."

Er schlug vor, das Interview neu zu beginnen - was Gebhard als unüblich ablehnte. Höcke drohte seinem Gesprächspartner mit "massiven Konsequenzen", zudem unterstellte er Journalisten mangelnde Neutralität und einen politischen Auftrag. Er brach das Interview ab.

AfD-Leute stören sich nicht an "Hitler-Sound" Höckes

"In unserer Konsenskultur sind konfrontative Interviews wie dieses eher ungewöhnlich", sagt Gäbler. Schon häufig sei aber - selbst in den Reihen der AfD, selbst vom NRW-Landesvorsitzenden Helmut Seifen - auf Parallelen im Sprachgebrauch Höckes mit der "Sprache des Dritten Reiches" hingewiesen worden. "Darum ist das Verfahren, das David Gebhard im Interview für das ZDF angewendet hat, durchaus legitim."

Besonders interessant findet der Medien-Experte, dass es die anderen AfD-Funktionäre überhaupt nicht störe, ob eine Passage von Höcke oder Hitler sei.

"Es ist ein gutes und gut vorbereitetes Interview. Man sollte es aber nun nicht zum Muster erklären. Auch Interviews, die im Ton freundlicher sind, können Erkenntnisse bringen."

Nicht alle Journalisten sind gut vorbereitet

Über den Umgang mit der AfD diskutierte Mitte September auch der ZDF-Fernsehrat. Mehrere Mitglieder des Aufsichtsgremiums warfen dem Sender im Zusammenhang mit den Landtagswahlen in Ostdeutschland eine zu zurückhaltende Berichterstattung vor.

In der Sitzung hatte nach Angaben des Berliner "Tagesspiegel" der frühere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) als Vertreter der Bundesregierung kritisiert, dass Journalisten sich oft nicht gründlich auf Gespräche mit AfD-Vertretern vorbereiteten.

Ein Thema, das auch Gäbler anspricht: "Wer sich journalistisch mit der AfD beschäftigt, sollte mindestens das Parteiprogramm, den Aufsatz von Alexander Gauland in der FAZ, dessen Eichsfeld-Rede sowie die Karlsruher Parteitagsrede von Jörg Meuthen und die Kyffhäuserrede von Björn Höcke kennen."

Bei Bettina Schausten (ZDF) und Tina Hassel (ARD) habe man am Abend der Wahlen in Sachsen und Brandenburg nicht den Eindruck gehabt, dass sie das getan hätten.

AfD mit eigener Medienstrategie

Auch Volker Lilienthal, Professor für die Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg, beschäftigt sich mit der AfD. Ihre Mitglieder und Anhänger kritisierten häufig, dass es in Deutschland keine Meinungsfreiheit gebe und die "Mainstream-Medien" die Bevölkerung manipulierten, schreibt Lilienthal in einem noch unveröffentlichten Aufsatz: "Das ist schon sachlich falsch." Er weist auf rechtspopulistische Medien wie Compact oder Junge Freiheit hin - und die Möglichkeit, in sozialen Medien frei seine Meinung zu äußern.

Die AfD habe längst eine eigene Medienstrategie, betonen beide Wissenschaftler. Sie ist im Internet – speziell in sozialen Medien – besonders stark und sie betreibt einen eigenen Newsroom in Berlin, von wo aus sie unter anderem Internet-Fernsehen etablieren will. Co-Fraktionschefin Alice Weidel hatte dazu erklärt: "Unser ambitioniertes Fernziel ist, dass die Deutschen irgendwann AfD und nicht ARD schauen."

Das Verhältnis der AfD zu etablierten Medien nennt Lilienthal paradox: "Einerseits werden diese ständig scharf angegangen. Andererseits zeigt man unverhohlene Freude, wenn sie über AfD-Politiker und ihre Einlassungen berichten."

Medienkritik und Informationsblockade gehörten bei der AfD zusammen: Es komme vor, dass Lokalredakteure nicht zu Veranstaltungen eingeladen oder Journalisten von Parteitagen ausgeschlossen würden. Zudem blieben Anfragen teilweise unbeantwortet.

Schwache Lokalberichterstattung

Kritik üben beide Experten an regionalen Zeitungen. "Darin gibt es zwar oft kraftvolle Kommentare zu AfD-Positionen, aber zu wenige Berichte von Versammlungen, Konferenzen, aus dem Inneren der Partei oder aus den Parlamenten", sagt Gäbler.

Lilienthal sieht das genauso: "Zwar gibt es löbliche Ausnahmen, doch verhalten sich manche Redaktionen in der Provinz schlicht ignorant gegenüber den beunruhigenden Veränderungen der politischen Landschaft."

Das sei besonders bedauerlich, weil die lokale und regionale Berichterstattung "für die journalistische Beantwortung von Rechtspopulismus möglicherweise relevanter ist als der ganze Hauptstadt-Journalismus der tonangebenden Blätter der Republik".

Bernd Gäbler lehrt an der FHM Bielefeld Journalismus, war Geschäftsführer des Grimme-Instituts in Marl und hat für die Otto Brenner Stiftung zwei Studien über das Thema "AfD und Medien" verfasst. Er beantwortete die Fragen per E-Mail.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Bernd Gäbler
  • otto-brenner-stiftung.de: "AfD und Medien. Erfahrungen und Lehren für die Praxis. Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung"
  • Volker Lilienthal: Rechtspopulismus als Herausforderung für die Medien. Die Medienkritik der AfD und der journalistische Umgang mit ihr. (Buchaufsatz, noch unveröffentlicht)
  • zdf.de: "ZDF-Interview mit Björn Höcke in voller Länge"
  • tagesspiegel.de: "Kritik im ZDF-Fernsehrat an Wahlberichterstattung"
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