• In den USA ist am Wochenende ein wegen der Pandemie verhängtes Moratorium für Zwangsräumungen von säumigen Mietern ausgelaufen.
  • Experten zufolge könnten damit inmitten einer neuen Corona-Welle Hunderttausenden Mietern Räumungsklagen drohen.
  • Gleichzeitig werden Milliarden US-Dollar Hilfsgelder für Mieter nicht eingesetzt, weil Bundesstaaten und Kommunen die Mittel nicht abgerufen haben.

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Wenn nicht schnell etwas passiert, sitzen Samantha Pate und Andrew Martinez bald mit ihren zwei Kindern auf der Straße. "Es kann sein, dass wir rausgeschmissen werden", klagten Pate und Martinez im US-Fernsehsender KDVR.

Wie ihnen geht es derzeit mehreren Millionen US-Amerikanern, die in der Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten sind. Am Samstag um Mitternacht lief eine Maßnahme zum Mieterschutz während der Corona-Pandemie aus - nun droht in den USA Millionen Menschen die Obdachlosigkeit.

Mehr als zehn Millionen Menschen in den USA mit Mietzahlungen im Rückstand

Das Paar aus Aurora, einer Stadt im Bundesstaat Colorado, plant nun, sich mit seinen zwei Kindern provisorisch auf einem Grundstück einzurichten. Dort wird die Familie in Zelten leben, "mit einem Holzofen für den Winter", sagte Martinez.

Mehr als zehn Millionen Menschen in den USA sind mit ihren Mietzahlungen im Rückstand, wie das unabhängige Rechercheinstitut CBPP errechnete. Rund 3,6 Millionen Mieter gingen demnach davon aus, dass ihnen innerhalb der nächsten zwei Monate eine Zwangsräumung droht.

Verhindert wurde dies bisher durch ein Moratorium auf Zwangsräumungen, das die US-Gesundheitsbehörde (CDC) im September 2020 verhängt hatte. Nach mehrfacher Verlängerung lief die Regelung am vergangenen Samstag aus. Der Oberste Gerichtshof hatte im Juni entschieden, dass das Moratorium künftig nur noch mit Zustimmung des US-Kongresses verlängert werden könne - der verabschiedete sich jedoch bis Ende August in die Sommerpause.

US-Präsident Biden drängte auf Verlängerung des Moratoriums

US-Präsident Joe Biden hatte den Kongress am Donnerstag vergeblich gedrängt, das Moratorium noch einmal zu verlängern. Die Republikaner lehnten den Vorschlag jedoch ab, auch bei Bidens Demokraten war die Maßnahme umstritten.

Die Blockadehaltung führte am Wochenende zu deutlicher Kritik führender demokratischer Politiker. Den Schutz vor Zwangsräumungen zu blockieren, sei "ein Akt purer Grausamkeit", erklärte die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf Twitter.

Die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez kritisierte die Biden-Regierung für ihr spätes Handeln. Es sei ungerecht, dass Mieter aus ihren Wohnungen geschmissen würden, während mehrere Milliarden Dollar an bewilligten Hilfsgeldern noch nicht ausgezahlt worden seien. Mit dem Geld hätte das Problem der nicht gezahlten Mieten zumindest teilweise behoben werden sollen.

"Wir können keine Menschen aus ihren Wohnungen schmeißen, während unser Teil der Abmachung noch nicht erfüllt ist", sagte Ocasio-Cortez dem Fernsehsender CNN.

Bewilligte Hilfsgelder bisher kaum ausgezahlt

Anders als bei anderen US-Hilfsprogrammen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie sind für die Unterstützung von Mietern die Bundesstaaten, Bezirke und Städte zuständig. 46 Milliarden Dollar hatte die US-Regierung an Beihilfen für Miet- und Nebenkosten eigentlich vorgesehen.

Bereits seit Anfang Februar stehen den Bundesstaaten und Kommunen laut US-Finanzministerium davon insgesamt 25 Milliarden Dollar zur Verfügung - an die betroffenen Haushalte ausgezahlt wurden bis Juni aber weniger als drei Milliarden Dollar.

Pelosi rief die Gouverneure und Kommunalverwaltungen auf, die bewilligten Mietsoforthilfen in Milliardenhöhe sofort auszuzahlen. Auch Biden warnte am Freitag, es gebe "keine Entschuldigung dafür, wenn ein Bundesstaat oder eine Kommune nicht unverzüglich Hilfen für Vermieter und Mieter bereitstellt, die durch diese Pandemie geschädigt wurden".

Einige demokratische Abgeordnete vom linken Flügel der Partei versuchten am Sonntag weiter, die Mitglieder des Repräsentantenhauses zu einer Rückkehr aus der Sommerpause zu bewegen. "Wir wollen, dass das Repräsentantenhaus zusammentritt, auch der Senat könnte intervenieren, der Präsident könnte ein Dekret unterzeichnen - es muss alles getan werden, was möglich ist", erklärte der demokratische Abgeordnete Jamaal Brown aus New York. "Menschen während einer Pandemie hinauszuwerfen, oder ihre Zwangsräumung zu ermöglichen, ist unmenschlich".

Der Wiederaufschwung der US-Wirtschaft, von dem nicht alle Teile der Bevölkerung gleichermaßen profitieren, lässt indes die Mieten weiter steigen. Laut einer aktuellen Auswertung der Immobilienwebseite Realtor stiegen die durchschnittlichen Mietpreise in den USA zwischen Juni 2020 und Juni 2021 um 8,1 Prozent. (Aurélia End/AFP)  © AFP

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