Israel will mehr Hilfstransporte in den Gazastreifen erlauben. Viele Beobachter hoffen auf die Öffnung eines zweiten Grenzübergangs. Unterdessen warnt Ägypten davor, die Palästinenser auf die Sinai-Halbinsel zu drängen. Der Tag im Überblick.
Nach anhaltender Kritik an den stockenden Hilfslieferungen in den Gazastreifen will Israel laut Medienberichten die Kapazitäten zur Abfertigung von Lastwagen an der Grenze erhöhen.
Die Zahl der getöteten Palästinenser seit Beginn des Kriegs stieg nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums auf knapp 17.200. Kämpfe gab es sowohl in der im Süden gelegenen Stadt Chan Junis, als auch im nördlich gelegenen Flüchtlingslager Dschabalia. Ägypten warnte vor einer roten Linie, sollten Palästinenser auf sein Staatsgebiet verdrängt werden.
Medien: Israel will mehr Hilfstransporte nach Gaza erlauben
Israel wolle erstmals seit Kriegsbeginn in den kommenden Tagen den Grenzübergang Kerem Schalom für die Inspektion der Hilfslieferungen nutzen, meldete die "Times of Israel" unter Berufung auf einen hochrangigen Regierungsvertreter.
Dies solle die Einfuhr einer größeren Anzahl an Lastwagen erleichtern, berichtete die Zeitung unter Berufung auf die zuständige israelische Cogat-Behörde. Wie viel mehr Hilfe dadurch in das palästinensische Küstengebiet kommen wird, war zunächst unklar.
Hilfslieferungen über weiteren Grenzübergang?
Die USA und die internationale Gemeinschaft pochen schon lange auf eine Ausweitung der Hilfe für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen. Die USA wollen dem Bericht zufolge auch, dass Israel Kerem Schalom wieder für die Ein- und Ausfuhr der Hilfstransporte öffnet. Derzeit ist dort demnach aber nur die Kontrolle der Lieferungen geplant. Nach der Abfertigung sollen die Lkw über Rafah, dem Grenzübergang zu Ägypten, in den Gazastreifen fahren. Seit Kriegsbeginn kommen die Lieferungen ausschließlich über Rafah. Vor dem Krieg fuhren rund 500 Lastwagen mit humanitären Gütern pro Tag in das von Israel abgeriegelte Gebiet, derzeit ist es nur ein Bruchteil.
Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths sieht Chancen auf eine baldige Öffnung des Grenzübergangs Kerem Schalom von Israel in den Gazastreifen. Noch warte das UN-Nothilfebüro (OCHA) auf grünes Licht, sagte Griffiths in Genf, aber es plane nun Konvois aus Jordanien mit Hilfsgütern, die über den Grenzübergang Kerem Schalom fahren sollen. Er befindet sich wie der für Hilfslieferungen genutzte Übergang Rafah von Ägypten auch im Süden des Gazastreifens. Kerem Schalom war der Grenzübergang, über den vor dem Terrorangriff extremistischer Palästinensergruppen auf Israel am 7. Oktober die meisten Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangten.
Die Nutzung von Kerem Schalom mache die Versorgung der Menschen in Not etwas einfacher. Aber nur ein Ende der israelischen Angriffe und eine Waffenruhe könnten die nötige Hilfe für die Menschen gewährleisten. Humanitäre Helfer hätten die Menschen nicht im Stich gelassen, betonte er. Aber sie könnten Menschen angesichts der anhaltenden Kämpfe nur hier und da erreichen, eine verlässliche Versorgung sei nicht möglich. "Wir haben keine Planungssicherheit, und keiner von uns sieht, wo das noch hinführt", sagte Griffiths. Es sei unklar, wo die Menschen, die von Israel in den Süden des Gazastreifens gedrängt wurden, hin sollten und was ihre Zukunft sei.
Hamas-Behörde: Zahl der Toten in Gaza steigt auf fast 17.200
Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Beginn des Gaza-Kriegs nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 17.177 gestiegen. 46.000 Menschen seien verletzt worden, teilte das Ministerium mit. Am Dienstag hatte die Behörde noch von 16.248 Toten gesprochen.
Die Opferzahlen lassen sich gegenwärtig nicht unabhängig überprüfen, die Vereinten Nationen und andere Beobachter weisen aber darauf hin, dass sich die Zahlen der Behörde in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.
Ägypten warnt Israel vor Vertreibung von Palästinensern
Die Regierung in Kairo werde es nicht zulassen, dass die Bewohner des Küstenstreifens in Richtung oder gar auf die zu Ägypten gehörende Sinai-Halbinsel gedrängt würden, teilte der Staatsinformationsdienst (SIS) mit. Damit würde eine "rote Linie" überschritten, weil Ägypten darin eine Gefahr für die nationale Sicherheit und Souveränität des Staates sehe. Weiterhin hieß es, der Übergang Rafah an der südlichen Grenze des Gazastreifens sei für Einzelpersonen und Güter "dauerhaft geöffnet". Alle "Hindernisse am Übergang" kämen von der israelischen Seite.
Bisher gab es keine Berichte über größere Versuche von Zivilisten aus dem Gazastreifen, die Grenze zu Ägypten zu überwinden. Manche Menschen äußerten jedoch die Angst, sie könnten gezwungen werden, nach Ägypten zu gehen. Sie hätten Sorge, dann später nicht in den Gazastreifen zurückkehren zu dürfen, sagten mehrere Bewohner in Chan Junis einem dpa-Reporter.
Kämpfe in Chan Junis und Dschabalia
Israels Militär setzte seine Kämpfe gegen die Hamas in Chan Junis, der größten Stadt des südlichen Gazastreifens, fort. Dutzende Stellungen der Terroristen seien angegriffen worden, teilte die Armee mit. Auch im Norden des Küstengebiets gebe es weiter Kämpfe. In Dschabalia hätten Soldaten ein Militärgelände der Hamas angegriffen und dabei ebenfalls mehrere Terroristen getötet. Auf dem Areal fand das Militär eigenen Angaben nach Tunnel und Waffen. Auch Israels Marine habe wieder Hamas-Stellungen im Gazastreifen beschossen.
Die israelische Armee hatte zuvor vermeldet, die Verteidigungsanlagen der Hamas in Chan Junis durchbrochen zu haben und tiefer in die Stadt vorzustoßen. Experten vermuten, dass sich die Führung der Hamas und Tausende ihrer Mitglieder in einem weit verzweigten Tunnelnetz verschanzt haben könnten. Auch zahlreiche der noch festgehaltenen Geiseln werden dort vermutet. Israelische Soldaten hatten das Haus des Gaza-Chefs der islamistischen Hamas, Jihia al-Sinwar, zeitweise umstellt. Die Ausschaltung von Hamas-Anführern gilt als wichtiges Ziel bei Israels Vorgehen im Gazastreifen.
Emirate legen Waffenstillstands-Resolution bei UN vor
Die Vereinigten Arabischen Emirate legten im UN-Sicherheitsrat einen neuen Resolutionsentwurf mit der Forderung nach einem Waffenstillstand vor. Ähnliche Vorstöße waren bislang am Widerstand der USA gescheitert. Zuvor hatte UN-Generalsekretär António Guterres in einem seltenen Schritt den Weltsicherheitsrat dringend aufgefordert, sich für die Abwendung einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen einzusetzen. In einem Brief an den Sicherheitsrat berief sich der UN-Chef dazu am Mittwoch erstmals seit seinem Amtsantritt 2017 auf den Artikel 99 der UN Charta.
"Ich wiederhole meinen Aufruf, dass ein humanitärer Waffenstillstand ausgerufen werden muss. Das ist dringend. Der zivilen Bevölkerung muss größeres Leid erspart bleiben", hieß es in dem Brief.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schloss sich dem Aufruf von Guterres an und rief die EU-Mitglieder im UN-Sicherheitsrat dazu auf, dessen Vorstoß zu unterstützen. Auch die palästinensische Autonomiebehörde begrüßte den Schritt des UN-Generalsekretärs. Scharfe Kritik kam hingegen aus Israel. "Sein Antrag, Artikel 99 zu aktivieren und die Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza stellen eine Unterstützung der Terrororganisation Hamas dar", schrieb Israels Außenminister Eli Cohen auf X. (dpa/cgo)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.