Laut einem Bericht der "New York Times" wussten israelische Sicherheitsbehörden über einen möglichen Hamas-Angriff in dieser Größenordnung über ein Jahr vor dem 7. Oktober 2023 Bescheid. Experten betrachteten den Angriff damals jedoch als unwahrscheinlich. Israels Regierungssprecherin räumt nun ein: "Natürlich war es ein Versagen."

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Israelische Behörden hatten offenbar schon über ein Jahr vor dem Angriff der Hamas auf Israel Kenntnisse über einen möglichen terroristischen Angriff der Islamisten. Das geht aus einem Bericht der "New York Times" (NYT) hervor.

Das Dokument, auf das sich die "New York Times" stützt, trägt den Codenamen "Jericho Wall" und soll auf etwa 40 Seiten einen sorgfältig geplanten Überfall skizzieren, wie er am 7. Oktober 2023 auch verübt worden ist, einschließlich Raketenbeschuss, Drohnenangriffen, der Bodenoffensive mit Motorrädern und zu Fuß, sowie bewaffneten Gleitschirmfliegern.

Das Dokument soll in weiten Kreisen des israelischen Militärs und Geheimdienstes bekannt gewesen sein. Experten seien jedoch zu dem Schluss gekommen, dass ein Angriff dieses Ausmaßes die Fähigkeiten der Hamas übersteige. Unklar sei, ob Premierminister Netanjahu oder andere führende Politiker das Dokument ebenfalls gesehen haben.

Im Juli 2023 soll eine erfahrene Analystin der israelischen Fernmelde- und Elektronischen Aufklärungseinheit gewarnt haben, dass die Hamas eine intensive, eintägige Trainingsübung durchgeführt habe, die dem Plan aus dem Dokument "Jericho Wall" zu ähneln schien. Diese Übung soll von hochrangigen Hamas-Kommandeuren besichtigt worden sein.

Oberst weist Bedenken zurück

Ein Oberst der Gaza-Division soll die Bedenken der Analystin als Teil eines "völlig fantasievollen Szenarios" zurückgewiesen haben, welches keine Hinweise auf die Fähigkeiten der Hamas beinhalte, diesen Plan auch durchzuführen. Dies geht aus dem E-Mail-Verkehr hervor, den die "New York Times" einsehen konnte.

"Ich weise entschieden zurück, dass das Szenario imaginär ist", soll die Analystin geantwortet haben. Die Hamas-Übung entspreche voll und ganz dem Inhalt des Dokuments "Jericho Wall". Es sei ein Plan, der darauf abziele, einen Krieg zu beginnen.

Israelische Regierungssprecherin: "Natürlich war es ein Versagen"

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Wie sich nun zeigt, sollte die Analystin mit ihrer Einschätzung recht behalten. "Es gibt keinen Zweifel, dass der Angriff vom 7. Oktober ein Versagen unsererseits war. Natürlich war es ein Versagen", sagte Israels Regierungssprecherin Tal Heinrich dazu dem US-Sender CNN in der Nacht zum Freitag.

Israel werde das Geschehene genau untersuchen und daraus lernen. Auf die Frage, inwiefern Israels Premier Benjamin Netanyahu von dem Angriffsszenario gewusst beziehungsweise die Dokumente gelesen habe, sagte Heinrich: "Wir werden Untersuchungen anstellen. Der Ministerpräsident hat auch darüber gesprochen. Wenn es an der Zeit ist, wird er mehr sagen."

Das der NYT vorliegende Dokument legt eine jahrelange Kaskade von Fehlern offen, die in dem Angriff vom 7. Oktober gipfelten. Der Tag gilt heute als das schlimmste Versagen der israelischen Geheimdienste seit dem ägyptisch-syrischen Überraschungsangriff, der im Jahr 1973 zum Yom-Kippur-Krieg führte.

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