Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich für eine friedliche Lösung der Nordkorea-Krise einsetzen, "mit allem, was ich an Kraft habe". Doch hat Deutschland dafür überhaupt genug Einfluss auf Pjöngjang? Ja, sagt Hartmut Koschyk, Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Die Länder verbinde mehr, als man auf den ersten Blick annehmen könnte.
Herr Koschyk, die Fronten im Atomstreit mit Nordkorea scheinen verhärtet, eine Provokation jagt die nächste. Warum sollte ausgerechnet Deutschland in dem verfahrenen Konflikt vermitteln können?
Hartmut Koschyk: Deutschland hat sich in den 2000er-Jahren, in einer Phase der Annäherung und Entspannung auf der koreanischen Halbinsel, sehr nachhaltig für Dialog, Öffnung und innerkoreanische Begegnung engagiert.
Viele politische Stiftungen - wie die Konrad-Adenauer-, Hanns-Seidel- oder die Friedrich-Ebert-Stiftung - sind dort aktiv geworden, ebenso das Goethe-Institut und verschiedene Nichtregierungsorganisationen.
Und anders als viele andere Länder verfügt Deutschland noch über eine Botschaft in Pjöngjang, umgekehrt gibt es auch eine nordkoreanische Botschaft in Berlin.
Nun ist die Phase der Annäherung aber vorbei.
Natürlich mussten die Organisationen ihr Engagement zuletzt zurückfahren. Sie mussten an die Sicherheit ihrer Mitarbeiter denken, es war ja zu befürchten, dass diese im Zuge einer Eskalation festgesetzt und inhaftiert werden könnten.
Trotzdem: Wir haben noch eine Botschaft, es gibt nach wie vor Projektarbeit deutscher Organisationen in Nordkorea und wir haben den Gesprächsfaden nie abreißen lassen.
Wenn die Bundeskanzlerin jetzt in dieser schwierigen Phase von einer deutschen Vermittlerrolle spricht, dann vor diesem Hintergrund.
Wie frei können die Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Nordkorea agieren?
Natürlich ist eine deutsche Botschaft in einem Land mit hohen Sicherheitsrestriktionen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Doch gerade das humanitäre Engagement Deutschlands hat es den Botschaftern in den vergangenen Jahren erleichtert, nicht nur in Pjöngjang Gespräche zu führen, sondern das ganze Land zu bereisen, um die Hilfsprojekte zu besuchen, oft in Begleitung deutscher Delegationen.
Sie selbst waren wiederholt dabei ...
Ja, zwischen 2002 und 2015 habe ich Nordkorea zusammen mit anderen Abgeordneten, Journalisten und Vertretern von NGOs jedes Jahr mindestens einmal bereist.
Was haben Sie erlebt?
Die Stiftungen führen vielfältige Projekte durch, da geht es um die Verbesserung der Ernährung, um Umweltschutz oder um die Fortbildung von Kommunalpolitikern.
Gerade im sozialen Bereich ist viel passiert. Zum Beispiel hat sich eine Organisation gegründet, um die Situation von gehörlosen und blinden Jugendlichen in Nordkorea zu verbessern, mit integrativem Kindergarten, Lehrwerkstatt und kultureller Arbeit.
Ich selbst habe mit Politikern und Vertretern der Kirchen gesprochen, Kontakte zu internationalen Organisationen wie dem World Food Programme geknüpft. Eben all das, was notwendig ist, um Projekte auf die Beine zu stellen, die die Lage der Menschen dort verbessern.
Haben Sie auch einen Eindruck vom alltäglichen Leben bekommen?
Wenn man tagelang durch ein Land reist, gewinnt man schon einen vertieften Einblick in die Lebenssituation der Menschen, auch wenn man sie sicher nicht vollständig erfassen kann.
Vieles habe ich als düster und bedrückend erlebt, aber ich habe auch gesehen, wie sich die Menschen Nischen des privaten Glücks für sich und ihre Familie suchen.
Natürlich ist die Situation angespannt, die Nahrungsmittel sind knapp. Aber ich habe auch lachende Menschen getroffen, die mir, dem Fremden, offen gegenübergetreten sind.
Gibt es eine Situation, an die Sie sich besonders gerne erinnern?
Meine nordkoreanischen Begleiter sagten immer, ich solle das Gespräch mit Angehörigen der Armee meiden, die würden keinen Kontakt zu Ausländern wollen.
Als ich dann bei einer Rast Soldaten beim Einbringen der Kohlernte gesehen habe, sind diese auf mich zugekommen und haben über meinen Dolmetscher versucht, etwas über mich zu erfahren. Woher ich komme, warum ich ihr Land besuche. Es war ein wirklich offenes Gespräch, frei von jeder Ideologie und Spannung.
Rührt die relative Offenheit gegenüber Deutschland womöglich noch von den guten Verbindungen zur DDR her?
Dass Deutschland in Nordkorea einen guten Ruf hat, liegt sicher auch daran. Viele Nordkoreaner haben in der DDR studiert, eine Ausbildung oder Fortbildungen gemacht.
Die Nordkoreaner haben sehr aufmerksam verfolgt, dass bei der deutschen Wiedervereinigung kein Blut vergossen wurde, dass niemand Rache an den DDR-Verantwortlichen genommen hat, es keine Willkür-Justiz gab, zwei hochgerüstete Armeen friedlich zusammengeführt wurden.
Die Teilungserfahrung verbindet.
Aber wie könnte die Vermittlung im Atomstreit seitens der deutschen Bundesregierung konkret aussehen?
Nehmen Sie den Iran als Blaupause. Es bestand damals die Gefahr, dass sich das Land nuklear bewaffnet, das Regime wurde wie jetzt im Falle Nordkorea als unberechenbar wahrgenommen.
Die EU und mit ihr Deutschland hat sich damals an der Seite der Vetomächte der Vereinten Nationen an Verhandlungen beteiligt. Das war langwierig, niemand hat anfangs an den Erfolg geglaubt, aber ein Zusammenwirken aus Sanktionen und Druck, aber auch Dialogbereitschaft hat am Ende den Durchbruch gebracht.
Das sollte uns Mut machen.
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