Wer sich vom ZDF-Sommerinterview mit Bundeskanzler Olaf Scholz bereits konkrete Details über das eben beschlossene Entlastungspaket erhofft hatte, wurde am Sonntagabend weitgehend enttäuscht. Stattdessen verbreitete der Kanzler bei Theo Koll Zuversicht, dass man die Situation gemeinsam meistern werde. Interessanter waren ohnehin die Erkenntnisse, die man über Scholz' Kommunikationsstil sammeln konnte.
Gerade haben Bundeskanzler
Über diese Themen sprach Theo Koll mit Olaf Scholz
Im Garten des Bundeskanzleramtes treffen sich Koll und Scholz und genau dieser Garten ist auch gleich Inhalt der ersten Frage. Das ohnehin schon nicht kleine Kanzleramt soll erweitert werden, weshalb Koll fragt: "Ist es nicht Zeit, so ein Projekt jetzt zu stoppen?" "Ich glaube, dass so eine lange vorbereitete Planung, die jetzt sehr weit fortgeschritten ist, auch zu Ende geführt werden muss", verweist Scholz auf den aktuellen Zustand des Bauvorhabens und auch auf die symbolische Geste, da sich dann das Gebäude über beide Seiten der Spree erstrecken wird.
Doch Koll lässt nicht locker, verweist auf die aktuelle Situation, in der einerseits die Bürger entlastet werden sollen, aber die Erweiterung des Kanzleramtes mit 640 Millionen Euro angesetzt sei. Scholz' Antwort: "In Deutschland muss investiert werden, es muss gebaut werden." Mit den beschlossenen Maßnahmen sei gewährleistet, dass weiter investiert werde. "Investieren ist jetzt das Gebot der Stunde."
Koll lässt es an dieser Stelle gut sein und kommt auf die Details des Entlastungspaketes zu sprechen. Finanzminister
"Ja, das kann ich ganz klar zusagen, ...", ist Scholz zunächst überraschend eindeutig, fährt aber fort "… dass wir alles dafür tun werden, dass das nicht geschieht." Man habe sehr früh mit Gegenmaßnahmen angefangen. "Das alles hilft, dass wir sicher durch diesen Winter kommen können. Und dann gibts natürlich das Problem mit den Preisen, mit dem Geld und da kümmern wir uns jetzt darum, dass das auch etwas ist, wo die Preise von uns mit allen Möglichkeiten unter Kontrolle gebracht werden sollen, aber wir gleichzeitig dafür sorgen, dass man auch mithalten kann, indem wir Entlastungsmaßnahmen für die Bürgerinnen und Bürger bereitstellen."
Ob er dennoch Blackouts ausschließen könne, will Koll wissen und Kanzler Scholz ist auch diesmal nicht eindeutig: "Wir haben alles dafür getan, dass es nicht dazu kommt und sind auch weiter unterwegs, um das zu ermöglichen." Koll will aber wissen, ob Scholz es ausschließen kann, doch Scholz weicht erneut aus: "Ich kann Ihnen sagen, dass alles, was wir getan haben, dazu beiträgt, dass das nach allem menschlichen Ermessen nicht passiert und ich bin auch sehr sicher, dass uns das erspart bleibt."
Olaf Scholz: "Ich mache mir vor allem die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger"
Zur Strompreisbremse befragt, gibt Scholz mehr oder weniger Details bekannt: "Das kommt jetzt so schnell wie möglich." Die "Zufallsgewinne" auf dem Strommarkt sollen abgeschöpft und an die Bürger zurückgegeben werden. Konkrete Prognosen, um welche Summen es sich dabei handelt, möchte Scholz aber nicht geben.
Auf die Frage, wie groß seine Sorge um die Wirtschaft ist, antwortet Scholz: "Ich mache mir die ganze Zeit Sorgen, deshalb ist es wichtig, dass wir das Hauptproblem lösen, nämlich, dass wir nicht genügend Energie nach Deutschland bekommen." Dazu sei wichtig, dass man nun die Infrastrukturen baut, "die Deutschland vor 10, 20 Jahren hätte anfangen sollen zu bauen, aber die wir jetzt in einem oder eineinhalb Jahren errichten wollen."
"Wie besorgt sind Sie über die Lage im Land?", fragt Koll den Kanzler über die emotionale Seite der aktuellen Situation. "Ich mache mir vor allem die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger. Das sind auch meine. Und es treibt mich um, wenn Bürgerinnen und Bürger Sorgen haben, wie es weitergeht mit der Stromrechnung, der Heizungs- oder Gasrechnung." Deshalb sei es die große Aufgabe der Regierung, "die Bedingungen dafür zu schaffen, dass wir durchkommen. Und da haben wir viel für getan." Mit der Unterstützung der Unternehmen habe man "lange angefangen und das weiten wir jetzt sehr aus."
"Ich bin sicher, dass Deutschland auch als Demokratie durch diese Zeit kommt, weil wir sind ein sehr wirtschaftsstarkes Land und wir sind, das ist mit wichtig, ein Sozialstaat. Beides zusammen ist wichtig", sendet Scholz eine optimistische Botschaft, die Koll jedoch gleich relativiert: "Müssen Sie nicht auch den Menschen jetzt sagen: Wir werden nie mehr in diesen ‚günstigen‘ Zustand vor dem Angriffskrieg Russlands kommen?"
"Das wäre sogar falsch, wenn man die längere Perspektive in den Blick nimmt", widerspricht Scholz. Mit jedem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien werde man unabhängiger. 2045 wolle man "eine erfolgreiche Industrienation sein, die klimaneutral wirtschaftet." Das sei wichtig für das Klima, fördere aber gleichzeitig auch die Unabhängigkeit von Ressourcen aus anderen Ländern und "das wird auch eine billigere Produktion haben." Auf dem Weg dorthin müsse man aber die Zeit mit teureren Preisen für fossile Energien durchstehen und "das können wir auch", so Scholz.
So schlug sich Olaf Scholz
Olaf Scholz zeigt sich, wie er sich immer zeigt: ruhig, besonnen, vorbereitet und redegewandt, aber nicht zu sehr. Auch in diesem Sommerinterview sind seine Sätze zu oft zu verschachtelt, als dass man ihn als volksnah wahrnehmen würde. Stattdessen vermittelt Scholz auch diesmal wieder das Bild von sich als kühlen Kopf, der lieber handelt, statt zu reden. Das, so nimmt man es ihm ab, ist keine Attitüde, sondern eben seine Art, wie Scholz im Interview erklärt, als es um seine niedrigen Umfragewerte geht.
Zur Kritik an den "Reaktionen und Nicht-Reaktionen" des Kanzlers fragt Theo Koll nämlich: "Mangelt es Ihnen gelegentlich am richtigen Reflex?" Scholz widerspricht und verweist darauf, dass er beispielsweise auf die Äußerungen von Ahmud Abbas schnell reagiert habe. "Das habe ich scharf kritisiert", erklärt Scholz und erläutert seine generelle innere Haltung: "Wir sind in einer Zeit, in der viele sehr aufgeregt sind. Ich zähle nicht zu diesen und will es auch nicht sein."
So schlug sich Theo Koll
Mit Licht und Schatten, wobei das Licht überwog. Gleich zu Beginn lässt sich Koll von Scholz bei seiner Kritik an den Kosten für die Erweiterung des Kanzleramtes mit der Aussage ablenken, dass ja in Deutschland investiert werden müsse. Das mag in der Sache richtig sein, die Frage bleibt aber, ob eine dieser Investitionen denn ins Kanzleramt fließen muss.
An anderer Stelle wiederum bleibt Koll zäh, etwa als er wiederholt nachfragt, ob Scholz einen Blackout ausschließen könne – auch wenn Scholz hier noch hartnäckiger in seiner Nicht-Antwort bleibt als Koll.
Das Fazit
Es war ein interessantes Interview, auch wenn Scholz inhaltlich nicht viel Neues entlockt werden konnte. Der Beschluss zum neuen Entlastungspaket ist zu jung, als dass Scholz hier konkrete Aussagen hätte treffen können. Interessanter als die nicht vorhandenen Inhalte waren da schon die Erkenntnisse über Scholz' innere Haltung und deren praktische Umsetzung. Dass Scholz auf die Frage, ob er Blackouts ausschließen könne, nicht wie gewünscht mit einem Ja oder Nein geantwortet hat, kann man ihm natürlich als typisches Polit-Ausweichmanöver auslegen.
Man kann die Verweigerung eines Ja oder Neins aber auch als das sehen, was sie ist: realistisch. Denn wahrscheinlich kann kein Regierungschef der Welt ausschließen, dass es in seinem Land zu einem Blackout kommt. Das heißt aber nicht, dass Scholz' Antwort die richtige Reaktion ist. Wenn er hier, wie er es getan hat, nur antwortet, dass man alles gegen einen Blackout tun werde, dann mag das in der Sache richtig sein, aber so eine Antwort schafft kein Vertrauen.
Scholz mag von dem Glauben überzeugt sein, dass Taten wichtiger sind als Worte. Was Scholz aber offenbar nicht verstanden hat, das hat das Sommerinterview wieder gezeigt, ist: Taten sind wichtig, aber sie müssen mit Worten erklärt werden. Offenheit und der Wille zur Kommunikation sind kein Zeichen von Schwäche, besonders nicht in der Politik, und Fehler sind es auch nicht. Nein, es ist sogar ein Zeichen von Stärke, wenn man Fehler oder Nicht-Wissen auch einmal eingesteht und sein Handeln erklärt.
Ein ehrliches "Weiß ich nicht" oder "Das kann ich nicht versprechen, weil das niemand versprechen kann" ist oft hilfreicher, als den Glauben zu nähren, dass Politik alle Probleme lösen können muss, am besten noch, bevor es sie überhaupt gibt. Robert Habeck beispielsweise hat das verstanden und dass dessen Umfragewerte höher sind als die des Kanzlers, muss nicht an den Inhalten seiner Politik liegen, sondern an der Art, wie er sie erklärt. Würde Scholz diese Nicht-Kommunikation, wie sie auch Angela Merkel gepflegt hat, ablegen, kämen die optimistischen Botschaften, die Scholz hat und von denen er mit Sicherheit auch überzeugt ist, auch besser an.
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