Nach der Europawahl war der Aufschrei groß, da besonders junge Menschen Parteien wie die AfD gewählt haben. Bei "Markus Lanz" wetterte Schüler Florian Fabricius jedoch gegen die Annahme, dass TikTok schuld an dem Wahlergebnis sei. Er kritisierte vielmehr den Umgang der Politik mit jungen Menschen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das Ergebnis der letzten Europawahl hat gezeigt, dass viele junge Menschen mit Parteien wie der AfD sympathisieren. Schüler Florian Fabricius machte bei "Markus Lanz" jedoch deutlich, dass an dem vermeintlichen Rechtsruck der Jugend nicht nur TikTok schuld sei.

Mehr aktuelle News

Er kritisierte stattdessen, dass Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz die wahren Sorgen der jungen Generation nicht ernst nehmen.

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bezeichnete die Künstliche Intelligenz jüngst als "Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts". Laut der FDP-Politikerin biete die KI vor allem in der Bildung enormes Potenzial und könne die Chancen für individuelle Förderung sowie die Unterstützung von Lehrkräften steigern.

Markus Lanz blickte daher auf den aktuellen Stand in deutschen Schulen und sprach über die Diskrepanz zwischen technologieoffenen Schülern und dem veralteten Bildungssystem. Gleichzeitig analysierte die Runde den Zusammenhang zwischen TikTok und dem Ergebnis der diesjährigen Europawahl.

Das sind die Gäste

  • Hans Uszkoreit, Informatiker: "Die Schüler sehen es genau, dass KI sehr viel besser erklärt und mehr weiß, als der Lehrer weiß."
  • Sascha Lobo, Blogger: "Wir befinden uns am Anfang einer neuen medialen und damit auch politischen Zeitrechnung."
  • Silke Müller, Schulleiterin: "In der Gesellschaft ist ein Gefühl vorhanden, dass man abgehängt wird."
  • Florian Fabricius, Schüler: "Das Schulsystem nimmt KI nicht ernst und ältere Lehrer reden darüber, als ob das fliegende Autos wären."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Die Künstliche Intelligenz ist an deutschen Schulen längst angekommen. Grund genug für Markus Lanz, zu fragen: "Wie verändert KI den Schulalltag?" Zwölftklässler Florian Fabricius antwortete ehrlich, dass er sehe, wie "die Schere" zwischen Schülern und Lehrkräften immer weiter auseinandergehe.

Während viele Jugendliche fast täglich KI-Programme wie ChatGPT bei Hausaufgaben nutzen, sollen einige Lehrer laut des Schülers nach wie vor die technologische Entwicklung als ein Phänomen der Zukunft abtun.

"Diese Diskrepanz ist so ironisch eigentlich", stellte der Schüler klar und warnte gleichzeitig: "Je schneller dieser ganze technologische Wandel wird, desto krasser geht die Schere auseinander, desto mehr Lehrer fühlen sich abgehängt."

Der Zwölftklässler ergänzte, dass sich auch viele Schüler verloren fühlen, da sie wissen, dass ihnen keine Lehrkraft den richtigen Umgang mit Künstlicher Intelligenz beibringen kann: "Wer steht sozusagen in der Wissenskette noch über uns 18-Jährigen?" Lanz nickte nachdenklich: "Das hat etwas mit Autoritätsverlust zu tun. Da passiert ja wirklich etwas Fundamentales."

Der ZDF-Moderator merkte daher an, dass die Bildungsmodelle der Vergangenheit nicht mehr zu funktionieren scheinen. Sascha Lobo stimmte zu und warb für einen positiven Blick auf die "große KI-Transformation".

"Wir befinden uns am Anfang einer neuen medialen und damit auch politischen Zeitrechnung", so der Digital-Experte, der für eine "Flucht nach vorne" warb, statt sich an alte Muster zu klammern. Dem konnte sich Schulleiterin Silke Müller nur anschließen.

Sie gab zu, dass viele Lehrer anerkennen sollten, "wie KI uns unterstützen kann in der Unterrichtsvorbereitung - übrigens auch in der Durchführung". Silke Müller weiter: "Es ist nicht so, dass wir (...) Autorität verlieren, wenn wir abgeben."

Laut der Schulleiterin könne die Erleichterung durch KI dabei helfen, "mehr Zeit für Beziehungsarbeit" im Umgang mit den Schülern zu haben. "Und das ist die viel höhere Autoritätsebene", so Müller. Dafür müsste jedoch einiges im deutschen Bildungssystem passieren, wie die Digitalbotschafterin Niedersachsens offenbarte: "Das Schulsystem jetzt funktioniert nicht für die Ansprüche von heute und von morgen."

Jordan Bardella: Mit 28 Jahren von Tiktok zum Premierminister?

Mit ihrem Ziehsohn Jordan Bardella ist der früheren Rassemblement-Parteichefin Marine Le Pen ein Coup gelungen. Denn er ist jung, smart und wandelbar - und verkörpert damit perfekt den Mittekurs, auf den Le Pen ihre Partei seit Jahren trimmt. Bald könnte er sogar Premierminister werden.
An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Die Debatte um KI brachte Markus Lanz auf das Thema Social Media zu sprechen. "Welchen Einfluss hat TikTok mittlerweile auf Ihre Schüler?", wollte der Moderator wissen. Silke Müller antwortete ehrlich: "Einen leider sehr, sehr großen und nicht zu verachtenden."

Die Schulleiterin warnte in dem Zusammenhang vor den Gefahren, "wenn es um Manipulation geht, wenn es um Stimmungsmache geht, wenn es um Schönheitsideale geht. Das heißt, Meinungsbildung (...) findet mit, in und durch TikTok statt".

Schüler Florian Fabricius widersprach dem vehement und sagte, dass "der durchschnittliche Schüler" zwar rund "eineinhalb Stunden pro Tag auf TikTok" verbringe, aber "in der öffentlichen Debatte finde ich es immer unsäglich, wie meine Generation, wie wir Jugendlichen dargestellt werden, als ob wir so unmündig wären".

Der Zwölftklässler wetterte weiter: "Ich habe das Gefühl, TikTok ist so die einfache Erklärung für Boomer, um zu erklären, warum die junge Generation anders tickt. (...) Es gibt schon noch Inhalte, an die wir glauben und es gibt schon auch noch eine gesunde Skepsis bei Jugendlichen!"

Während Markus Lanz lachend mit "Ich wusste, gleich fällt das Triggerwort!" reagierte, warnte Silke Müller unbeirrt weiter vor der "Manipulationskraft, die von TikTok ausgeht". Sie erklärte ernst: "Ich merke einfach, dass die Stimmung sich verändert und dass tatsächlich dieses kritsch-reflektive Denken sich verändert und das ist problematisch. Und da spielt TikTok eben leider eine große Rolle."

Als Beispiel nannte die Schulleiterin die "Blackout" oder "Würge-Challenge", die momentan auf TikTok im Trend liegt und bereits ein Todesopfer gefordert hat: "Da stockt einem der Atem." Silke Müller ergänzte mit sorgenvollem Blick: "Es gibt gar kein Halten mehr. Es wird tatsächlich eher immer intensiver, immer dystopischer und für mich gefühlt immer schlimmer."

Markus Lanz wollte in dem Zusammenhang wissen, ob TikTok auch eine Rolle bei der letzten Europawahl gespielt habe. Sascha Lobo wiegelte ab: "Zuallererst hat TikTok die Rolle des Sündenbocks gespielt." Da sich laut Lobo "viele junge Menschen (...) tragischerweise dazu entschlossen haben, AfD zu wählen", sei es laut des Digital-Experten "wahnsinnig angenehm für die halbe Zivilgesellschaft, wenn man als Begründung angeben kann: 'Wir haben nicht versagt, sondern es war TikTok.' Und das halte ich für eine ganz fatale Diskussion."

Florian Fabricius nickte energisch: "Diese ältere Zielgruppe denkt, Jugend ist gleich TikTok. (...) Wir als Jugendliche, wir haben ernsthafte Sorgen: bezahlbarer Wohnraum, Inflation, Krieg. Das sind alles ernsthafte Themen. Und was wir dann kriegen von Politikern, ist nicht eine Politik, die sich Jugendlichen widmet, sondern (...) Scholz zeigt uns seine Aktentasche und meint, damit ist es abgefrühstückt."

Der Schüler ergänzte abschließend: "Die Wahlergebnisse sind auch deshalb so deutlich, weil wir Jugendlichen irgendwann uns einfach ein bisschen verarscht fühlen."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang am Dienstag eine vielseitige Sendung, in der er nicht nur über die Gefahren von Social-Media-Plattformen wie TikTok sprach, sondern mit seinen Gästen auch auf die positiven Seiten von Künstlicher Intelligenz hinwies.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" wurde deutlich, dass nicht nur Künstliche Intelligenz, sondern auch soziale Plattformen wie TikTok aus deutschen Klassenzimmern nicht mehr wegzudenken sind. Sascha Lobo warnte deshalb vor der allgemeinen Verteufelung von TikTok, denn: "Wir haben hier eine Plattform, (...) die für diese Generation so prägend ist wie keine digitale Plattform zuvor."

Auch Schüler Florian Fabricius erinnerte daran, dass es nicht "die eine Jugend" gebe, die sich von TikTok manipulieren lasse. "Wir haben eine junge Generation, die ist einsamer als alle je zuvor. Mehr Depressionen, mehr Zukunftsängste. Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf TikTok geht und Klobrillen ablecken will, einfach als Selbstzweck. TikTok ist ein Stück weit, auch einfach Ventil geworden für Probleme, für Einsamkeit, für mentale Sorgen."   © 1&1 Mail & Media/teleschau

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.