Was hat es mit der zunehmenden Anfeindung gegen Jüdinnen und Juden in Fußballstadien auf sich? Wie sollen Vereine auf antisemitische Posts ihrer Profi-Spieler reagieren? Markus Lanz warf nach dem Champions-League-Abend im ZDF zu später Stunde einen ganz anderen Blick aufs Thema Fußball.
Seit dem 7. Oktober 2023 müssen jüdische Sportverbände zunehmend Überzeugungsarbeit leisten, damit ihre Mitglieder ins Training kommen. Zu groß ist die Angst vor antisemitischer Anfeindung.
Auch im Profi-Sport führen Posts in den sozialen Medien zu Hass und Hetze. Was bedeutet diese Entwicklung für Deutschland, und wie geht man dagegen vor? Das waren nur einige der Aspekte, die bei
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Das Massaker der Hamas am 7. Oktober machte auch vor dem Fußballfeld und dem Stadion nicht Halt: Rekordmeister FC Bayern München entschuldigte sich öffentlich für einen Social-Media-Post von Abwehrmann
Härter griff der FSV Mainz 05 durch: Der Bundesligist stellte Profi Anwar El Ghazi nach dem Posten der politischen Parole "From the river to the sea, Palastine will be free" frei und wurde von diesem arbeitsrechtlich verklagt.
Den Kicker bis zum Vertragsende weiterzahlen zu müssen, ist nicht das einzige Risiko: In vielen Mannschaften sind arabischstämmige Spieler aktiv.
Darüber hinaus werden zahlreiche Clubs - von Newcastle United über Paris Saint Germain bis Manchester United - von Ländern wie Katar und damit Financiers der Terrororganisation Hamas gesponsert. Darüber wurde bei Markus Lanz am Mittwoch genauso diskutiert wie über die prekäre Stimmung in Deutschland.
Das sind die Gäste
- Alon Meyer, Präsident des deutsch-jüdischen Sportverbandes Makkabi: "Es geht mitnichten nicht nur gegen uns Juden, es geht gegen unser alle Gesellschaftsform, gegen die Demokratie in Deutschland."
- Tuğba Tekkal, Ex-Profifußballerin: "Wir müssen die Menschen in ihrem Schmerz abholen (...), und wir können auch von diesen Menschen verlangen, dass sie in Trauer gehen können, ohne dass sie antisemitisch sein müssen, ohne die Vernichtung Israels zu fordern - wie das in einigen Posts passiert."
- Dietrich Schulze-Marmeling, Autor und Sportjournalist: "Wenn ich mir angucke, was in den sozialen Netzwerken getobt hat nach dem Massaker und noch immer tobt, habe ich sogar eine Ahnung, dass das Stadion besser ist als die Gesellschaft."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Gleich zu Beginn des Abends sagte Alon Meyer über seine Arbeit: "Mit stilisiertem Davidstern auf der Brust laufen sie alle: Juden, Christen, Muslims. Alle Religionszugehörigkeiten und alle Nationalitäten", erzählte er von der Teamzusammensetzung bei den rund 40 jüdischen Sportverbänden in Deutschland, die er als Präsident repräsentiert.
Das blau-weiße Trikot von Makkabi war im Hintergrund an die Wand projiziert. "Alle tragen die gleiche Uniform", ergänzte er, "und alle werden angefeindet als Juden, weil man keinen Unterschied macht in dem Moment".
Obwohl sie teilweise Muslime wären, fiel ihm Lanz ins Wort. "Genauso ist es", verdeutlichte Meyer mit einem Vergleich, dass niemand vor Anfeindungen, Hass und Hetze gefeit wäre - auch abseits des Stadions: "Es wäre genauso, wie wenn Sie, Herr Lanz, sich komplett schwarz anziehen und dann die gleichen Diskriminierungen erleiden wie jeder andere Schwarze, der hier in Deutschland auf den Straßen herumläuft oder wenn Sie sich eine Kippa anziehen mit Davidstern."
Eben diese Anfeindungen liefen seit dem 7. Oktober völlig aus dem Ruder. Meyer berichtete davon, dass sich Kinder und Jugendliche in der Umkleide einsperren und nur mit Polizeieskorte sicher nach Hause fahren könnten.
"Es fällt mir gerade schwer, mich zu beraffen und noch an das Gute zu glauben", kam er sichtlich ins Stocken, "und das geht mitnichten nicht nur gegen uns Juden, es geht gegen unser aller Gesellschaftsform, gegen die Demokratie in Deutschland."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Als es um das eingangs erwähnte Beispiel des Mainzer Spielers Anwar El Ghazi ging, redete sich Alon Meyer nicht zum ersten Mal an diesem Abend in Rage.
Wie könne es sein, dass der Stürmer arbeitsrechtlich vorgehen könne gegen eine Kündigung, obwohl "er das Existenzrecht Israels komplett infrage stellt, obwohl das zu unserer deutschen Staatsräson zählt, obwohl er so eine Vorbildfunktion als Bundesligaspieler hier in Deutschland hat".
Daraus schloss Meyer: "Da läuft etwas schief in unserer Gesellschaft, da müssen wir etwas ändern. Wir müssen etwas ändern, wenn so etwas durchgeht."
"Das ist die Frage, ob es durchgeht", meinte Lanz. "Wir werden uns dann hier treffen, wenn das Urteil gesprochen wurde", antwortete Meyer. "Das klingt wie eine Drohung", konterte der Moderator - und beim Grinsen in Meyers Gesicht bekam man fast das Gefühl, dass Lanz mit dieser Aussage ins Schwarze getroffen hatte.
"Ich vertraue - an dem Punkt - dem deutschen Rechtsstaat", ließ der Moderator nicht locker, "vertrauen Sie ihm nicht?" Meyer erinnerte daraufhin an die Brüder seines Großvaters, die 1934 nicht von einer Flucht aus Deutschland überzeugt werden konnten: "Sie waren Verdienstkreuzträger des Ersten Weltkriegs und haben gesagt, uns wird es doch sicherlich nicht an den Kragen gehen." Letztlich hätten sie mit dem Leben bezahlt.
"Ich hoffe und bete, dass wir aus unserer Vergangenheit gelernt haben. Sicher bin ich mir leider nicht", gab er zu und sprach von einem "Armutszeugnis für uns alle: für mich als Deutscher, nicht als Jude, sondern als Deutscher in erster Linie."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz versuchte zwar immer wieder, die Diskussion zu lenken und auch beispielsweise den von ihm "geschätzten" Autor Dietrich Schulze-Marmeling zu Wort kommen zu lassen. Gegen den Redeschwall von Alon Meyer hatte aber keiner eine Chance.
Streckenweise wirkte es so, als hätte Lanz kapituliert. Zum Schluss nahm er aber nochmals einen Anlauf und hielt ein emotionales Plädoyer für Deutschland. Überzeugen konnte er damit - zumindest Meyer - nur bedingt.
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
"Ein Stadion ist immer Spiegelbild einer ganzen Gesellschaft", zitierte Markus Lanz bei der Vorstellungsrunde den Sportjournalisten Dietrich Schulze-Marmeling. In der Diskussionsrunde selbst korrigierte sich der Autor dann folgendermaßen: "Ich habe sogar eine Ahnung, dass das Stadion besser ist als die Gesellschaft."
Tatsächlich scheinen antisemitische Strömungen in Deutschland seit dem 7. Oktober zuzunehmen, wie die Schilderungen der Experten zeigten und nicht nur eine Gefahr für Juden, sondern für die demokratischen Werte in der Bundesrepublik darzustellen.
Deshalb wehrte sich Alon Meyer vehement dagegen, von einer israelischen oder palästinensischen Seite zu sprechen. Tuğba Tekkal pflichtete bei. "Jedes palästinensische zivile Opfer im Gaza ist eines zu viel. Genauso wie jedes Opfer des 7. Oktobers eines zu viel war", machte sie sich für Begegnung und Dialog stark.
Mehr Initiative hingegen forderte Alon Meyer: "Wir müssen aufstehen, wir müssen das erkennen, dass es bei weitem nicht nur um die Juden geht", appellierte er, aus der Komfortzone herauszukommen, "weil es ist keine Zeit mehr, sich dort aufzuhalten". © 1&1 Mail & Media/teleschau
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