Frank Plasberg stellt seinen Gästen bei "Hart aber fair" die Frage, ob auch Frauen weit jenseits der 40 noch Kinder kriegen sollten. Auch ohne heftigen Streit ist das Thema spannend. Leider fehlt aber eine wichtige Perspektive.

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Der eine oder andere Zuschauer dürfte sich am Montagabend kurz die Augen gerieben haben. In einer Zeit, in der sich außenpolitische Krisen häufen und innenpolitisch ein SPD-Kanzlerkandidat die Karten für die Bundestagswahl neu mischt, nimmt sich die Redaktion von "Hart aber fair" ein recht überraschendes Thema vor: Wie alt darf eine Frau noch sein, wenn sie Kinder bekommt? Eine Frage, über die man emotional diskutieren kann. Aber ob Plasbergs scharfes Nachfragen und seine Faktenchecks da so passend sind?

Alte Väter gelten als Held, alte Mütter als egoistisch

Der Moderator ist selbst ein Betroffener: Frank Plasberg ist mit 53 Jahren noch Vater geworden, auch wenn das in der ARD-Sendung nur am Rande zur Sprache kommt. Er muss jedenfalls nicht fürchten, in seiner eigenen Talkshow am Gästetisch Platz nehmen zu müssen. Denn eine zentrale Frage lautet, warum bei diesem Thema mit zweierlei Maß gemessen wird: Ein alternder Mann, der ein Kind zeugt, ist oft ein Held. Eine Frau, die mit weit über 40 noch Mutter werden will, gilt als egoistisch.

Das jedenfalls ist der Tenor auf der Straße. Für den ersten Einspielfilm werden Passanten die Fotos von prominenten späten Eltern gezeigt. Dass der frühere Wissenschaftsmoderator Jean Pütz mit 74 noch Vater wurde, kann niemand so recht nachvollziehen. Bei Hollywood-Schönling George Clooney mit 54 ist es dann in Ordnung. Bei der vier Jahre jüngeren Moderatorin Caroline Beil tippt sich eine Passantin dagegen mit dem Zeigefinger an den Kopf.

Beil ist zu Gast in der Sendung und bleibt dabei: Für sie war es die richtige Entscheidung, mit 50 schwanger zu werden und sich dafür ärztliche Hilfe zu holen: "Das bietet uns Frauen die Möglichkeit, Karriere zu machen und trotzdem Kinder zu haben." Unterstützung bekommt sie vom Reproduktionsmediziner Jörg Puchta. Der betont, dass Menschen heutzutage ganz einfach älter werden als früher – und sich daher auch Lebensphasen nach hinten verschieben.

Für den emotionalen Teil sorgt die Regisseurin Ina Borrmann. Sie hat erst spät den Wunsch verspürt, ein Kind zu bekommen. Darauf folgten: viele vergebliche Versuche und langes Warten. Borrmann hat aus dieser Zeit einen Dokumentarfilm gemacht und sehr persönliche Teile nicht ausgespart. In der gezeigten Szene bricht sie in Tränen aus, als sie mal wieder erfährt, dass es mit der künstlichen Befruchtung nicht geklappt hat. Immerhin gibt es in ihrer persönlichen Geschichte ein Happy-End: Mit 47 wurde Borrmann dann doch noch Mutter.

Gegner der späten Mutterschaft geben sich zahm

Die beiden Gäste, die wohl als Gegner der späten Mutterschaft eingeladen wurden, geben sich recht zahm. Medizinethiker Giovanni Maio wendet sich nicht komplett gegen die Reproduktionsmedizin. Er mahnt aber, ein Versuch der künstlichen Befruchtung müsse mit psychologischer Beratung einhergehen. Die katholische Theologin Michaela Freifrau Heeremann fragt zwar: "Haben wir wirklich das Recht, alles zu machen, was man machen kann?" Aber da die Publizistin erstens eine sehr höfliche Dame und zweitens selbst sechsfache Mutter ist, will sie Beil und Borrmann auch nicht wirklich das Recht absprechen, selbst Mutterglück zu erfahren.

Es ist also eine Sendung mit wenig Streitpotenzial. Aber eine unaufgeregte Diskussion kann in aufgeregten Zeiten ja auch wohltuend sein. Leider fehlt nur die Sichtweise einer zentralen Gruppe von Betroffenen. Dabei hatte Frank Plasberg doch schon in der Einleitung gesagt: Wann eine Frau Mutter werden will, ist ihre eigene Entscheidung – aber was bedeutet das eigentlich für das Kind, das dann auf die Welt kommt? Ein ebensolcher Mensch, der verhältnismäßig alte Eltern hat, kommt aber leider nicht zu Wort. Nur kurz zum Ende hin, den Zuschauern sei Dank: Co-Moderatorin Brigitte Büscher liest Reaktionen aus dem Netz vor. Ein Twitter-User schreibt, er sei nicht unglücklich gewesen mit Eltern, die seine Großeltern hätten sein können. Ein anderer Zuschauer berichtet das Gegenteil. Gerne hätte man aus diesen beiden Perspektiven mehr gehört.

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