Seit dem 12. November 1918 haben Frauen in Deutschland das Wahlrecht. Und sonst so? Wie steht es 100 Jahre später um die Gleichberechtigung? "Kaum Chefinnen, weniger Geld: Werden Frauen immer noch benachteiligt?", fragt deshalb Sandra Maischberger ihre Gäste. Die Erkenntnis: Mit dem Wahlrecht ist es längst nicht getan – auch wenn das ein Gast nicht wahrhaben will.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Die erste gute Nachricht in puncto Gleichberechtigung kam an diesem Abend von der Gästeliste. Denn es wurde nicht nur über Frauen, sondern auch mit ihnen diskutiert. Drei Frauen saßen neben Sandra Maischberger zwei Herren gegenüber. Zu Gast waren:

  • Judith Williams, Unternehmerin
  • Katharina Schulze (Die Grünen), Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag
  • Ursula Engelen-Kefer, (ehemalige stellvertretende DGB-Vorsitzende)
  • Reinhard K. Sprenger, Unternehmensberater
  • Hajo Schumacher, Journalist

Darüber diskutierte die Runde

Die ersten Minuten der jüngsten "Maischberger"-Ausgabe durften die Gäste ein bisschen erzählen, wie es denn so in ihren Familien mit der Gleichberechtigung war.

Ursula Engelen-Kefer erzählte davon, dass sie bereits als 6-Jährige genau wusste, wo sie einmal hin will, Schumacher sprach über seine Schwester, die damals "nur" Lehrerin war, heute aber Professorin geworden wäre und Judith Williams plauderte über ihren Mann, der sich von ihrem Erfolg als Unternehmerin nicht bedroht fühlt.

Das hatte etwas Historisches, Persönliches und Beispielhaftes zugleich, zeigte aber schon einmal, dass die Sache mit der Gleichberechtigung komplexer und zäher ist, als man zunächst annehmen mag. Um wie viel komplexer und zäher sollte der eigentliche Schwerpunkt des Abends zeigen.

Gleichberechtigung heute

Dieser war dann ganz der Frage gewidmet, wie sehr erstens bereits Gleichberechtigung in der Arbeitswelt herrscht und zweitens wie man mehr davon erreichen könnte. Anders formuliert: Frauenquote, ja oder nein? Bei beiden Punkten gingen die Meinungen weit auseinander.

Unternehmensberater Reinhard K Sprenger erlebt in seinem Umfeld eine mehr als gleichberechtigte Welt, hier würden sogar die Frauen nicht nur händeringend gesucht, sondern auch mehr verdienen als die Männer.

"In vielen Bewerbungsprozessen sind viele Männer Sättigungsbeilage." Eine Frauenquote lehnt Sprenger nicht nur ab, sondern empfindet sie sogar als "Eingriff in die Würde der Frau": "Das ist Sexismus mit umgekehrten Vorzeichen."

Ganz anders sieht das der Rest der Runde, insbesondere Katharina Schulze: "Ich glaube, dass jetzt das Entscheidende ist, dass wir anfangen, an die strukturelle Diskriminierung ranzugehen. Das bedeutet: Wir müssen weg von der Freiwilligkeit und überlegen, wie wir Strukturen durch Gesetze, durch klare Rahmenbedingungen so verändern, dass wir nicht noch mal 100 Jahre warten müssen, dass wir die Gleichberechtigung jetzt bekommen."

Dieses Erkenntnisse konnte der Zuschauer mitnehmen:

Im Kern drehte sich die Diskussion um eine Frage: Haben Männer und Frauen heute die gleichen Ausgangsbedingungen?

Sind die von Schumacher "5.000 Jahre Männerdominanz" inzwischen wirklich vorbei und haben keine strukturellen Spuren hinterlassen, die dafür sorgen, dass Männer trotzdem bessergestellt sind als Frauen – auch wenn alle das Wahlrecht haben?

Reinhard K. Sprenger meint hier ganz klar: ja. Frauen würden sich im Wettbewerb schon behaupten und bräuchten keine Quote mehr. Der Unternehmensberater lässt sich von Maischberger mit dem Satz zitieren: "Wohl kaum jemand würde sich von einer Ärztin operieren lassen, die ihren Job der Frauenförderung verdankt."

Über die argumentative Hürde, dass der Grund für eine Quote, die Tatsache ist, dass Frauen und Männer eben nicht die gleichen Ausgangsbedingungen haben, möchte Sprenger an diesem Abend nicht springen.

Auch wenn es ihm die Runde mehrfach zu erklären versucht: "Natürlich hätte ich gerne eine Gesellschaft, in der wir die Quote nicht mehr brauchen. Eine Quote bedeutet doch nur, dass eine Frau, die bisher immer vier Meter hinter der Startlinie gestanden hat, auf einmal mit auf der Startlinie stehen darf", versucht es Schulze.

Hajo Schumacher sieht das genauso: "Wir bewegen uns in einer Transformationsphase. Wir kommen aus einer sehr alten Welt und bewegen uns in eine sehr neue Welt, von der keiner genau weiß, wie sie aussieht", erklärt der Journalist und fügt hinzu: "Ein Chefarzt, der über eine Männerseilschaft ans Skalpell kommt, den möchte ich auch nicht haben."

Das war das Duell des Abends:

Reinhard K. Sprenger gegen die Statistik. Nun muss man nicht unbedingt jeder sprichwörtlichen Statistik misstrauen, die man nicht selbst gefälscht hat.

Gerade beim Lesen von Statistiken gehört eine gute Portion Interpretationsvermögen dazu. Reinhard K. Sprenger allerdings arbeitet an diesem Abend in einer kompletten Statistikverweigerung.

Als Maischberger Zahlen des Statistischen Bundesamtes nennt, nach denen bei vergleichbarer Tätigkeit Frauen immer noch sechs Prozent weniger verdienen als Männer, will Sprenger das schlicht ignorieren: "Die sechs Prozent zweifele ich erst einmal an. Meine Realität sieht ganz anders aus."

Katharina Schulze nimmt das mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis: "Es gibt zwar das Recht auf eine eigene Meinung, aber es gibt kein Recht auf eigene Fakten."

Das Fazit des Abends:

Es war eine wirklich lebhafte Diskussion, was unter anderem an den, nennen wir es einmal "provokanten Thesen" von Reinhard K. Sprenger lag.

Dessen Sprüche gaben immerhin einmal die Gelegenheit, die Gründe für eine Frauenquote im Speziellen und für gesetzliche Regelungen für mehr Gleichberechtigung darzulegen.

Mit seiner Weigerung, die eigene Lebenswirklichkeit einmal zu verlassen, und anzuerkennen, dass es immer noch strukturelle Benachteiligungen von Frauen gibt, lieferte Sprenger das beste Argument, warum eine Frauenquote vielleicht immer noch nicht überflüssig ist.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.