Das Handyvideo von der Nordsee-Insel Sylt hat weite Kreise gezogen. Bei "Markus Lanz" erläuterte Autorin Gilda Sahebi, warum sie in den rechtsradikalen Parolen eine Ähnlichkeit zur CDU/CSU entdecke. Ein Vorwurf, den sich CSU-Politiker Martin Huber nicht gefallen lassen wollte.
Zu den Klängen des Party-Hits "L'amour Toujours" sangen mehrere junge Menschen Nazi-Parolen wie "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen". Bei "
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Vor wenigen Tagen kam es zu einem landesweiten Eklat, als ein Video im Netz auftauchte, in dem mehrere Personen rassistische Parolen vor einem Lokal auf der Nordsee-Insel Sylt singen und dabei unter anderem "Ausländer raus" grölen. Markus Lanz nahm dies am Dienstag zum Anlass, genauer über die vielen empörten Reaktionen in der Politik und in der Gesellschaft zu sprechen.
Das sind die Gäste
Martin Huber , CSU-Politiker: "Die Brandmauer steht felsenfest."- Melanie Amann, Journalistin: "Das hat nichts mit Zivilcourage zu tun, diese Leute jetzt zu jagen im Netz."
- Gilda Sahebi, Autorin: "Ich verstehe die Aufregung nicht - die Leute in dem Video auf Sylt sind nur ehrlich."
- Kai Ambos, Rechtswissenschaftler: "Bei Volksverhetzung kommt es auf den Kontext an."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
In Bezug auf die mediale und gesellschaftliche Reaktion auf die rassistischen Ausfälle auf Sylt wollte Markus Lanz wissen, ob es generell richtig sei, dass die Beteiligten so "extrem an den Pranger gestellt worden" sind. Journalistin Melanie Amann sah das gespalten und merkte an: "Ich finde, da ist zum Teil auch ein unguter Jagdtrieb im Gange." Laut Amann habe es "nichts mit Zivilcourage zu tun, diese Leute da jetzt zu jagen im Netz." Dennoch halte sie es für richtig, Videos wie das auf Sylt zu verbreiten, um aufzuzeigen, "dass es den Rassismus in allen Schichten gibt". "Das mal so in Farbe und Bewegtbild vorgeführt zu bekommen (...) kann theoretisch auch einen guten Effekt haben", so die Journalistin weiter.
Dem stimmte CSU-Politiker Martin Huber zu und bezeichnete die Aussagen und Aufnahmen als "zutiefst ekelhaft und schockierend". Markus Lanz nickte, brachte jedoch auch seinen Unmut darüber zum Ausdruck, dass mit solchen Videos immer wieder die gesamte deutsche Gesellschaft von Ländern wie Amerika als rassistisch dargestellt werde.
Autorin Gilda Sahebi hielt mit ernstem Blick dagegen und sagte: "Wir in Deutschland können ja nichts dafür, was die Amerikaner über Deutschland denken." Lanz konterte streng: "So einfach ist es nicht! Wenn wir die Geschichte natürlich so unvorstellbar groß machen, dann wird sie natürlich irgendwann im Ausland..." Daraufhin fiel ihm Gilda Sahebi ins Wort und stellte fassungslos fest: "Okay, also Rassismus benennen sollte man nicht tun, weil dann könnte das Ausland..."
Ein unausgesprochener Vorwurf, der Lanz sichtlich wütend machte: "Frau Sahebi, drehen Sie mir bitte nicht die Worte im Mund herum!" Die Autorin stichelte zurück: "Dann verstehe ich es nicht." Der ZDF-Moderator klärte daraufhin auf, dass er das Video aus Sylt auch "abstoßend" findet und "schockiert" ist, "dass das so junge Menschen sind". Dennoch wehre er sich gegen den Vorwurf, ganz Deutschland sei rassistisch. "Ich finde auch den Begriff Nazi in dem Zusammenhang schwierig. Das sind keine Nazis!", sagte Lanz wütend. Dem stimmte Gilda Sahebi zu: "Ich würde diese Leute nie im Leben als Nazis bezeichnen."
Grund genug für Lanz, genauer nachzuhaken: "Was davon ist wirklich justiziabel?" Rechtswissenschaftler Kai Ambos antwortete prompt, dass es sich hier um eine Form der Meinungsfreiheit handle und "noch nicht die Schwelle der Volksverhetzung erreicht" sei. "Wir müssen es aushalten", sagte Ambos. Er ergänzte: "Ich sehe überhaupt keinen Straftatbestand verwirklicht." Vielmehr plädierte der Rechtswissenschaftler dafür, genauer zu analysieren, wo die Probleme herrühren und warum sich rechtes Gedankengut in der Gesellschaft verbreitet. Autorin Gilda Sahebi warnte dazu vor einer weiteren Verrohung der Gesellschaft und sagte: "Es ist wichtig, wie Politiker sprechen und was in den Medien gesagt und geschrieben wird."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Autorin Gilda Sahebi echauffierte sich nicht nur über die Verrohung der politischen Sprache, sondern wetterte auch gegen die vielen Reaktionen auf das Video aus Sylt. "'Schockierend' und 'ekelhaft' waren so die häufigsten Reaktionen auf dieses Video. (...) Das sind so klassische Ausdrücke, wo man sich sehr stark distanzieren kann und sich nicht wirklich damit auseinandersetzen muss, was eigentlich darunter liegt", erklärte Sahebi, die diese Floskeln als "sich von Rassismus distanzieren zum Sonderpreis" bezeichnete.
Sie kritisierte weiter: "Sich (...) zu überlegen, warum es sowas gibt und wo das herkommt und was man vielleicht selbst damit zu tun hat, das wurde überhaupt nicht getan - gerade auch nicht von der CDU/CSU." Lanz hakte interessiert nach, welchen Vorwurf die Autorin der CDU/CSU mache.
Sahebi erklärte, dass gemäß der CDU/CSU "bestimmte Menschen mit einer bestimmten Herkunft nie echt deutsch sind. Sie sind immer deutsch auf Bewährung." Sahebi behauptete weiter, dass auch ihr "der deutsche Pass entzogen" werden könnte, wenn sie etwas falsch mache. "Das ist nichts anderes als die Trennung von 'echten' Deutschen und 'nicht echten' Deutschen. Und das ist nichts anderes als 'Deutschland den Deutschen, Ausländer raus'. Es klingt nur viel, viel besser - es ist aber inhaltlich dasselbe", sagte die Autorin wütend.
CSU-Politiker Martin Huber konterte: "Ich finde diese Argumentation etwas grotesk, weil Sie den Eindruck erwecken, die Forderung von CDU/CSU, in gewissen Fällen die doppelte Staatsbürgerschaft zu entziehen, die würde sich mit Bagatellen beschäftigen. (...) Und das ist ja mitnichten so!" Laut Huber gehe es vielmehr darum, dass diejenigen, "die unser Grundgesetz nicht akzeptieren", die "auf deutschen Straßen ein Kalifat fordern" oder "den Antisemitimus unterstützen" deutlich zeigen würden, dass sie mit Deutschland nichts zu tun haben wollen. In solchen Fällen trage eine Volkspartei wie die CDU/CSU "die Verantwortung, das Land zusammenzuhalten. Dass wir denen auch deutlich machen: Wer bei uns leben will, muss auch mit uns leben wollen, muss unsere Werte, Gesetze, Normen akzeptieren."
Gilda Sahebi antwortete zunächst: "Das klingt so gut." Sie fügte jedoch kritisch hinzu: "Was heißt das unten drunter? Das heißt, dass Menschen mit bestimmten Ethnien nie echt deutsch sein können in diesem Land. Wenn ich jetzt zum Beispiel irgendwann durchdrehe (...), dann bin ich nicht mehr deutsch?" Huber schoss prompt zurück: "Ich finde die Argumentation etwas grotesk, weil Sie eine Diskussion aufmachen, die sich ja auf Ethnien bezieht. Wir diskutieren ja über Werte und Normen und die Frage, ob man sich an die Gesetze hält. Das ist doch die Diskussion, die wir führen müssen." Auch Markus Lanz musste sich auf die Seite des Politikers stellen und zeigte sich verwundert über den Vergleich zwischen CDU/CSU und den jungen Erwachsenen auf Sylt. "Mir geht das echt zu weit", so der Moderator.
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz knöpfte sich am Dienstag mehrere große Themenkomplexe vor und geriet dabei nicht nur mit Gilda Sahebi, sondern auch Martin Huber aneinander. Als er die teils provokanten Tweets des CSU-Politikers aus der Vergangenheit ansprach, stichelte Huber lachend: "Bisschen einfallslos für jemanden, der 'Wetten, dass..?' versenkt hat." Ein Schlag, den Lanz humorvoll abfederte: "Alles gut! Jetzt nicht Gürtellinie hier, das macht ihr Chef schon immer."
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Bei "Markus Lanz" machte Martin Huber mehrmals deutlich, dass er dahinter stehe, gewissen Straftätern die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, denn: "Integration muss immer wieder auch eingefordert werden. (...) Ein starker Staat, der Integration einfordert, der ist nicht extrem. Der ist vernünftig und der ist bürgerlich konservativ."
Huber weiter: "Wir sehen doch, wie linke Lebenslügen scheitern. Die linke Lebenslüge von Migration ohne Begrenzung." Eine Aussage, gegen die Lanz stichelte: "Herr Huber, da scheitern gerade auch konservative, bürgerliche Lebenslügen ganz offensichtlich." Dem konnte Melanie Amann nur zustimmen und ergänzte: "Was an diesem Video ja so abstoßend ist, ist, wie sicher sich diese Leute fühlen, während sie da ihren Lifestyle-Rassismus ausleben. (...) Sie müssen ja das Gefühl haben: Mir kann keiner was." Dies zeige deutlich, dass viele Menschen geprägt davon seien, "wie wir über Migration diskutieren" und wie die Politik über Ausländer oder deutsche Staatsbürger diskutiere. © 1&1 Mail & Media/teleschau
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