Die Grünen haben bei der diesjährigen Europawahl historische Verluste erlitten. Bei "Markus Lanz" versuchte Anton Hofreiter, Gründe für das Ergebnis seiner Partei zu finden. Dabei legte er sich mehrfach mit einem zunehmend konsternierten ZDF-Moderator an.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das Ergebnis der Europawahl war eindeutig: Während die Union jubeln durfte, verloren die Grünen fast die Hälfte ihrer Stimmen. Bei "Markus Lanz" erläuterte Anton Hofreiter, was der Grund für das schlechte Abschneiden seiner Partei gewesen sein könnte. Dabei warnte er vor einem Rechtsradikalismus-Problem in Deutschland.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Bei der diesjährigen Europawahl haben die Grünen im Vergleich zu 2019 fast die Hälfte ihrer Stimmen verloren und fielen von 20,5 Prozentpunkten auf 11,9 Prozent. Mittlerweile scheint es, als würde der Klimaschutz vor allem bei vielen jungen Wählerinnen und Wählern nicht mehr als Kernthema funktionieren. Überproportional viele junge Menschen stimmten für die Union und die AfD. Letztere wurde mit knapp 16 Prozent zur zweitstärksten Kraft. Markus Lanz analysierte am Dienstagabend den Stimmverlust der Ampelparteien.

Das sind die Gäste

  • Anton Hofreiter, Grünen-Politiker: "Wir haben schon seit Längerem ein Rechtsradikalismus-Problem."
  • Eva Quadbeck, Journalistin: "Die Grünen können offenbar bei den jungen Leuten nicht mehr überzeugen."
  • Martin Machowecz, Journalist: "Es ist nicht der Großteil der AfD-Wähler, der rechtsextrem ist."
  • Thomas Walde, ZDF-Korrespondent: "Die Ankündigung der Neuwahlen in Frankreich war ein Donnerschlag."
  • Wolfgang Richter, Oberst a.D.: "Waffen werden niemals ein 'Game-Changer' werden in der Ukraine."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Über das Ergebnis der Europawahl zeigte sich Grünen-Politiker Anton Hofreiter im ZDF-Studio erschüttert. Mit Blick auf den Wählerstimmen-Zuwachs bei der AfD warnte er, dass dieser nicht nur mit Protest-Wählern zusammenhänge: "Wir haben da auch ein seit Jahren ignoriertes Problem von Rechtsradikalismus in unserer Gesellschaft." Hofreiter ergänzte nachdenklich, dass es nun "eine deutlich langfristigere Strategie" brauche, "damit umzugehen".

"Zeit"-Vize-Chefredakteur Martin Machowecz sah dies jedoch anders und merkte an: "Es ist nicht der Großteil der AfD-Wähler, der rechtsextrem ist." Der Journalist erklärte weiter, dass viele der neu gewonnenen AfD-Wähler das Gefühl vereine, "dass die AfD sich bei den Themen Kriminalität, Migration, Ukraine-Krieg, wie geht man mit den Waffenlieferungen um", klar positioniere. "Man kommt immer zu dem Punkt, dass es politische Einstellungen sind und politische Forderungen und Wünsche, die viele Leute zur AfD treiben. Und da kann man nicht sagen, das ist rechtsextrem, wenn man sich damit beschäftigt. Es ist keine rechtsextreme Position, wenn man in der Migration eine andere Politik fordert", urteilte Martin Machowecz entschieden.

Er fügte mahnend hinzu: "Wenn man da nicht trennscharf ist, dann bringt man die Leute halt dazu, gerade AfD zu wählen. Und das finde ich so ein ganz kleines bisschen gefährlich." Anton Hofreiter konterte irritiert: "Ich gehe auf die Studien ein, die sich anschauen, was die Wählerinnen und Wähler der AfD denken." Laut des Grünen-Politikers seien zwar nicht alle Wählerinnen und Wähler der AfD rechtsextrem, dennoch nehme "ein erheblicher Teil", etwa 50 Prozent von ihnen, "klar rechtsradikale Positionen" ein.

Markus Lanz hakte prompt nach: "Die Hälfte der AfD-Wähler ist rechtsradikal?" Hofreiter nickte und bezog sich erneut auf mehrere Studien. Ein Argument, das Martin Machowecz dennoch nicht überzeugen konnte. Der Journalist konterte abschließend: "Das sind Leute, die haben vielleicht vor zwei, drei Jahren noch SPD gewählt. Das sind Leute, die schwanken vielleicht zwischen AfD wählen und Bündnis Sahra Wagenknecht wählen. (...) Wenn man denen sagt, 'Ihr habt ein geschlossen rechtsextremes Weltbild alle durch die Bank', dann verhärtet man das."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Besonders ins Schwitzen kam Anton Hofreiter, als Lanz ihn fragte: "Wie haben es die Grünen geschafft, innerhalb von fünf Jahren von 20,5 auf 11,9 Prozent zu kommen?" Hofreiter reagierte wütend: "Das ist natürlich eine sehr suggestive Frage - so, als hätte man das mit Absicht gemacht." Der Politiker führte aus: "Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit. In fünf Jahren kann sehr viel passieren und ist sehr viel passiert."

Hofreiter bezog sich dabei auf die Folgen der Corona-Pandemie sowie des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. "Hatten die anderen auch alle", konterte Lanz unbeeindruckt mit Blick auf die Wahlergebnisse der anderen Volksparteien. Hofreiter erklärte daraufhin, "dass die Regierung im Moment nicht so unbedingt die beliebteste aller Regierungen ist". Auch hier stichelte Lanz: "Das gilt aber für alle, Herr Hofreiter."

Der Politiker sah sich daraufhin gezwungen, zuzugeben: "Wir haben auch eine Reihe eigener Fehler gemacht." Ein konkretes Beispiel sei laut Hofreiter das Heizungsgesetz. Der ZDF-Moderator sagte jedoch kritisch: "Ein Fehler beim Heizungsgesetz führt doch nicht zu so einem Desaster!" Anton Hofreiter nickte vorsichtig, wies jedoch auf die Wahrnehmung vieler Bürgerinnen und Bürger hin, die die Grünen seit dem Heizungsgesetz als "ideologisch und durchsetzungsschwach" bezeichnen. "Sind Sie das?", fragte Lanz. Hofreiter wiegelte ab: "Nein, das sind wir nicht im ganzen Umfang."

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"Was heißt nicht im ganzen Umfang?", wollte Lanz wissen. Hofreiter wollte darauf keine konkrete Antwort geben und sagte stattdessen, dass das schlechte Wahlergebnis der Grünen auch "von der gesamtgesellschaftlichen Stimmung" abhänge. Lanz reagierte überrascht: "Das ganze Thema Migration haben Sie bis jetzt kein einziges Mal genannt. Haben Sie an dem Punkt auch einen Fehler gemacht?" Hofreiter konterte genervt: "Es war mir vollkommen klar, dass Sie darauf hinauswollen!" Er fügte hinzu: "Nach allem, was ich erkennen kann, (...) war es nicht die zentrale Ursache dafür, dass die Grünen (...) entsprechend verloren haben."

Dem entgegnete Martin Machowecz: "Das sieht man ja in den Nachwahl-Befragungen, dass das das zentrale Thema für die Leute war bei den Wahlentscheidungen." Hofreiter antwortete holprig, dass die Debatte um das Thema Migration "die Debatte um die Klimapolitik stärker verdrängt" habe, was wiederum ein Nachteil für die Grünen gewesen sei. Eine Aussage, die Lanz stutzig machte: "Warum lassen Sie das dann komplett weg in so einer Fehleranalyse? Sind wir da schon beim Kern des Problems?"

Hofreiter wehrte sich: "Nein! Weil es nicht die Frage war. Ihre Frage war, warum wir Grünen so viele Stimmen verloren haben." Lanz stichelte: "Und Migration hat nichts damit zu tun?" Hofreiter nickte: "Ich glaube, Migration hat etwas damit zu tun, wie die Stimmung im Land ist." Lanz unterbrach den Politiker fassungslos: "Herr Hofreiter, Sie sind doch ein gescheiter Mensch. (...) Aber merken Sie selber, wie Sie sich argumentativ gerade einmal um sich selbst drehen?"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang es in der Sendung, Anton Hofreiter mehrmals in Bedrängnis zu bringen. Der Grünen-Politiker musste sich jedoch nicht nur zum Europawahl-Desaster seiner Partei äußern, sondern setzte sich auch leidenschaftlich für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ein. Als er damit vor allem bei Oberst a.D. Wolfgang Richter aneckte, beendete Lanz die Sendung mit dem Versprechen: "Wir gehen das noch mal an!"

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" versuchten die Gäste, das katastrophale Abschneiden der Grünen bei der Europawahl zu ergründen. Eva Quadbeck erklärte dazu: "Parteien werden gewählt, weil man ihnen zutraut, Probleme zu lösen." Die Migration werde laut der Journalistin als "das Top-Thema" wahrgenommen, und es werde "den Grünen nicht zugetraut, dass sie das Migrations-Thema lösen können".

Anton Hofreiter sah dies anders und erklärte, dass die Migrationspolitik der SPD "deutlich mehr Schwierigkeiten" bereite als den Grünen. Lanz wollte in dem Zusammenhang wissen, ob die Ampel die vollen vier Jahre durchhalte. Darauf sagte Hofreiter: "Ich halte es im Moment einfach für schwierig, Neuwahlen zu machen, weil das ist immer so eine totale Krise. Und wir haben eh schon genug Krisen." Laut des Politikers müssten sich nun alle drei Parteien "am Riemen reißen und versuchen, Kompromisse hinzukriegen".  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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