Schock für die Ampel: Das Sondervermögen für die Corona-Hilfen darf nicht für die Bekämpfung des Klimawandels genutzt werden. Der verfassungswidrige Finanztrick sorgt für ein 60-Milliarden-Loch. Wie man es stopfen kann, diskutierte Anne Will am Sonntag (19. November) mit ihren Gästen. Während Journalistin Amann einen "Sündenfall" ausmachte, erinnerte Ökonom Fuest schonungslos an eine Wahrheit.
Auf einen Schlag fehlen der Regierung fest eingeplante 60 Milliarden Euro. Sie sollten in den Klimaschutz fließen, den klimaneutralen Umbau der Industrie vorantreiben und E-Mobilität fördern. Doch in der vergangenen Woche erklärte das Bundesverfassungsgericht den zweiten Nachtragshaushalt für 2021 für verfassungswidrig – das Geld hätte nur für die Corona-Politik genutzt werden dürfen.
Das ist das Thema bei "Anne Will"
Bei
Das sind die Gäste
Katrin Göring-Eckardt (Grüne): Die Bundestagsvizepräsidentin sagte über die Umbuchung der Schulden in den Klima- und Transformationsfonds: "Alle sind davon ausgegangen, dass es funktionieren kann und dass es funktionieren wird." Man solle nicht über den Zustand der Ampel diskutieren, sondern beispielsweise über Industriearbeitsplätze in Deutschland. "Ich würde gerne darüber reden, wie es jetzt den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht, was die Wirtschaft sagt, was die Industrie sagt und in welche Unsicherheit sie jetzt kommen", so die Grünen-Politikerin.Alexander Dobrindt (CSU): "Wir haben es mit einer Kernschmelze des Koalitionsvertrages zu tun", so der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Das Urteil habe Klarheit über den Regierungsstil der Ampel geschaffen. Alles, was an Einigung zwischen den Ampel-Parteien möglich gewesen sei, sei es nur auf Basis des Betrugs der Schuldengrenze gewesen.- Johannes Vogel (FDP): Das Urteil sei eine wichtige Klarstellung für das Thema Generationengerechtigkeit bei den Finanzen, meinte der stellvertretende Bundesvorsitzende. "Man muss es mit Demut annehmen", so Vogel. Die Schuldenbremse jetzt aufzuweichen, sei nicht die richtige Entscheidung.
- Clemens Fuest: Der Präsident des ifo Instituts sagte: "Das Kernproblem ist aus wirtschaftlicher Sicht, dass die Ampel sich entschieden hat eine Politik zu machen, in der man sagt: Wir versuchen die Klimatransformation mit Subventionen hinzukriegen." Die 60 Milliarden seien viel Geld, aber kein Betrag, den man nicht irgendwie bewältigen könne. Man könnte beispielsweise den CO2-Preis stärker erhöhen.
- Melanie Amann: Die Journalistin vom "Spiegel" meinte: "Dass ihnen Knall auf Fall das Fundament ihrer Koalition weggezogen wurde, ist glaube ich der totale Schock." Zuvor habe die Koalition sich in Sicherheit gewogen. Die Ampel sei gespalten, die unterschiedlichen Reaktionen auf die Gerichtsentscheidung zeugten davon.
Das ist der Moment des Abends bei "Anne Will"
Fuest sprach darüber, wie man das 60-Milliarden-Loch nun stopfen könnte. Man müsste prüfen, bei welchen Ausgaben es das Potenzial zum Kürzen gebe, meinte der Ökonom, aber: "Es besteht die Gefahr, dass dann tatsächlich auch Investitionen unterbleiben, die wir brauchen."
Die Parteien müssten sich nun zusammensetzen und fragen, ob der Weg, den die Ampel geht, – also stark zu subventionieren – der richtige Weg sei. Es fehlten an vielen Stellen die Mittel – einige Stichworte seien das Gesundheitswesen, die Digitalisierung und der demografische Wandel. Man brauche mehr Investitionen.
Fuest sagte: "Stellen Sie sich vor, jetzt geht der Wirtschaftsstabilisierungsfonds auch noch den Bach runter. Dann ist das völlig klar. Entweder wir kommen in große Schwierigkeiten oder die Ampel wird gemeinsam mit der Union ein neues Sondervermögen errichten nach dem Vorbild der Bundeswehr."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Dobrindt giftete von der Oppositionsbank gegen die Ampel: Sie habe sich einen "Sack voller Schulden in den Keller des Finanzministeriums" stellen und das Geld für einen späteren Zeitpunkt für irgendwelche Projekte ausgeben wollen, die nicht genauer beschrieben worden seien. "Immer wollten sie das Geld in die Vergangenheit buchen", so Dobrindt. Das sei grob verfassungswidrig. "Sie hatten kein gemeinsames Projekt als Ampel, aber sie haben sich den Betrug der Schuldenbremse vorgenommen und damit sind sie zu Kompagnons geworden", ätzte er.
Die Vorgänger-Regierung habe ebenfalls 26 Milliarden aus Corona-Hilfen in denselben Fonds gebucht, verteidigte sich FDP-Mann Vogel. Die CDU-geführte Regierung in Schleswig-Holstein habe Corona-Mittel genommen, um damit Bildung zu finanzieren. In NRW habe die Regierung einen Ukraine-Fonds aufgelöst und damit Energieeffizienz in Krankenhäusern finanziert.
Es handele sich um einen Grenzbereich, der auch in der Vergangenheit genutzt wurde. "Die Wahrheit ist, es ist vorher nicht beklagt worden", meinte Vogel. Da schaltete sich Amann ein: "Ihren Taschenspieler-Trick macht doch keiner – mit der nachträglichen Umbuchung. Das war doch der Sündenfall."
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So hat sich Anne Will geschlagen
Anne Will war scharf und ironisch unterwegs. Sie hielt FDP-Mann Vogel direkt zu Beginn der Sendung den Spiegel vor. Die FDP habe sich einerseits als "Gralshüter der Schuldenbremse" inszeniert, sie nun aber versucht zu betrügen. Ironisch fragte sie Dobrindt: "Verstehen Sie das Urteil auch so, dass es die bislang schmerzlich vermisste Klarheit geschaffen hat?" Wenig später wollte sie von Göring-Eckardt wissen: "Haben Sie den Verfassungsbruch bewusst in Kauf genommen?"
Das ist das Ergebnis bei "Anne Will"
Dobrindt wollte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts so hoch wie möglich hängen, die Vertreter der FDP und Grüne waren hingegen naturgemäß daran interessiert, die Verantwortung kleinzureden und den Fokus auf die Frage zu lenken: "Wie geht es nun weiter?" Dabei machte Ökonom Fuest einen wichtigen Punkt noch einmal deutlich: "Die Klimatransformation wird teuer." Das habe man mit dem Umbuchen der Mittel verschleiern wollen. Nun komme es erneut auf den Tisch und müsse ehrlich ausgesprochen werden. Dabei müsse man grundlegend die Frage stellen: Mehr Belastung oder mehr Subvention?
Verwendete Quellen:
- ARD: Sendung "Anne Will" vom 19.11.2023
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