Sandra Maischberger macht die Situation auf Deutschlands Straßen zum Thema. Unter den Gästen: Der Sohn eines Unfallopfers und ein Ex-Raser. Letztere berichtet vom Rausch der Geschwindigkeit – und machte sich für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen stark.
Was ist das Thema?
Wie können wir Verkehrsrowdys besser in den Griff bekommen? Und sollten Raser als Mörder verurteilt werden können? Um diese Fragen drehte sich die Sendung von Sandra Maischberger am Mittwoch.
Hintergrund ist auch der Fall der Kurfürstendamm-Raser: Im Februar 2016 lieferten sich zwei Männer auf der bekannten Straße in Berlin ein illegales Autorennen. Sie bretterten über die Fahrbahn und ignorierten elf rote Ampeln. Schließlich erfasste eines der Autos den Wagen eines Unbeteiligten. Der wurde tödlich verletzt.
Das Berliner Landgericht hatte den Unfallverursacher wegen Mordes verurteilt. Es war das erste Mordurteil für einen Raser in der Geschichte der Bundesrepublik. Später kassierte der Bundesgerichtshof die Entscheidung, aktuell liegt der Fall wieder in Berlin.
Wer waren die Gäste?
Maximilian Warshitsky: Er ist der Vater des Opfers der Berliner Raser. Trotzdem sprach er ohne Hass und Verbitterung über das Erlebte. "Was in einem vorgeht, das lässt sich nicht in Worte fassen", sagte Warshitsky, der die Tat als Mord beurteilt.
Gigi Deppe: Die ARD-Rechtsexpertin erklärte die juristischen Kniffe rund um Raser-Vergehen. Illegale Autorennen stellen nach einer Gesetzesänderung eine Straftat dar und können mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Zuvor galten illegale Rennen mit tödlichem Ausgang maximal als fahrlässige Tötung mit höchstens fünf Jahren Gefängnis.
Im Berliner Fall hätten einige Juristen – durch das billigende Inkaufnehmen von Toten – die "schwächste Form des Vorsatzes" erkannt, so Deppe. Vorsatz ist eines der Mordmerkmale.
Ute Hammer: Die Verkehrspsychologin gab einen Einblick in das Seelenleben von Rasern. Teilnehmer von illegalen Autorennen würden beim Rasen Überlegenheit und Macht spüren, "die sie sonst nicht haben" und einen Adrenalinkick, den man im Hirn messen kann. Weil sie meistens nicht erwischt würden, empfänden sie ihre Tat erst recht als eine Art Belohnung, so Hammer.
Rasen werde in Deutschland als Kavaliersdelikt betrachtet, kritisierte sie. Die Polizei müsste in ihren Augen personell und finanziell viel besser ausgestattet werden. Ob die Aggressivität auf deutschen Straßen tatsächlich zunimmt, sei nicht messbar, meinte die Psychologin.
Stefan Pfeiffer: Der Autobahnpolizist sprach sich für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen aus. "Wir würden uns viele Verletzte und Verkehrstote sparen."
Pfeiffer bedauerte, dass sich wegen der schlechten Personaldecke bei der Polizei der Verfolgungsdruck auf Raser in Grenzen hält. Die Aggressivität auf den Straßen hat sich in seinen Augen in den letzten Jahren nicht verändert.
Zudem warnte er davor, sich von sinkenden Zahlen an Verkehrstoten blenden zu lassen. Dazu hätten neben dem Mehr an Sicherheitssystemen in den Autos auch schnellere Rettungsketten beigetragen.
Nico Klassen: Der Ex-Raser plauderte aus dem Nähkästchen, sprach von Rauschzuständen, tödlichen Risiken, Wetteinsätzen und Ehre. "Wenn der andere bei Rot drüber fährt, dann gehst du dieses Risiko ein. Das ist das Gefährliche."
Höhere Strafen oder mehr Überwachung würden die Szene nicht abschrecken, so Klassen. "Weil du meinst, du wirst nicht erwischt."
Doch Klassen gab sich geläutert: Die Teilnehmer illegaler Rennen nannte er "gewissenlose Spinner" und er sprach sich für ein Tempolimit auf Autobahnen aus.
Was war das Rededuell des Abends?
Die wenig kontroverse Runde war arm an rhetorischen Scharmützeln. Etwas Würze kam rein, als Polizist Pfeiffer Autoverkäuferin Panagiota Petridou bezichtigte, die Unwahrheit gesagt zu haben.
Sie hatte behauptet, in anderen Ländern sei der Absatz von teuren, schnellen Autos durch Tempolimits zurückgegangen. "Was sie gerade gesagt haben, ist so nicht belegt", erklärte Pfeiffer.
Was der Moment des Abends?
Die Schilderungen von Raser-Opfer Maximilian Warshitsky gingen unter die Haut. Er dachte, sein von einer Erkrankung noch nicht genesener Vater habe das Haus am Abend seines Todes gar nicht verlassen – ein Trugschluss. Erst am nächsten Tag erfuhr er von einem Nachbarn des Vaters vom tragischen Verlust. Dass er bis heute kaum glauben kann, was passiert ist, war ihm deutlich anzumerken.
Was ist das Ergebnis?
Wie soll die Gesellschaft am besten mit Rasern umgehen, wenn mehr Sanktionen nicht helfen, wie Ex-Raser Klassen sagte, der immer noch gut in der Szene vernetzt ist?
Klassen schlug offizielle Rennstrecken vor, wo sich die Raser nach Belieben duellieren können – wobei da der Kick des Verbotenen fehlen würde.
Ein in einem Einspieler interviewter Wissenschaftler der Uni Kassel plädierte für ein Pkw-System, das Autofahrer bei erhöhtem Stresslevel warnt und ermahnt, vom Gas zu gehen.
Bei der Frage, ob es auf deutschen Straßen wirklich aggressiver zugeht als früher, konnte keiner der Gäste etwas Stichhaltiges vorbringen. Auch zur Debatte, ob Rasen mit Todesfolge als Mord oder weiter als fahrlässige Tötung bestraft werden sollte, brachten Maischbergers Gäste wenig Erhellendes vor.
Eine Überlegung wert könnte der Lösungsvorschlag von Raser-Opfer Warshitsky sein. Er würde Bußgelder für Verkehrsvergehen in die Verkehrspolizei investieren, anstatt sie ohne Zweckbindung in die Staatskasse zu pumpen.
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