Die Machtverhältnisse in Frankreich sind auch eine Woche nach der Wahl ungeklärt. Kommt es zu politischem Stillstand? Setzt Macron auf Streit bei den Linken und spielt auf Zeit?
Nichts geht mehr in Frankreich, zumindest in der Politik. Vor dem Beginn der Olympischen Spiele und der politischen Sommerpause steht das wichtige Nachbarland vorerst ohne schlagkräftige Regierung da. Denn der gewagte Einsatz von Präsident Emmanuel Macron, mit vorgezogenen Wahlen endlich für klare Machtverhältnisse im Parlament zu sorgen, hat ihm nicht den erhofften Gewinn beschert, vorerst zumindest.
Dabei hatte am Abend der Parlamentswahl vor gut einer Woche alles noch ganz einfach ausgesehen. Macrons Mitte-Lager hatte eine Niederlage kassiert, die zunächst als Favoriten gehandelten Rechtsnationalen von
Bemühungen um Koalition erfolglos
Wenn die noch amtierende Regierung an diesem Dienstag unter Vorsitz von Macron im Élyséepalast zusammenkommt, deutet vieles auf Stillstand hin in der französischen Politik. Denn weder dem Linksbündnis noch Macrons Lager gelang es in der zurückliegenden Woche, mit weiteren Partnern eine tragfähige Regierungskoalition zu schmieden.
Stattdessen waren die letzten Tage in der Pariser Politik von Taktieren, Feilschen und Tauziehen geprägt. Dabei wurden Mehrheiten abgetastet und gleichzeitig ausgelotet, wie man den Gegner blockieren kann.
Macron, der sonst die Fäden fest in der Hand hält, kündigte an, mit der Ernennung eines neuen Premierministers noch zu warten. Er rief die Parteien zur Bildung einer großen Koalition auf.
Linksbündnis vor möglichem Bruch
Und dann trat am Montag das ein, worauf Macron vielleicht schon früher gesetzt hatte - die Rivalitäten innerhalb der Linken drohen, zu einem Bruch des neuen Bündnisses zu führen. Im Kräftemessen mit den Sozialisten über das Bestimmen eines Kandidaten setzte die Linkspartei die Beratungen über die Bildung einer Regierung aus.
Solange die Sozialisten auf ihren eigenen Kandidaten bestünden und ein Veto gegen Bewerber der Linkspartei einlegten, blieben die Beratungen über eine Regierungsbildung ausgesetzt, teilte die Linkspartei La France insoumise mit. Sie warf den Sozialisten "politische Blockade" vor.
"Genug der Manipulationen", erklärte Linksparteigründer und Anführer Jean-Luc Mélenchon. Solange man sich nicht auf gemeinsame Kandidaturen für Spitzenposten im Parlament verständigt habe, werde die Linkspartei "keine Diskussionen über irgendetwas anderes" wieder aufnehmen.
Spekuliert wird, dass die Sozialisten möglicherweise ohne das übrige Linksbündnis gemeinsame Sache mit Macron machen wollen. Der Wunsch im Regierungslager ist vorhanden.
Mélenchon spekuliert auf Macht
Das Linksbündnis, dem außerdem Grüne und Kommunisten angehören, hatte eigentlich schon Ende der Woche bestimmen wollen, wer im Falle einer Regierungsübernahme Premier werden soll. Die Sozialisten benannten ihren Parteichef Olivier Faure. Die Linkspartei hat neben anderen Kandidaten auch Mélenchon im Auge. Der altlinke Stratege ist vielen bis in die eigene Partei hinein wegen seiner autokratischen und polemischen Art ein Dorn im Auge. Mélenchon aber spekuliert weiter auf Macht.
Kurzfristig kann der Streit im Linksbündnis Macron in die Karten spielen, denn ein zerstrittenes linkes Lager wird er kaum mit der Regierungsbildung beauftragen. Beobachter vermuten aber auch, dass es bei dem Streit der linken Parteien schon um die Vorherrschaft mit Blick auf eine möglicherweise vorgezogene Präsidentschaftswahl geht. Angesichts der politischen Krise könnte Macron sich gezwungen sehen, vor Ende seiner Amtszeit 2027 schon demnächst abzutreten.
Rücktritt der Regierung an diesem Dienstag?
Erwartet wird an diesem Dienstag, dass Macron das zunächst unter Verweis auf die "Stabilität des Landes" abgelehnte Rücktrittsgesuch des bisherigen Premiers Gabriel Attal nun annehmen wird. Attal und seine Regierungsmannschaft wären im Anschluss dann zwar nur noch geschäftsführend im Amt, können aber auch nicht mit einem Misstrauensvotum gestürzt werden.
Bis zur Ernennung einer künftigen Regierung könnte Macron sich dann problemlos bis zum Herbst Zeit lassen, denn dafür gibt es keine Frist. Der damit einhergehende politische Stillstand könnte sich noch verlängern, wenn der Präsident sich am Ende mangels stabiler Mehrheit für das Einsetzen einer aus Experten, hohen Verwaltungskräften und Ökonomen zusammengestellte technischen Regierung entscheidet. Eine Auflösung des Parlaments und Neuwahlen sind auf jeden Fall erst in einem Jahr wieder möglich. (dpa/lla)
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