Sie gilt als impulsiv und trotzdem bei vielen ihrer Landsleute beliebt. Sie wendet sich nach Europa und weg von Russland. Trotzdem war die Parlamentswahl in Georgien für Salome Surabischwili eine Niederlage. Jetzt ruft die Staatspräsidentin zu Demonstrationen gegen die Regierung auf. Wer ist sie?

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Salome Surabischwili ist sich sicher: Die Parlamentswahl in Georgien ist eine "totale Fälschung", ein "russischer Spezialeinsatz" habe der Regierungspartei Georgischer Traum zum Sieg verholfen. Nicht erst seit der Wahl am Samstag hat die Präsidentin der Kaukasusrepublik der Regierung des eigenen Landes den Kampf angesagt. Die 72-Jährige sieht die Zukunft Georgiens in der EU, während die Regierung sich nach Moskau orientiert.

Dabei war es ausgerechnet die regierende Partei "Georgischer Traum", die Surabischwili vor sechs Jahren in den Präsidentenpalast in Tiflis verhalf. Bidsina Iwanischwili, der Parteigründer und reichste Mann Georgiens, unterstützte damals ihre Kandidatur. Und Surabischwili schaffte es, die Georgier für sich zu begeistern, trotz ihrer Position als Außenseiterin, die noch immer Fehler in der georgischen Sprache machte.

Im Exil in Frankreich aufgewachsen

Denn Surabischwili wurde 1952 rund 4000 Kilometer von Tiflis entfernt in Paris geboren. Ihre georgischen Eltern waren 1921 vor der Repression der Bolschewiken aus der damaligen Sowjetrepublik geflohen. In der Ferne versuchte die Familie, die Verbindung zu ihrer Heimat und der georgischen Kultur aufrecht zu erhalten.

Die Tochter wuchs in Frankreich auf, studierte an der renommierten Universität Science Po, lernte sechs Sprachen und machte Karriere als Diplomatin. Sie arbeitete in den französischen Vertretungen in Italien, den USA und im Tschad, bei der UNO, der Nato sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Im Oktober 2003 entsandte sie der damalige französische Präsident Jacques Chirac als Botschafterin in das Land ihrer Vorfahren - wenige Wochen, bevor die friedliche Rosenrevolution Staatschef Eduard Schewardnadse stürzte. Sein Nachfolger Michail Saakaschwili machte die französische Botschafterin zu seiner Außenministerin. "Sie hatte eine brillante Karriere in Frankreich, ist aber im Herzen Georgierin und eine wahre Patriotin geblieben", erklärte Saakaschwili damals.

Georgische Präsidentin bei Bundespräsident Steinmeier
Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Salome Surabischwili in Berlin. © dpa / Bernd von Jutrczenka

Als Außenministerin nach einem Jahr entlassen

Doch viele ihrer neuen Kollegen empfanden die erfahrene und weltgewandte Diplomatin als arrogant und impulsiv; die neue Ministerin verlor schnell an Unterstützung. Nach einem Jahr wurde sie entlassen, obwohl Tausende Menschen in Tiflis für Surabischwili auf die Straße gingen. Von da an entwickelte sie sich zu einer der schärfsten Kritikerinnen Saakaschwilis und gründete 2006 ihre eigene Partei, Georgiens Weg.

"In Georgien gibt es nicht einmal das Minimum an Demokratie, das für die Existenz einer Opposition notwendig ist."

Salome Surabischwili 2010

Desillusioniert verabschiedete Surabischwili sich vier Jahre später aus der Politik. "In Georgien gibt es nicht einmal das Minimum an Demokratie, das für die Existenz einer Opposition notwendig ist", beklagte sie damals und arbeitete wieder bei der UNO - für den Iran-Sanktionsausschuss des UN-Sicherheitsrats.

Nach fünf Jahren kehrte Surabischwili New York den Rücken und versuchte sich erneut als Politikerin in Georgien. 2016 wurde sie als unabhängige Abgeordnete ins Parlament gewählt, 2018 zur ersten weiblichen Präsidentin des Landes.

Amtsenthebungsverfahren gescheitert

Anfangs zogen die Staatschefin und die Regierung noch an einem Strang: Der Georgische Traum verfolgte zunächst einen liberalen, pro-westlichen Kurs. Doch vor allem seit dem russischen Überfall auf die Ukraine wandte sich die Regierung in Tiflis immer stärker Moskau zu, Surabischwili hielt dagegen. Der Konflikt zwischen Präsidentin und Regierung eskalierte. Vergangenes Jahr scheiterte ein Amtsenthebungsverfahren gegen Surabischwili, Anfang Oktober kündigte die Regierungspartei ein weiteres an.

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP Anfang Oktober prangerte die Staatschefin die "immer offenere anti-westliche, anti-europäische" Entwicklung der georgischen Regierung an. Die zeigte sich deutlich in dem im Mai erlassenen Gesetz gegen "ausländische Einflussnahme": Es ähnelt der russischen Gesetzgebung gegen "ausländische Agenten", die von Moskau zur Unterdrückung Oppositioneller genutzt wird. Anfang des Monats sorgte ein Gesetz, das die Rechte der LGBTQ-Minderheit einschränkt, für weitere Spannungen.

Surabischwili versuchte alles in ihrer Macht Stehende, diese Gesetze zu verhindern: Mit ihrem Veto und der Anrufung des Obersten Gerichts - ohne Erfolg. Doch am Ende würde ein Sieg der Opposition bei der Parlamentswahl die prorussische Regierung stoppen, zeigte sich Surabischwili in dem AFP-Interview zuversichtlich.

Diese Hoffnung hat sich zumindest dem offiziellen Ergebnis zufolge nicht erfüllt. Aber Surabischwili gibt sich nicht geschlagen: "Ich erkenne das Wahlergebnis nicht an", erklärte sie am Sonntag und rief zu Massenprotesten auf. (afp/bearbeitet von fab)

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