Sebastian Kurz ist nicht mehr Bundeskanzler: Österreichs Parlament hat dem ÖVP-Chef das Vertrauen entzogen. Für den 32-Jährigen eine schmerzhafte Delle im Lebenslauf - mehr aber wohl nicht.
Bundeskanzler
Dem Votum waren scharfe gegenseitige Vorwürfe vorausgegangen. Der ÖVP-Chef trage die Verantwortung für das aktuelle Chaos, sagte der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried am Montag bei der Parlamentsdebatte in Wien. "Die Regierung Kurz ist gescheitert", bilanzierte er.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellte am Nachmittag offiziell den Misstrauensantrag. "Herr Bundeskanzler, Sie und ihre ÖVP-Regierung genießen das Vertrauen der sozialdemokratischen Abgeordneten nicht", sagte Rendi-Wagner. Das Vorgehen des Kanzlers sei ein "schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach der Macht".
Bereits vor der Debatte hatte die FPÖ deutlich gemacht, dass sie den SPÖ-Misstrauensantrag unterstützen wird. Damit schien die Abberufung von Kurz so gut wie sicher, denn FPÖ und SPÖ haben gemeinsam eine Mehrheit im österreichischen Parlament.
Der designierte FPÖ-Parteichef
Kurz kritisiert Ausweitung auf gesamtes Kabinett
Kurz seinerseits kritisierte die SPÖ dafür, dass sie den Misstrauensantrag auf die gesamte Regierung ausgeweitet hat.
"Aber was ich wirklich nicht verstehe, ist, dass das die Reaktion auf das gestrige Wahlergebnis ist, dass der Misstrauensantrag gegen meine Person jetzt auf die ganze Regierung ausgedehnt wird", sagte Kurz bei der Parlamentsdebatte. Wer jetzt die gesamte Regierung stürzen wolle, habe nicht das Staatswohl im Blick.
Für Kurz ist die Abwahl ein Dämpfer. Doch er schaute bereits in den vergangenen Tage auf die geplante Neuwahl. "Am Ende des Tages entscheidet in Österreich das Volk - und zwar im September", sagte Kurz am Sonntag, nachdem die ÖVP bei der Europawahl in Österreich mit rund 35 Prozent ein Rekordergebnis eingefahren hatte.
Der Sturz des Regierungschefs gilt als politisch heikles Unterfangen. Einflussreiche Medien und sogar der ehemalige Grünen-Politiker Bundespräsident
Tiefpunkt der Regierungskrise in Österreich
Der Bundespräsident muss nun einen neuen Regierungschef benennen. Er kann auch das Kabinett für kurze Zeit mit der Fortführung der Geschäfte beauftragen. Als möglicher Kandidat für eine Nachfolge von Kurz wird der ehemalige EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler gehandelt.
Die SPÖ will die aktuelle Übergangsregierung durch ein Expertenkabinett bis zu den für September geplanten Neuwahlen ersetzt sehen. Ihrer Ansicht nach hat Kurz in seiner 18-monatigen Regierungszeit und in der aktuellen Krise jegliches Vertrauen verspielt, weil er die Opposition praktisch völlig ignoriert habe. Die Übergangsregierung, die in der vergangenen Woche von Bundespräsident Van der Bellen vereidigt wurde, wurde als getarnte ÖVP-Alleinregierung kritisiert.
Der Misstrauensantrag ist der vorläufige Tiefpunkt der Regierungskrise. Sie begann mit der Veröffentlichung des Skandal-Videos von Ibiza, auf dem der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache den Eindruck erweckte, offen für Machtmissbrauch und Korruption zu sein.
Strache trat am 18. Mai von allen Ämtern zurück, in der Folge brach die Regierung zusammen. Im September sollen Neuwahlen stattfinden. (ank/dpa)
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