• Am vergangenen Freitag wurde der General als Befehlshaber der russischen Streitkräfte in der Ukraine ernannt.
  • Die Raketenangriffe auf Kiew und mehrere weitere Städte in der Ukraine tragen seine Handschrift.
  • Surowikin trägt angeblich den Beinamen "General Armageddon" und soll für Kriegsverbrechen in Syrien verantwortlich sein.

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Die Bewohner Kiews und mehrerer anderer Städte in der Ukraine wurden am Montag von heftigen Explosionen geweckt. Augenzeugen berichten von Raketen, die über ihren Köpfen hinwegflogen, und anschließend heftigen Detonationen. Nach aktuellem Stand sollen 80 Raketen- und Drohnenangriffe 14 Menschen in der Ukraine getötet und über 100 verletzt haben. Der Militärschlag soll die Antwort auf die Sprengung der Krim-Brücke sein, die am vergangenen Wochenende durch eine schwere Explosion teilweise zerstört wurde. Der russische Präsident Wladimir Putin kündigte daraufhin Vergeltung an. Verantwortlich für diese Vergeltungsaktion ist vermutlich der neue Befehlshaber der russischen Armee in der Ukraine, Sergej Surowikin.

Surowikin wurde erst am vergangenen Freitag offiziell zum Befehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine ernannt, aber gleich zu Beginn konnte er zeigen, wofür er berüchtigt ist. Der Offizier, der dem "Spiegel" zufolge den Spitznamen "General Armageddon" trägt, ist für seine rücksichtslose Bombardierung in Syrien bekannt. Human Rights Watch nannte ihn als einen der Verdächtigen, die für Kriegsverbrechen im syrischen Bürgerkrieg verantwortlich gemacht werden können. Zweimal diente Surowikin dort als Kommandeur der russischen Streitkräfte. Ebenso wie in der Ukraine ließ er zivile Infrastruktur bombardieren und ging dabei wahllos gegen syrische Städte wie Idlib vor. Für seine "Verdienste" erhielt er von Putin die Auszeichnung "Held der Russischen Föderation".

Tschetschenen-Anführer Kadyrow: "ein echter Krieger"

In Russland wurde die Ernennung Surowikins gerade auch deshalb von vielen Ultranationalisten und Hardlinern gefeiert. Nach den letzten militärischen Niederlagen war die Führung der russischen Armee in Ungnade gefallen, für zu weich gehalten worden. Populäre Köpfe der Nationalisten wie der tschetschenische Anführer Ramsan Kadyrow oder der Kopf der Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, forderten eine härtere Gangart bis hin zum Einsatz von Atomwaffen. Diese Hardliner wollte Putin mit der offiziellen Ernennung eines Oberkommandierenden für die Ukraine wohl besänftigen und hat das zunächst auch erreicht.

Prigoschin, dessen Söldner im syrischen Bürgerkrieg gekämpft haben, nannte Surowikin den "fähigsten Kommandeur der russischen Armee". Tschetschenen-Anführer Kadyrow, inzwischen selbst Generaloberst der russischen Armee, bezeichnete den Armeegeneral als "einen echten Krieger, einen erfahrenen, willensstarken und weitsichtigen Befehlshaber, für den Begriffe wie Patriotismus, Ehre und Würde immer an erster Stelle stehen."

Militär-Experte: "Die militärische Misere Russlands lässt sich nicht durch einen Wechsel des Befehlshabers beheben"

Militäranalysten wie der Direktor des Forschungsprogramms für Russlandstudien beim Center for Naval Analyses, Michael Kofman, gehen hingegen davon aus, dass es sich bei der Ernennung um reine Symbolpolitik handelt. Surowikin soll bereits seit einiger Zeit inoffizieller Befehlshaber der russischen Streitkräfte in der Ukraine gewesen sein. Zwar wurde offiziell jeder der vier russischen Militärbezirke, die in der Ukraine eingesetzt sind, von einem eigenen Befehlshaber kommandiert, aber hinter den Kulissen habe der erfahrene Syrien-Veteran die Strippen gezogen.

Westliche Militärexperten sind daher skeptisch, ob der Wechsel an der Spitze der russischen Truppen den entscheidenden Impuls geben wird. "Die militärische Misere Russlands lässt sich nicht durch einen Wechsel des Befehlshabers beheben", so Militärexperte Kofman im "Spiegel" (kostenpflichtiger Inhalt). Russland-Experte Gerhard Mangott sagte dem Nachrichtenportal "T-Online", man traue dem General offensichtlich mehr zu als dessen Vorgängern. "Er kann aber nichts Grundsätzliches an der Situation ändern, die die russische Armee in diese Defensive gebracht hat."

Korruption und Brutalität

Darüber hinaus scheint der russische General eine dubiose Vergangenheit zu haben, die ihm den Ruf eingebracht hat, korrupt und rücksichtslos zu sein. Während des gescheiterten Militärputsches im August 1991, der den Zerfall der Sowjetunion besiegelte, hatte Surowikin seinen Soldaten befohlen, drei Demonstranten in Moskau mit Schützenpanzern zu überfahren und wurde anschließend zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. 1995 erhielt er eine Bewährungsstrafe für illegalen Waffenhandel, die später wieder einkassiert wurde.

Als Kommandeur einer motorisierten Schützendivision während des zweiten Tschetschenien-Kriegs erklärte der Generalmajor, für jeden toten russischen Soldaten drei Tschetschenen ermorden zu lassen. Seine Männer brachen in Häuser ein, plünderten und schlugen Zivilisten. Aber auch gegenüber seinem direkten Umfeld soll der Vier-Sterne-General nicht gerade zimperlich gewesen sein. Immer wieder wurde er bezichtigt, untergebene Offiziere physisch angegriffen zu haben. Ein Oberst hatte sich dem Bericht der konservativen Denkfabrik "Jamestown Foundation" zufolge in Surowikins Büro erschossen, nachdem dieser ihn öffentlich heruntergeputzt hatte.

Bereitschaft entschieden jeden Auftrag auszuführen

Seine Rücksichtslosigkeit scheint dem 56-Jährigen eine steile Karriere ermöglicht zu haben. Nach 2008 sollte die russische Armee schlanker und einsatzfähiger für kleinere militärische Operationen werden. Der damalige Generalmajor spielte dabei eine wichtige Rolle, da er nicht mehr benötigte Veteranen erfolgreich aussortierte. Die Armeeführung revanchierte sich ihrerseits und beförderte ihn zum Generalleutnant und das trotz seiner fragwürdigen Vita. "Surowikins Bereitschaft entschieden jeden Auftrag auszuführen, sorgte dafür, dass mögliche Fragen über seinen kontroversen Lebenslauf beiseite gewischt wurden", so der Bericht der "Jamestown Foundation".

Verwendete Quellen:

  • New York Times: Russia names a new commander for the war in Ukraine.
  • Human Rights Watch-Bericht zu Syrien: Targeting Life in Idlib
  • jamestown.org: Russias-Military-Strategy-and-Doctrine (PDF)
  • Spiegel.de: Sie nennen ihn General Armageddon (kostenpflichtiger Inhalt)
  • T-online.de: Sergej Surowikin: Wer ist Putins neuer Ukraine-Kommandeur?
  • Stern.de: Putin befiehlt Raketenangriffe auf Ukraine
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