Deutschland unterstützt die Ukraine nicht nur militärisch. Seit der russischen Invasion sind rund 1,7 Milliarden Euro aus der Entwicklungszusammenarbeit in das Land geflossen. Das Geld soll unter anderem bei der Reparatur von Stromnetz und Wärmeversorgung helfen. Im Winter ist das besonders dringlich.
Seit 1011 Tagen herrscht Krieg in der Ukraine. Während sich die Menschen in anderen Teilen Europas auf die heimelige Weihnachtszeit vorbereiten, ist dort der dritte Kriegswinter angebrochen. Dann kann schon froh sein, wer die eigene Wohnung heizen kann, wer Strom und Wasser hat.
Wahrscheinlich werde es wegen der russischen Raketen- und Drohnenangriffe wieder massive Stromausfälle geben, sagt Anton Yaremchuk im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist Gründer und Vorstandsmitglied der Hilfsorganisation "Base UA", die ihr Hauptquartier in der Großstadt Kramatorsk in der Region Donezk hat. Sie holt Menschen aus den besonders gefährdeten Gebieten direkt an der Front und bringt sie in Sicherheit. Oft ist das eine mühsame Arbeit, weil gerade alte Menschen ihr Zuhause nur ungern verlassen – selbst wenn nebenan die Raketen einschlagen.
Bislang hatten Yaremchuk und seine Mitstreiter häufig Zeit, zunächst Kontakte zu den Menschen vor Ort aufzubauen: Sie fuhren dort immer wieder hin, leisteten humanitäre Hilfe und konnten ihnen irgendwann anbieten, sie mitzunehmen in sicherere Gebiete. Dafür ist jetzt kaum noch Zeit, jetzt muss es meistens sehr schnell gehen. "Die aktuelle Lage ist sehr unklar und dadurch ist es schwieriger geworden, langfristig zu planen", sagt Yaremchuk. Die russische Armee rückt an vielen Stellen vor. "Die Frontlinie bewegt sich extrem schnell."
Deutschland unterstützt beim Wiederaufbau
Mit großer Sorge blickt auch Deutschlands Entwicklungsministerin
Deutschland unterstützt die Ukraine nicht nur militärisch, sondern auch mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2024 hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat nach eigenen Angaben rund 1,7 Milliarden Euro für das Land zur Verfügung gestellt.
Auch wenn es einer Sisyphos-Arbeit gleicht: Die Ukraine muss im Krieg ständig Wiederaufbau betreiben. Der Staat muss die Wasser- oder Energieversorgung nach Angriffen erneut aufbauen, damit die Menschen mit dem Nötigsten versorgt sind. "Wir helfen immer wieder, das Stromnetz zu reparieren und krisenfester zu machen", sagt Schulze. Aus Sowjetzeiten wisse die russische Seite, wo die verletzlichen Punkte der ukrainischen Energieversorgung sind. "Deswegen versucht die Ukraine, eine dezentralere Stromversorgung aufzubauen. 50 Windräder sind schwerer zu zerschießen als ein einzelnes Kraftwerk."
Die Bundesregierung unterstützt aber auch Orte, an denen sich Menschen aufwärmen oder einfach ihr Handy laden können. Außerdem fließen Mittel aus dem BMZ in den Wiederaufbau von Krankenhäusern – zum Beispiel des Kinderkrankenhauses Ochmatdyt, das im Juli dieses Jahres zerstört wurde.
Schulze: "Müssen im Parlament möglicherweise erneut diskutieren"
Allerdings steht auch der deutsche Haushalt unter großem Druck: Seit dem Ende der Ampelkoalition, greift die sogenannte vorläufige Haushaltsführung: Laufende Projekte können weiter finanziert werden. Doch für zusätzliche Ausgaben wird es schwieriger. "Die dringendsten Bedarfe haben wir schon in diesem Jahr eingeplant", sagt Schulze dazu. Für den Winter habe der Bundestag zusätzliches Geld für die Unterstützung der Wärme- und Stromversorgung in der Ukraine genehmigt. "Ob das reicht, wenn sich die Lage in der Winterkälte weiter zuspitzt, werden wir im nächsten Jahr sehen. Dann müssen wir im Parlament möglicherweise erneut darüber diskutieren."
CDU und CSU als größte Oppositionsfraktion stehen hinter der entwicklungspolitischen Unterstützung der Ukraine. "Die Wiederaufbauhilfen haben vielfältige positive Wirkungen direkt für die Menschen", betont Hermann Gröhe, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, gegenüber unserer Redaktion. Jedem müsse bewusst sein, dass der Wiederaufbau der Ukraine eine langfristige Aufgabe sein wird, auch nach Ende des Krieges. "Klar absehbar ist auch, dass Deutschland dann noch mehr tun muss, um den Wiederaufbau der Ukraine und ihren Weg in die EU zu unterstützen", so Gröhe.
Sorge um die Älteren – und die Jüngeren
Solange der Krieg tobt, geht es für viele Menschen in der Nähe der Front vor allem ums Überleben. Was der Krieg aber alles anrichtet, wird sich wohl erst nach seinem Ende zeigen. Anton Yaremchuk macht sich zum Beispiel nicht nur Sorgen um die Älteren, sondern auch um junge Menschen. Die Stadt Kramatorsk beispielsweise sei noch gut bewohnt, wirke fast lebendig. Und doch seien die jungen Menschen abgeschnitten von guter Bildung. "Hier gibt es nach wie vor nur Online-Unterricht, wenn überhaupt. Sportmöglichkeiten gibt es gar nicht."
Er findet daher, dass sich die ukrainische Regierung stärker um eine Verbesserung der Situation in den Schulen kümmern muss. "Diese Jugendlichen und Kinder haben erst den Corona-Lockdown erlebt und danach die russische Invasion. Die werden seit bald fünf Jahren online unterrichtet", sagt er. "Ich glaube, man kann sich nur schwer vorstellen, was das für Konsequenzen für eine ganze Generation haben wird."
Verwendete Quellen
- Gespräch mit Anton Yaremchuk
- Gespräch mit Svenja Schulze
- Stellungnahme von Hermann Gröhe
- bmz.de: Widerstandskraft der Ukraine stärken
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