Deutschlands erste Koalition von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene ist gescheitert. Und jetzt?

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Die Ampel-Koalition ist am erbitterten Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik zerbrochen. Nach einem dramatischen Treffen der Koalitionsspitzen hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen und in fast beispielloser Art öffentlich mit ihm abgerechnet.

Wie geht es weiter?

Scholz will wichtige Gesetze, die keinen Aufschub dulden, noch bis Jahresende zur Abstimmung im Bundestag stellen. Er nannte etwa den Abbau der sogenannten kalten Progression, damit die Bürger mehr Netto vom Brutto haben, die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmaßnahmen für die Industrie. Er werde dazu das Gespräch mit CDU-Chef Friedrich Merz suchen. Als Chef einer Minderheitsregierung muss sich Scholz jetzt seine Mehrheiten bei der Opposition suchen.

Bis Jahresende: Diese Projekte will Scholz noch durchbringen

Bis Jahresende: Diese Projekte will Scholz noch durchbringen

Die FDP geht raus aus der Regierung. Der Kanzler und die Minister von SPD und Grünen bleiben. Das macht es schwierig, wichtige Pläne noch umzusetzen.

Den Weg zu Neuwahlen skizzierte der Kanzler so: Am 15. Januar will Scholz im Bundestag dann die Vertrauensfrage stellen – in der Erwartung, dass das Parlament ihm gerade nicht das Vertrauen ausspricht, er also keine Mehrheit bekommt. In diesem Fall kann der Kanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Scholz sagte, der Bundestag könne den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen. Die Wahl könnte dann "unter Einhaltung der Fristen, die das Grundgesetz vorsieht, spätestens Ende März stattfinden."

Die Opposition, allen voran die Union, drängt Scholz, die Vertrauensfrage früher zu stellen. So könnten schon im Januar Neuwahlen stattfinden, sagte etwa CSU-Chef Markus Söder. Scholz dürfte aber kein Interesse haben, dieser Bitte nachzukommen.

Was wird aus den Haushaltsverhandlungen?

Ganz oben auf der To-do-Liste der Regierung steht der Bundeshaushalt 2025. Um fristgerecht zu sein, muss er in zwei Wochen stehen. Doch ohne die FPD haben SPD und Grüne keine Mehrheit. Dass CDU und CSU für eine Mehrheit sorgen, gilt als unwahrscheinlich.

Wird kein Haushalt beschlossen, würde ab Januar eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung gelten. Dann sind vorerst nur Ausgaben möglich, die nötig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis kann das Finanzministerium den Ministerien aber bewilligen, pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs zu nutzen. Dennoch droht in diesem Fall eine gewisse politische Lähmung.

Was bedeutet das Ampel-Aus für Deutschlands Rolle in der Welt?

Der Wahlsieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen bedeutet enorme Herausforderungen für Deutschland und Europa – zum Beispiel in Fragen der Sicherheitspolitik, der Handelspolitik und der Klimapolitik. Dramatisch könnte es bei der westlichen Unterstützung der Ukraine in ihrem Kampf gegen den russischen Angriffskrieg werden. Gerade in dieser wichtigen Phase fällt Deutschland als "Stabilitätsanker" aus. Auch vor dem Hintergrund der weltpolitischen Krisen hatte Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) gewarnt: "Dies ist die schlechteste Zeit, dass die Regierung scheitert."

Der Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, schreibt auf der Plattform X vom vielleicht schwierigsten Moment in der Geschichte der Bundesrepublik. "Zur inneren Strukturkrise kommen nun massive außenwirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen, auf die wir nicht vorbereitet sind." Deutschland müsse kurzfristig massiv in europäische Verteidigungskapazitäten investieren und mit Frankreich und anderen willigen Partnern vorangehen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat bereits mehr Geld für die Bundeswehr gefordert und verweist auf die schnelle Aufrüstung Russlands unter Wladimir Putin. "Die russische Industrie produziert in drei Monaten mehr Waffen und Munition als die gesamte Europäische Union in einem Jahr. Und wir müssen damit rechnen, dass Putin willens und bereit ist, seine Streitkräfte auch zu nutzen", sagte Pistorius der dpa.

Was bedeutet das Aus für die Wirtschaft?

Das Ampel-Aus ist auch ein Rückschlag für die deutsche Wirtschaft. Für 2024 wird das zweite Rezessionsjahr in Folge erwartet. Deutschland hinkt anderen großen Wirtschaftsnationen hinterher. Bei Unternehmen und auch privaten Haushalten herrscht Unsicherheit. Firmen halten sich mit Investitionen zurück, Bürgerinnen und Bürger legen ihr Geld auf die hohe Kante. Das dürfte sich nun erst einmal nicht ändern.

Wirtschaftsverbände hatten die Ampel zu umfassenden Reformen aufgefordert – und zwar schnell. Die wichtigsten Punkte: die im internationalen Vergleich hohen Energiepreise müssten sinken, Bürokratie abgebaut und die teils marode Infrastruktur auf Vordermann gebracht werden.

Nach dem Scheitern der Ampel droht eine weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Auch im kommenden Jahr könnte die Konjunktur nicht in Fahrt kommen.

Was sind die Gründe für das Aus?

Lindner schlug in einem Papier zu einer "Wirtschaftswende" eine zum Teil völlige Neuausrichtung der Wirtschafts- und Klimapolitik vor. In dem Papier wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener gefordert, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik. Nationale Klimaziele sollten durch europäische ersetzt werden. Das stieß auf zum Teil erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen.

Scholz sagte, Lindner habe ultimativ und öffentlich eine grundlegend andere Politik gefordert – eine milliardenschwere Steuersenkung für wenige Spitzenverdiener und zugleich Rentenkürzungen für alle Rentnerinnen und Rentner. "Das ist nicht anständig", sagte der Kanzler.

Umstritten war ebenso, wie die Milliardenlücken im Haushalt 2025 geschlossen werden sollen. Scholz schlug mit Blick auch auf die Folgen des Ukraine-Kriegs eine Ausnahmeregelung zur Schuldenbremse vor. Die FDP lehnte das ab.

Warum gab es immer wieder Streit?

Wiederholt hatte es scharfe und in der Öffentlichkeit ausgetragene Streitigkeiten des 2021 als "Fortschrittskoalition" angetretenen Regierungsbündnisses gegeben. Beispiele: das lange Ringen um das Heizungsgesetz, die Kindergrundsicherung, die Migrationspolitik, das Rentenpaket und der Haushalt. Dabei hat die Ampel durchaus Erfolge vorzuweisen. So wurde die tiefe Energiepreiskrise nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine überwunden, die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro unterstützt, der Ausbau der erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne nahm spürbar Fahrt auf.

Doch zunehmend traten Spannungen auf, erst recht seit dem Haushaltsurteil des Verfassungsgerichts vor rund einem Jahr, das die Regierung in arge Geldnot brachte. Vor allem in der Wirtschaftspolitik prallten angesichts der Konjunkturflaute die unterschiedlichen ideologischen Auffassungen der Ampel-Partner voll aufeinander. SPD und Grüne wollten für mehr Investitionen eine Reform der Schuldenbremse, das lehnte die FDP ab. (dpa/mcf/fah)

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