Der Bundespräsident hat die Ukrainepolitik von Olaf Scholz gelobt und dessen Kritiker diskreditiert. Nun wehren sich die Angegriffenen: Steinmeier mache Wahlkampf für die SPD. Auch die Koalitionspartner des Kanzlers sind sauer.

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Mit seinen despektierlichen Äußerungen zur Diskussion um weitere militärische Hilfen für die Ukraine hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Kritik von CDU, FDP und Grünen auf sich gezogen. Aus den Aussagen des Bundespräsidenten sprächen "Spott und Abschätzigkeit", sagte etwa der CDU-Politiker Norbert Röttgen dem "Tagesspiegel". "Glaubt der Bundespräsident, dass es seine Aufgabe sei, sich über politische Diskussionen irritiert zu zeigen?"

Auslöser für die Kritik war eine Äußerung Steinmeiers auf einem Leserkongress der "FAZ" in Frankfurt am Main. Dort hatte der Bundespräsident sich irritiert über die Debatte über Militärhilfen für die Ukraine gezeigt und so die ablehnende Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern befürwortet.

"Die Militärexperten, die Kaliberexperten" würden diese dem Bundespräsidenten zufolge "mit Ausgelassenheit und mit wachsendem Ehrgeiz" führen. Es sei dementsprechend "keine so schlechte Zwischenbilanz", dass eine Mehrheit der Deutschen nach wie vor hinter Scholz’ Ukrainepolitik stehe.

Kritik an Steinmeier kommt von CDU, FDP und Grünen

Auch die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verurteilte Steinmeiers Aussagen als für einen Bundespräsidenten wenig angemessen. "Anstelle als Bundespräsident seiner Rolle gerecht zu werden und eine große Rede an die Bürgerinnen und Bürger zu halten, um ihnen die Ernsthaftigkeit der Lage zu erklären, zieht er Experten ins Lächerliche, um den Wahlkampf der SPD zu unterstützen", sagte Strack-Zimmermann dem "Tagesspiegel". Das sei "schlicht unwürdig".

"Es ist irritierend, dass der Bundespräsident öffentlich eine Position vertritt, die die für das Amt gebotene parteipolitische Distanz vermissen lässt", befand auch Sebastian Schäfer (Grüne). Die derzeitige Situation in der Ukraine sei zu ernst, für derartige Kommentare. "Jede Nacht wird dort durch russische Angriffe kritische Infrastruktur zerstört, um die Zivilbevölkerung zu terrorisieren. Statt darüber zu sprechen, erweckt der Bundespräsident den Eindruck, er betreibe Wahlkampf für die SPD."

Wenn selbst der Bundespräsident zu einer "hitzigen Debatte" wie der um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern abschätzige Kommentare beitrage, brauche sich niemand mehr "über eine Spaltung der Gesellschaft und ›Demokratiefrust‹ (zu) wundern", schrieb der CDU-Politiker Marc Henrichmann auf X.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier forderte den Bundespräsidenten angesichts seiner früheren Russlandpolitik zu mehr Zurückhaltung in der aktuellen Debatte auf. Steinmeier pflegte als Außenminister ein enges Verhältnis zu Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte er sich öffentlich für frühere Fehleinschätzungen entschuldigt.  © DER SPIEGEL

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