Lange Zeit hat die Türkei den Schweden den Gang in die Nato verwehrt, jetzt gibt Präsident Erdogan seine Blockadehaltung auf - trotz des jüngsten Ärgers um eine erneute Koranverbrennung in Stockholm und einer überraschend erhobenen neuen Forderung.

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Die Türkei will den Nato-Beitritt von Schweden nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht länger blockieren. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe bei einem Treffen mit dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson zugestimmt, das Beitrittsprotokoll so bald wie möglich dem türkischen Parlament vorzulegen, sagte Stoltenberg am Montagabend auf einer Pressekonferenz in Vilnius. Zuvor hatten sich Erdogan, Kristersson und Stoltenberg in der litauischen Hauptstadt einen Tag vor dem Nato-Gipfel beraten.

Der Frage, wann der Nato-Betritt Schwedens vollzogen sein könnte, wich Stoltenberg allerdings aus. Er wiederholte nur, dass es eine klare Zusicherung gebe, die Ratifikationsdokumente dem Parlament zuzuleiten.

Regierungschef Kristersson: "Ein guter Tag für Schweden"

Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson hat sich zufrieden mit der Einigung im Nato-Streit mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gezeigt. "Das ist ein guter Tag für Schweden gewesen", sagte der Regierungschef am Montagabend auf einer Pressekonferenz in der litauischen Hauptstadt Vilnius. Er sei sehr froh darüber, dass Erdogan, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und er sich auf eine gemeinsame Erklärung einigen konnten, mit der man einen sehr großen Schritt zur formalen Ratifizierung des schwedischen Nato-Beitritts getan habe.

Zugleich betonte Kristersson, dass es sich bei den zwischen den Ländern vereinbarten Punkten von schwedischer Seite um langfristige Verpflichtungen handle. "Das hier ist also nicht nur etwas, was wir tun, um Nato-Mitglied werden zu dürfen", sagte er.

Schweden und Finnland hatten gemeinsam NATO-Mitgliedschaft beantragt

Schweden und Finnland hatten im Mai 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Finnland ist bereits Anfang April zum 31. Mitglied des Bündnisses geworden. Schweden fehlte dagegen lange die Zustimmung der Türkei und Ungarns, was in erster Linie an der türkischen Blockadehaltung gelegen hatte. Ungarn hatte zuletzt erneut beteuert, sich der Aufnahme Schwedens nicht in den Weg stellen zu wollen, sollte die Türkei grünes Licht geben.

Die türkische Führung blockiert den schwedischen Beitritt seit gut einem Jahr. Sie verweist darauf, dass das skandinavische Land nicht ausreichend gegen "Terrororganisationen" vorgehe - dabei geht es ihr vor allem um die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Dass Ende Juni erstmals seit Monaten wieder ein Koran bei einer Demonstration in Stockholm angezündet worden war, belastete das Verhältnis zu Ankara zuletzt zusätzlich.

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Türkei knüpft Schwedens NATO-Beitritt an EU-Zusage

Vor seinem Abflug nach Vilnius machte der 69-Jährige seine Zustimmung dann überraschend von einer eine Belebung der Beitrittsgespräche der Türkei zur EU abhängig. "Ebnet zunächst den Weg der Türkei in die Europäische Union, danach ebnen wir den Weg für Schweden, so wie wir ihn für Finnland geebnet haben", sagte er in Istanbul an die EU-Länder gerichtet.

Stoltenberg hatte am Freitag bei der Ankündigung des Treffens mit Erdogan und Kristersson deutlich gemacht, dass er auf ein Ende der türkischen Blockade setze. Alle weiteren Verzögerungen würden nur von der PKK und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin willkommen geheißen, sagte er. Am Montag blieb er vor dem Treffen trotz Erdogans Vorstoß weiter optimistisch und sprach von einer möglichen "positiven Entscheidung".

In Stockholm hatte man lange Zeit das Ziel ausgegeben, die türkische Blockade bis zum Gipfel in Vilnius lösen zu wollen. Wann genau es nach Erdogans positivem Signal nun so weit ist, ist noch offen. Die nächste Sitzung des türkischen Parlaments ist für Dienstag angesetzt, womit es zumindest theoretisch schon seine Zustimmung geben könnte, während der zweitägige Gipfel in Vilnius läuft. Wenn dann auch das ungarische Parlament zügig ratifiziert, dann könnte Schweden zeitnah offiziell 32. Mitglied der Nato werden.

Baerbock und Biden begrüßen grünes Licht für Schwedens Nato-Beitritt

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und US-Präsident Joe Biden haben das grüne Licht des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für einen Nato-Beitritt Schwedens begrüßt. "Gute Nachrichten aus Vilnius: Der Weg für die Ratifizierung von Schwedens Nato-Mitgliedschaft durch die Türkei ist endlich frei", erklärte Baerbock am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Unsere gemeinsamen Anstrengungen haben sich gelohnt. Zu 32 sind wir alle zusammen sicherer. Herzlichen Glückwunsch, Schweden!"

Biden erklärte, er begrüße die Ankündigung von Schweden, der Türkei und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Ich stehe bereit, mit Präsident Erdogan und der Türkei zusammenzuarbeiten, um die Verteidigung und Abschreckung im Euroatlantik-Raum zu verstärken. Ich freue mich, Regierungschef Kristersson und Schweden als unseren 32. Nato-Verbündeten zu begrüßen. Und ich danke Generalsekretär Stoltenberg für seine standhafte Führung." (dpa/cgo)


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