- Auf dem Parteitag in Kalkar, den die AfD am vergangenen Wochenende abgehalten hat, ist deutlich geworden: Die Partei ist tief gespalten.
- "Seid ihr denn des Wahnsinns?" fragte der Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter aus Brandenburg, nachdem Bundessprecher Jörg Meuthen eine Brandrede gehalten hatte und ebenso scharfe Kritik gefolgt war.
- Richtet sich die AfD mit solchen Aktionen selbst zugrunde? AfD-Experte Andreas Kemper spricht darüber im Interview.
Auf dem AfD Parteitag ist mit der Rede von
Andreas Kemper: Die Selbstzerfleischung hat schon 2014 begonnen – also ein Jahr nach der Parteigründung.
Ich denke nicht, dass es nun zu einer neuen Stufe der Selbstzerfleischung kommt, die dann zu einem Zerfall führt. Denn in der AfD gibt es seit Anfang an klare Gegnerschaften – in strategischer und ideologischer Hinsicht. Die strategische Bruchlinie verläuft entlang der Frage: Tritt man relativ gemäßigt auf, um vielleicht doch noch mit der CDU eine Regierung zu bilden oder strebt man eine fundamentale Opposition an?
Davon unterscheiden muss man verschiedene ideologische Strömungen – wirtschaftsliberal, "sozialpatriotisch" und so weiter. Die Unterscheidung ist wichtig: Alice Weide würde ich aus der strategischen Perspektive beispielsweise dem Höcke-Lager zuordnen, in ideologischer Hinsicht aber dem Meuthen-Lager.
Ob strategisch oder ideologisch: Es wird jetzt auch nach dem Parteitag nicht zur Abspaltung eines dieser Lager kommen. Der Parteitag ist lange verschoben worden, wobei
Es hat mich gewundert, dass es auf dem Parteitag sehr wenig ideologische Streitigkeiten gab, es ging vielmehr um das Auftreten – also um die Strategie anstatt Inhalte."
An welchen Fragen spaltet sich die AfD denn inhaltlich? Sind es aktuell das Rentenkonzept und die Coronakrise?
Die Ideologen sitzen am Rand der AfD: Auf der einen Seite ist es die Neue Rechte mit Vertretern wie Götz Kubitschek und Ellen Kositza vom Institut für Staatspolitik. Sie haben mit zur Erfurter Erklärung beigetragen und wollen einen starken Staat.
Sie sprechen dabei von "Sozialpatriotismus", also einer sozialstaatlichen und gleichzeitig völkischen, faschistischen Ausrichtung. Die anderen Ideologen sind sozialstaatsfeindlich und noch sehr viel neoliberaler als die FDP.
Sie wollen den Staat weitgehend weghaben und fordern zum Beispiel Steuersenkungen für die Reichen und eine Abschaffung der Erbschaftssteuer. Das war die ursprüngliche AfD mit Bernd Lucke, heute gehört der Dunstkreis von "Tichys Einblick" und "eigentümlich frei" dazu. Diese Ideologen sind genauso demokratiefeindlich wie der Höcke-Flügel, nur eben auf andere Art und Weise.
Muss die AfD in Folge von Meuthens Parteitagsrede mit einem Absturz in der Wählergunst rechnen? Viele Delegierte hatten die Rede als parteischädigend bezeichnet und von einem "Spalterkurs" gesprochen.
Nein. Ich sehe die AfD allgemein im einstelligen Bereich, bei knapp zehn Prozent. Wenn sie doch mehr Stimmen holt, hat das meistens mit äußeren Umständen zu tun, die die Partei beflügeln. 2015 war das beispielsweise die Flüchtlingsbewegung, dann sind für die AfD bundesweit bis zu 15 Prozent machbar.
Wie dürfte es in Sachen Spaltung in der AfD weitergehen? Werden die Lager weiterexistieren und immer mal wieder knallt es?
Die AfD gibt es seit fast acht Jahren und 2014 war die Spaltung schon offenbar. Nur am Anfang gab es ein harmonisches Miteinander. Seit Ende 2014 gibt es ganz klare Kämpfe – das gehört zur AfD dazu.
Sie vereint verschiedene Strömungen, die nicht zueinander passen. Sie werden nur durch bestimmte gemeinsame Werte aufrechterhalten: Kritik am demokratischen System, an "Gutmenschen", am Feminismus, an der Klima- und Flüchtlingspolitik und so weiter. Das hält sie zusammen, aber eigentlich ist es ein Sammelbecken ganz unterschiedlicher Strömungen.
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