Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sieht in der türkischen Offensive in Nordsyrien eine "Invasion". Man habe sich darauf geeinigt, dass kein EU-Mitgliedsland mehr Waffen an die Türkei liefern werde. Ein offizielles Waffenembargo verhängt die EU allerdings nicht.

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Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich darauf geeinigt, dass sie keine Waffen mehr in das NATO-Land Türkei liefern. Das teilte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn im "Mittagsmagazin" von ARD und ZDF.

Der Einmarsch der Türkei in Syrien sei "eine Invasion" und nicht zu rechtfertigen, sagte Asselborn. Die juristischen Details müsse man noch ausarbeiten, aber die grundsätzliche Entscheidung stehe fest.

Ein allgemeines Waffenembargo verhängt die EU gegen die Türkei allerdings nicht. In einer am Montag von den Außenministern verabschiedeten Erklärung zur türkischen Militäroffensive in Nordsyrien wird lediglich auf die Entscheidungen von Ländern wie Deutschland und Frankreich verwiesen, ab sofort keine Rüstungsexporte mehr zu genehmigen, die in dem Konflikt eingesetzt werden können. Mitgliedstaaten verpflichteten sich zu starken nationalen Positionen, heißt es.

Zugleich forderte die EU die Türkei erneut zum sofortigen Abbruch der Offensive in Nordsyrien auf. "Die EU verurteilt das militärische Vorgehen", heißt es in der Erklärung. Die Offensive gefährde die Stabilität und Sicherheit in der ganzen Region und führe zu einem noch größeren Leiden von Zivilisten und zu weiteren Vertreibungen.

Asselborn befürchtet Beistandsfall nach Artikel 5

Asselborn hatte zuvor gewarnt, dass die NATO in den Konflikt hineingezogen werden könnte. Sollte das NATO-Mitglied Türkei von Syrien angegriffen werden, könne sich das Militärbündnis mit dem Bündnisfall konfrontiert sehen, sagte er am Montag beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Diese Vorstellung sei für ihn "außerirdisch".

Die Türkei hatte am Mittwoch eine Militäroffensive gegen die Kurden in Nordostsyrien begonnen. Die Kurden verkündeten daraufhin eine Einigung mit Damaskus zur Stationierung syrischer Truppen in dem Gebiet, das bisher von ihnen autonom kontrolliert wurde.

Damit gebe es "eine Koalition zwischen den Truppen" von Syriens Staatschef Baschar al-Assad und den Kurden, sagte Asselborn. Das bedeute, dass "ein NATO-Mitglied gegen Assad (...) kämpft". Werde nun die Türkei "von Syrien oder Alliierten von Syrien angegriffen", könne dies den Beistandsfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages bedeuten.

In Artikel 5 des Nordatlantikvertrags ist das Prinzip der "kollektiven Verteidigung" verankert. In ihm heißt es, dass "ein bewaffneter Angriff" gegen einen oder mehrere Partner "in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird". Die anderen Nato-Mitglieder müssten dem angegriffenen Land Beistand leisten.

Zum ersten und bisher einzigen Mal war der Bündnisfall nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA eingetreten. Damals hatte das Bündnis Aufklärungsflüge unter anderem mit Awacs-Flugzeugen über den Vereinigten Staaten geflogen.

Kurden: Vereinbarung ist ein "schmerzhafter Kompromiss"

Die Kurdenmilizen in Nordsyrien haben die Vereinbarung mit der Regierung in Damaskus über die Verlegung syrischer Truppen an die türkische Grenze indes als "schmerzhaften Kompromiss" bezeichnet.

"Wir stehen den türkischen Messern jetzt mit nackter Brust entgegen", schrieb der Kommandant der von Kurdenmilizen angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, in einem Beitrag für das US-Magazin "Foreign Policy". Die Zusammenarbeit mit der Regierung von Präsident Baschar al-Assad und dessen Verbündetem Russland habe notgedrungen stattgefunden.

"Wir trauen ihren Versprechen nicht. Ehrlich gesagt ist schwer zu wissen, wem man vertrauen kann", schrieb Abdi. Die Regierungen in Damaskus und Moskau hätten aber Vorschläge gemacht, die Millionen Menschenleben retten könnten.

"Wenn wir zwischen Kompromissen und dem Genozid an unserem Volk wählen müssen, werden wir uns mit Sicherheit für das Leben unserer Bevölkerung entscheiden", schrieb Abdi.

Für den Abzug der US-Truppen zeigte Abdi Verständnis, erklärte aber zugleich, dass die Kurdenmilizen ratlos zurückbleiben würden. Die USA seien keine "Weltpolizei", hätten in Syrien bei der Suche nach einer politischen Lösung aber eine wichtige Rolle.

"Wir sind enttäuscht und frustriert von der derzeitigen Krise", schrieb Abdi. "Zwei Fragen bleiben: Wie können wir unser Volk am besten schützen? Und sind die Vereinigten Staaten noch unserer Verbündeter?" (ank/dpa/afp)

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