Kaum ist Tilman Kuban zum neuen Chef der Jungen Union gewählt worden, übt er schon scharfe Kritik an seiner Mutterpartei. In einem Interview beklagt er eine "Gleichschaltung" innerhalb der CDU - und rudert kurz darauf wieder zurück.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Der neue Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, vermisst kontroverse Diskussionen in der CDU und hat das in einem Interview mit dem Wort "Gleichschaltung" zum Ausdruck gebracht.

"In den letzten Jahren haben sich viele in der CDU nicht mehr wohlgefühlt, weil wir bei unserer Ausrichtung eine Gleichschaltung erlebt haben", sagte er der "Welt". "Wir brauchen wieder drei Flügel und Persönlichkeiten, die ihre Meinung sagen."

Kuban distanziert sich von eigener Wortwahl

Nachdem er für den Begriff "Gleichschaltung" kritisiert worden war, distanzierte sich Kuban kurz darauf von seiner eigenen Wortwahl und bezeichnete sie als "unangemessen".

Der 31-Jährige schrieb am Samstag auf Facebook, nach seiner Ansicht brauche die CDU in Zukunft wieder eine breite gesellschaftliche und parteiinterne politische Diskussion zentraler Fragen. "Die Union lebt von einem starken und breiten Meinungsspektrum. Die Wortwahl Gleichschaltung war dabei unpassend."

Er stehe aber dazu, dass andere Meinungen nicht von oben tabuisiert werden dürften.

Der Begriff "Gleichschaltung" wird zumeist im Zusammenhang mit dem nationalsozialistischen Regime verwendet. Die Nazis hatten, nachdem sie an die Macht gekommen waren, Parteien, Verbände, Vereine und die Medien auf ihre politischen Ziele hin ausgerichtet.

Kuban: Merkels Flüchtlingspolitik juristisch fragwürdig

Kuban glaubt, dass die Parteibasis vor allem in der Flüchtlingskrise eine andere Politik gewollt habe. 2015 seien rund 900.000 Migranten weitgehend unkontrolliert nach Deutschland gekommen.

"2015 hat eine schweigende Mehrheit in der CDU den Kurs der Führung nicht mitgetragen. Eine Mitgliederbefragung hätte ein anderes Ergebnis als ein Parteitag gehabt", ist Kuban überzeugt.

Kanzlerin Angela Merkel hätte damals viel früher ein Stoppsignal setzen müssen, urteilt Kuban. Ihre Politik sei auch juristisch fragwürdig gewesen: "Die Rechtslage zur Grenzöffnung ist ja letztlich nie ausgeleuchtet worden."

Bereits in den vergangenen Jahren hatte sich Kuban mit Kritik an Merkels Migrationspolitik nicht zurückgehalten.

Kuban: "Merkel war kein Idol von mir"

Der 31-Jährige bewertet noch weitere Entscheidungen Merkels kritisch. "Ich frage mich schon, ob die Abschaffung der Wehrpflicht, wie sie gelaufen ist, wirklich klug war."

Auch der kurzfristige Atomausstieg sei ein Fehler gewesen, weil er nicht in eine europäische Lösung eingebettet wurde. Sichere deutsche Meiler seien abgeschaltet worden, weniger sichere ausländische hingegen weiter am Netz geblieben.

"Nach Fukushima wurde eine emotionale Entscheidung getroffen, obwohl sich die Sicherheitslage in Deutschland nicht verändert hatte", argumentierte der JU-Chef.

Über die Kanzlerin sagte Kuban: "Ich habe Respekt vor der Leistung Angela Merkels, aber sie war kein Idol von mir."

Am Montag wird der 31-Jährige dem Bericht zufolge als JU-Vorsitzender zum ersten Mal an einer Sitzung des CDU-Bundesvorstandes teilnehmen und dort auch Merkel treffen. (jwo/dpa/afp)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.