Im Mai verkündete US-Präsident Donald Trump den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Abkommen, nun will er die Führung in Teheran in die Knie zwingen: In der Nacht zu Dienstag (Ortszeit) treten bislang ausgesetzte US-Sanktionen wieder in Kraft.
John Bolton machte schon vor dem Atomabkommen mit dem Iran deutlich, was er von den diplomatischen Bemühungen der UN-Vetomächte und Deutschlands hielt: Nichts. "Bombardiert den Iran, um die iranische Bombe zu stoppen", forderte der Hardliner im März 2015 in der "New York Times". Seit April ist Bolton Nationaler Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, beide eint die Ablehnung des Atomdeals. Im Mai verkündete Trump den einseitigen Ausstieg der USA aus dem Abkommen, nun will er die Führung in Teheran in die Knie zwingen: In der Nacht zu Dienstag (Ortszeit) treten bislang ausgesetzte US-Sanktionen wieder in Kraft.
Ab November besonders harte Sanktionen
Zunächst wollen die USA erreichen, dass der Iran keine US-Dollar erwerben und nicht mehr mit Gold und Edelmetallen handeln kann. Auch der Handel mit bestimmten Metallen, Rohstoffen und Industriesoftware soll unterbunden werden. Zudem werden der Import iranischer Lebensmittel und Teppiche in die USA untersagt. 90 Tage später sollen dann im November besonders schmerzhafte Sanktionen wieder eingesetzt werden, mit deren Hilfe die Ölimporte anderer Länder aus dem Iran auf Null reduziert werden sollen. Gleichzeitig soll der internationale Zahlungsverkehr mit dem Iran lahmgelegt werden.
Mit den erneuten Sanktionen erreicht der Konflikt zwischen Washington und Teheran eine neue Stufe. Den USA geht es dabei längst nicht nur um das iranische Nuklearprogramm. Washington will den aus seiner Sicht destabilisierenden Einfluss Teherans im Nahen Osten zurückdrängen, wo die iranische Regierung in zahlreichen blutigen Konflikten mitmischt: Sie unterstützt Syriens Präsidenten Baschar Al-Assad, die Hisbollah im Libanon, die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas im Gaza-Streifen, militante Schiiten-Gruppen im Irak und die Huti-Rebellen im Bürgerkrieg im Jemen.
USA fordern "Verhaltenswechsel"
US-Außenminister Mike Pompeo fasste die Sicht seiner Regierung so zusammen: Der Iran müsse sich "wie eine normale Nation" verhalten und bis dahin müsse man die Führung in Teheran daran hindern, ihr Vermögen für schlechte Dinge einzusetzen. Öffentlich sagen führende US-Politiker, es gehe ihnen nicht um einen Regimewechsel im Iran, sondern um einen Verhaltenswechsel - auch wenn das manchmal anders klingt. Vizepräsident Mike Pence ermutigte Ende Juli "die guten Menschen im Iran", sich weiter für Freiheit und eine friedliche Zukunft einzusetzen.
Obwohl der Iran seine Urananreicherung der IAEA-Kontrolle unterworfen hat, bezeichnete Trump das von seinem Vorgänger Barack Obama mitausgehandelte Abkommen als "schrecklich", "grauenhaft", "furchtbar" und "im Kern defekt". Ganz anders als im Fall Nordkorea, mit dessen Machthaber Kim Jong Un Trump im Juni eine vage Absichtserklärung traf, die keine konkreten Schritte zur atomaren Abrüstung oder gar Kontrollmechanismen enthält. Den Deal mit Nordkorea lobt Trump über den grünen Klee, sich selber ebenso.
Auch Experten kritisieren Trumps Umgang mit dem Iran-Abkommen. Der Autor des Buches "The Art of Sanctions" ("Die Kunst der Sanktionen"), Professor Richard Nephew von der Columbia-Universität in New York, hält die erneuten Strafmaßnahmen nicht für sinnvoll. "Der Iran hielt sich an das JCPOA", sagt Nephew. Es sei überhaupt nicht im Interesse der USA, das Abkommen mit Sanktionen zu untergraben.
Iran steckt in schwerer Wirtschaftskrise
Die Trump-Regierung beabsichtige nun, so viel Unzufriedenheit im iranischen Volk zu schüren, dass die Regierung in Teheran zu Zugeständnissen gezwungen werde, sagt Nephew der dpa. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Sanktionen den Menschen im Iran "echten Schaden" zufügen. "Inflation, Arbeitslosigkeit, auf diesen Wegen wird die iranische Bevölkerung am meisten geschädigt werden."
Dabei steckt der Iran schon vor den erneuten Sanktionen in der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Die Landeswährung Rial hat dramatisch an Wert verloren, die Inflation steigt. Im Volk ist von einem "wirtschaftlichen Tsunami" die Rede, die Menschen bangen um ihre Existenz. Viele fragen sich: Wenn das Land schon vor den Sanktionen fast pleite ist, was wird danach wohl passieren?
Die wirtschaftliche Lage sorgt - ganz im Sinne der USA - schon jetzt für wachsende Kritik im iranischen Volk an der Nahostpolitik der Führung des Landes. Bei den jüngsten Protesten war auch dieser Slogan immer wieder zu hören: "Kein Gaza, kein Libanon, unser Herz schlägt nur für den Iran".
Die politische Unterstützung der EU - die das Atomabkommen retten möchte - nützt dem Iran wenig. Europäische Firmen und Banken haben keine Interesse daran, ihre US-Geschäfte aufs Spiel zu setzen. Lieber ziehen sie aus dem Iran ab. Zwar sind Unternehmen aus der EU im Prinzip nicht dazu verpflichtet, sich an US-Sanktionen zu halten. Die USA würden diese europäischen Firmen dann aber von Geschäften in Amerika ausschließen, dem weitaus wichtigeren Markt.
Im Iran dürften von der Krise erstmal die Hardliner und die Revolutionsgarden profitieren. Sie waren von Anfang an gegen die Reformpolitik des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani und besonders gegen das Atomabkommen. Obwohl die Hardliner in den letzten fünf Jahren Niederlagen bei vier Wahlen hinnehmen mussten, wittern sie jetzt ihre Chance, an die Macht zurückzukehren.
Trump droht Ruhani auf Twitter
Trump drohte Ruhani kürzlich auf Twitter mit Konsequenzen, "wie sie wenige zuvor in der Geschichte erleiden mussten". In dem für Trump nicht unüblichen Zickzackkurs zeigte er sich allerdings kurz darauf zu Gesprächen mit der iranischen Führung bereit - ohne Vorbedingungen. Außenminister Mike Pompeo sah sich prompt genötigt, Trumps Aussage zu relativieren: Erst müsse die Regierung in Teheran ihr "bösartiges" Verhalten im Nahen Osten beenden. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Garrett Marquis, sagte: "Bis dahin wird die Schärfe der Sanktionen nur schmerzhafter werden."
Die Zeichen stehen also auf Eskalation. Ruhani hat mehrfach damit gedroht, bei einem US-Ölembargo die Straße von Hormus zu schließen und damit den internationalen Ölexport am Persischen Golf zu blockieren. Dann wäre womöglich auch ein militärischer Konflikt am Golf nicht mehr ausgeschlossen. Die Amerikaner sollten wissen, "dass Frieden mit dem Iran die Mutter aller Frieden ist", sagte Ruhani kürzlich. "Genauso wie ein Krieg die Mutter aller Kriege wäre." © dpa
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