Ein halbes Jahr vor den Europawahlen deutet sich ein Rechtsruck in Europa an. Die Fraktion ID, zu der die AfD sowie die Parteien von Marine Le Pen und Geert Wilders gehören, steigt in Umfragen auf ein Rekordhoch. Die Grünen würden dagegen ein Viertel ihrer Sitze verlieren.

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Bei den Europawahlen im Juni 2024 deutet sich ein Rechtsruck an. Das ist das Ergebnis von mehreren nationalen Umfragen, die von dem Portal "Europe Elects" zusammengefasst werden. Demnach würden die beiden rechten Fraktionen ID (Identität und Demokratie) und EKR (Europäische Konservative und Reformer) bei den Wahlen zusammen auf 23 Prozent kommen. Damit würden sie im Europaparlament 42 Sitze hinzugewinnen und kämen in Zukunft auf 169 der 720 Sitze.

Die ID, zu der auch die deutsche AfD gehört, gewinnt demnach allein 27 Sitze dazu (87) und würde die EKR als stärkste rechtsextreme Fraktion ablösen. Zur ID gehört neben der AfD auch der französische Rassemblement National von Marine Le Pen in Frankreich, der sich wie die AfD in einem Umfragehoch befindet. Auch die österreichische FPÖ sowie die in der Niederlande siegreiche PVV von Geert Wilders gehören dazu.

Die EKR besteht dagegen unter anderem aus Giorgia Melonis Fratelli d'Italia und der abgewählten polnischen PiS-Partei. Die ungarische Fidesz von Viktor Orban zählt zu den Fraktionslosen.

Grüne und Liberale verlieren Sitze trotz Parlamentsvergrößerung

Die Sozialdemokraten würden den Umfragen zufolge ihre 141 Sitze behalten, die EVP-Fraktion von Ursula von der Leyen müsste nur kleine Verluste (minus drei Sitze) hinnehmen. Stärker trifft es die Liberalen (minus zwölf Sitze) und die Grünen (minus 20 Sitze).

Diese Verluste wiegen umso schwerer, da das Parlament von 705 auf 720 Sitze vergrößert wird. Die zusätzlichen Sitze wurden mit dem Bevölkerungswachstum in manchen EU-Ländern begründet. Unbegrenzt darf das Parlament aber nicht anwachsen: Der Vertrag von Lissabon sieht eine Höchstzahl von 751 Sitzen vor.

Proeuropäische Koalition behält Mehrheit

Insgesamt würden die proeuropäischen Kräfte aber weiterhin die Mehrheit behalten. Eine Mehrheit aus Liberalen, Konservativen und Sozialdemokraten, wie sie bei Abstimmungen im EU-Parlament häufig gebildet wird, wäre weiterhin gegeben.

Mitglieder der ID-Fraktion wie Marine Le Pen oder Matteo Salvini hatten in der Vergangenheit einen Austritt aus der EU gefordert. Erst als sie merkten, dass diese Position nicht mehrheitsfähig ist, schwenkten sie in ihren öffentlichen Positionen um und fordern nun einen Umbau und weniger Kompetenzen für Brüssel zugunsten der nationalen Regierungen. Teile der ID, wie der Rechtsextremist Björn Höcke von der AfD, fordern aber weiter einen Austritt aus der EU.

Die EKR ist in dieser Frage moderater als die ID. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen EKR und ID ist die Haltung zur Ukraine. Während die EKR die Hilfen unterstützt, gelten viele in der ID als russlandnah und lehnen eine Unterstützung der Ukraine ab. In der Frage der Migrationspolitik fordern beide einen deutlich restriktiveren Kurs.

Wie verhält sich die EVP nach der Wahl?

Eine wichtige Frage wird das Verhalten der konservativen EVP-Fraktion nach den Europawahlen sein. Nach den Wahlen 2019 bildete die EVP (Europäische Volkspartei) gemeinsam mit den Liberalen und den Sozialdemokraten eine informelle Koalition, die meistens gemeinsam abstimmte und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterstützte.

EVP-Chef Manfred Weber testete aber bereits diesen Sommer andere Mehrheiten aus. Gemeinsam mit den rechten Parteien wollte er eine ambitioniertere Klimagesetzgebung verhindern. Das scheiterte, weil einige Abgeordnete aus der eigenen Fraktion ausscherten und das Gesetz gemeinsam mit den linken und moderaten Fraktionen durch das Parlament brachten.

Nach diesem gescheiterten Versuch gilt es als wahrscheinlich, dass die EVP auch nach den Europawahlen weiterhin mit den Sozialdemokraten und den Liberalen zusammenarbeitet. Zumal auch die wahrscheinliche Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen diese Mehrheiten bevorzugt.

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Verwendete Quellen

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