Rund 90 Jahre, nachdem die Hagia Sophia in ein Museum umgewandelt wurde, wird das historische Gebäude nun wieder eine Moschee. Die Umwidmung stieß in vielen Ländern auf Kritik und löste vor allem in Griechenland und Russland deutliche Reaktionen aus.

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Die Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul von einem Museum zu einer Moschee ist international auf Kritik gestoßen. Wegen ihrer großen Bedeutung für die Orthodoxie haben insbesondere Griechenland, Russland sowie die russische-orthodoxe Kirche heftig auf die Umwidmung reagiert.

Griechenland: Erdogan begeht "historischen Fehler"

Griechenland hat den Beschluss scharf verurteilt und mit Konsequenzen gedroht. Der türkische Präsident Erdogan habe damit einen "historischen Fehler begangen", erklärte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas.

Auf diese Beleidigung der christlichen Welt müsse es eine entsprechende Antwort geben. "Griechenland verurteilt dieses Verhalten Erdogans und wird alles, was es kann, tun, damit es Konsequenzen für die Türkei gibt", so der Athener Regierungssprecher. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis erklärte am Freitagabend, dass der Beschluss Erdogans Folgen für die Beziehungen der Türkei zur EU haben werde.

In der griechischen Presse waren am Samstag Schlagzeilen wie "Die Hagia Sophia ist Opfer des Größenwahns Erdogans geworden" (konservative Zeitung "Kathimerini") oder "Unsinn ohne Ende" (konservativen Zeitung "Eleftheros Typos") zu lesen.

Griechische Kommentatoren meinten, Erdogans Türkei entferne sich mit großer Geschwindigkeit vom Laizismus, der Trennung von Staat und Religion, und sei auf dem Weg der vollen Islamisierung.

Russland: Umwidmung der Hagia Sophia ist bedauerliche Entscheidung

Auch aus Russland kam deutliche Kritik. Diese Entscheidung sei bedauerlich, sagte Vize-Außenminister Alexander Gruschko der Agentur Interfax. Es gebe heute nicht mehr viele Symbole mit solch einer jahrhundertealten Geschichte, die auch Einfluss auf die Entwicklung der Menschheit gehabt hätten. Nicht zuletzt wegen ihrer historischen, kulturellen und interreligiösen Bedeutung gehöre die Hagia Sophia seit 1985 als Teil der Istanbuler Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe, sagte er.

Gruschko erwartet nun von der Türkei, das Gebäude zu schützen, zu erhalten und weiter öffentlich zugänglich zu lassen: "Ich hoffe sehr, dass alle Verpflichtungen (...) vollständig umgesetzt werden."

Zuvor hatte bereits die russisch-orthodoxe Kirche die Umwandlung in eine Moschee kritisiert. Das sei ein Schlag gegen die Orthodoxie, sagte Metropolit Ilarion vom Moskauer Patriarchat im russischen Staatsfernsehen.

"Für alle orthodoxen Christen auf der Welt ist die Hagia Sophia ein wichtiges Symbol, wie der Petersdom in Rom für die Katholiken." Die Umwidmung werde die Beziehung der Türkei zur christlichen Welt beeinflussen, ist der Geistliche überzeugt.

USA "enttäuscht" von Entscheidung der türkischen Regierung

Die US-Regierung hat angesichts der Umwidmung der Hagia Sophia in Istanbul ihr Bedauern zum Ausdruck gebracht. "Wir sind enttäuscht von der Entscheidung der Regierung der Türkei, den Status der Hagia Sophia zu ändern", hieß es am Freitag auf Anfrage in einer Erklärung der Sprecherin des Außenministeriums in Washington, Morgan Ortagus. Ortagus machte deutlich, dass die USA von der Türkei erwarten, dass die Weltkulturerbestätte weiterhin für alle Besucher zugänglich bleibt.

Die Unesco teilte mit, man habe die Umwandlung "zutiefst bedauert". Generalsekretärin Audrey Azoulay habe gegenüber dem türkischen Botschafter am Freitagabend ihre tiefe Besorgnis zum Ausdruck gebracht, teilte die Unesco mit. Die Entscheidung für die Umwandlung sei ohne vorigen Dialog getroffen worden.

Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich besorgt über den Beschluss in Istanbul geäußert. Die 1934 erfolgte Umwidmung in ein Museum habe seinerzeit zu einer bis heute tragfähigen Befriedung geführt, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp der dpa. "Der Beschluss des Gerichts und die aktuelle Verlautbarung des türkischen Präsidenten bergen demgegenüber die Gefahr in sich, dass die Hagia Sophia künftig wieder als Symbol religiösen 'Raumgewinns' gedeutet werden könnte", gab Kopp zu bedenken. "Wir werben deshalb für eine politische Entscheidung, die die Einheit des Landes und das Gefühl der Zusammengehörigkeit von Muslimen und Christen stärkt, statt Bitterkeit zu schüren und Fliehkräfte zu begünstigen."

Hagia Sophia war einst Hauptkirche des Byzantinischen Reiches

Am Freitag hatte das Oberste Verwaltungsgericht der Türkei den Status der einstigen Kirche als Museum aberkannt. Kurz danach ordnete Präsident Recep Tayyip Erdogan an, das Gebäude für das islamische Gebet zu öffnen.

Die Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit) wurde im 6. Jahrhundert nach Christus erbaut und war Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, in der die Kaiser gekrönt wurden. Nach der Eroberung des damaligen Konstantinopels durch die Osmanen im Jahr 1453 wandelte Sultan Mehmet II. die Hagia Sophia in eine Moschee um und ließ als äußeres Kennzeichen vier Minarette anfügen.

Auf Betreiben des türkischen Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk ordnete der Ministerrat im Jahr 1934 die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum an. (jwo/dpa)

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