Beate Zschäpe ist des Mordes schuldig: Nach mehr als fünf Jahren ist der NSU-Prozess zu Ende gegangen. Auch für ihre Mitangeklagten setzt es Haftstrafen. Die Reaktionen auf die Urteile fallen gemischt aus.

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Mehr als fünf Jahre hat es gedauert, bis im NSU-Prozess ein Urteil fiel. Beate Zschäpe und ihre Mitangeklagten wurden am Mittwoch zu Haftstrafen verurteilt - Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer kündigte umgehend Revision an.

Das sagen die Anwälte

"Die Verurteilung Frau Zschäpes wegen Mittäterschaft an den von Böhnhardt und Mundlos begangenen Morden und Raubstraftaten ist nicht tragfähig begründbar", teilte Heer in einer Verhandlungspause mit.

Nach Ansicht von Zschäpes Verteidigerin Anja Sturm war das Urteil gegen ihre Mandantin beschlossene Sache. Der Vorsitzende Richter habe bei der Verkündung den Eindruck vermittelt, dass "das Urteil seit sehr langer Zeit feststand". Die Begründung bezeichnete Sturm als "ausgesprochen dünn".

Auch die Nebenkläger prüfen eine Revision. Die Urteile gegen die NSU-Helfer Ralf Wohlleben und André E. seien "nach unserem Dafürhalten sehr, sehr milde", sagte Anwalt Mehmet Daimagüler.

Zudem seien wichtige Fragen zum "Nationalsozialistischen Untergrund" weiter offen, betonte Daimagüler.

Unklar sei weiterhin, wie groß die Terrorgruppe NSU gewesen und immer noch sei sowie welche Rolle die Verfassungsschutzbehörden spielten.

"Ich habe eine gemischte Gefühlslage zwischen Erleichterung, dass wir endlich durch sind, und Enttäuschung, weil eben die wichtigen zentralen Fragen hier nicht beantwortet wurden."

Stimmen aus der Politik

Bundesaußenminister Heiko Maas twitterte, gegen Intoleranz und Hass brauche es "die Vielfalt unserer offenen Gesellschaften. Was die Täter angerichtet haben, ist durch nichts wiedergutzumachen. Die Opfer bleiben unvergessen." Dazu setzte der SPD-Politiker den Hashtag #keinSchlusstrich.

Vizekanzler Olaf Scholz von der SPD fand auf Twitter ebenfalls deutliche Worte zum Ende des NSU-Prozesses: "Mit der Verurteilung Beate Zschäpes geht der #NSU-Prozess zu Ende. Was bleibt, ist das Entsetzen über die Morde und über das Unvermögen unseres Staates, diese Terroristen zu stoppen."

Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte, sein Respekt gelte "der Kraft der Angehörigen der ermordeten Opfer und den zum Teil schwerverletzten Überlebenden des NSU". Nach Jahren der Ungewissheit seien sie bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Vorfälle "mit den Details der menschenverachtenden Taten konfrontiert".

Der CSU-Chef sieht die Arbeit der Justiz als abgeschlossen. Das Urteil könne jedoch "den Schmerz der Angehörigen und das Leid der überlebenden Opfer nicht lindern".

Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat sich das Vorgehen des Staates gegen den Rechtsextremismus nach den Behördenpannen der Vergangenheit entscheidend verbessert. "Dass der NSU über Jahre hinweg unbehelligt schwerste Straftaten verüben konnte, ist für uns Mahnung und Auftrag zugleich, dass sich solche Taten nie wieder wiederholen dürfen", sagte er.

Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, sieht insbesondere die Rolle des Verfassungsschutzes in der Causa NSU ungeklärt.

"Der Verfassungsschutz hat die Aufklärung behindert und nicht dazu beigetragen", kritisierte Hofreiter. "Der Verfassungsschutz hat massenhaft Akten geschreddert. Der Verfassungsschutz hat in allen Untersuchungsausschüssen gemauert."

Auch die Linke fordert weitere Aufklärung. "Mit dem Urteil im NSU-Prozess ist der Komplex nicht aufgeklärt. Vieles spricht dafür, dass der NSU aus mehr als drei Neonazis bestand", schrieb die Partei am Mittwoch auf Twitter.

Verfassungsschützern warf sie vor, die Aufklärung verhindert zu haben. "Die Angehörigen haben ein Recht auf die Wahrheit. Kein Schlussstrich", hieß es weiter.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte: "Mit dem Urteil über Frau Zschäpe hat einer der wichtigsten Prozesse der deutschen Nachkriegsgeschichte ein juristisches Ende gefunden. Dennoch vermag sich keine Erleichterung einzustellen."

Die Linken-Abgeordnete Martina Renner zog unterdessen ein "bitteres Resümee": Weder seien die Taten aufgeklärt, noch sei die Schuld der Behörden aufgearbeitet, schrieb sie auf Twitter.

Das Urteil sei "ein Schlag ins Gesicht" für die Opferfamilien.

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Stephan Thomae, begrüßte das Urteil und forderte gleichzeitig eine Reform der Sicherheitsbehörden. "Das Urteil ist das wichtige Signal an die Opfer und Hinterbliebenen, dass der deutsche Rechtsstaat funktioniert. Doch die Aufarbeitung der unfassbaren rassistischen Verbrechen des NSU darf damit nicht abgeschlossen sein."

Kritik aus der Türkei

"Wir können sagen, dass dieses Gericht Schwächen gezeigt hat", sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavosoglu dem türkischen Staatssender TRT.

"Obwohl diese Angeklagten zugegeben haben, Unterstützung speziell vom Geheimdienst und vom Staat im Staate erhalten zu haben, wurde nicht aufgeklärt, wer diese Personen oder Institutionen sind." Es sei eine Tatsache, dass die "wahren Schuldigen (...) nicht entlarvt wurden", sagte Cavosoglu.

Zentralrat der Muslime enttäuscht

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) kritisierte die Aufklärung des NSU-Terrors als unzureichend und forderte weitere Gerichtsverfahren.

Der NSU-Prozess habe die Beteiligung weiterer Helfer des "Nationalsozialistischen Untergrunds" und die Verwicklung von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden nicht ausreichend aufklären können.

"Dies aber hätte in diesem seit einem halben Jahrzehnt laufenden Prozess zumindest ansatzweise geschehen müssen", teilte der ZMD mit. Dieses Versäumnis sei "eine große Belastung für die Familienangehörigen der Opfer und den gesellschaftlichen Frieden in Deutschland".

Ähnlich lautet die Kritik von Charlotte Knobloch. Sie sei zwar mit den Urteilen zufrieden, diese könnten jedoch kein Schlussstrich unter die Mordserie der rechtsextremen Terrorgruppe sein, erklärte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

Türkische Gemeinde: Merkels Versprechen "wurde gebrochen"

Auch die türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) forderte weitere Strafverfahren gegen "das Unterstützernetzwerk des NSU".

Der TGD-Vorsitzende Gökay Sofuoglu sagte am Mittwoch: Bundeskanzlerin "Angela Merkel und viele andere haben den Opfern eine lückenlose Aufklärung versprochen. Dieses Versprechen wurde gebrochen."

Das Oberlandesgericht München hatte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe am Mittwochmorgen wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der "Nationalsozialistische Untergrund" war 2011 aufgeflogen. Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt.

In dieser Zeit ermordete der NSU neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. (ank/dpa)

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