Bestsellerautor, Finanzinvestor, ultrarechter US-Senator: J.D. Vance, der Trump einst als "Amerikas Hitler" bezeichnete, wurde auf dem Parteitag der Republikaner zum Kandidaten für die Vize-Präsidentschaft ernannt. Was steckt hinter dieser Wahl?
Lange wurde spekuliert, nun ist die Entscheidung gefallen:
Präsidentschaftskandidaten wollen mit ihren "running mates" eine politische Botschaft senden, oft auch eigene Schwächen ausgleichen oder zusätzliche Wählergruppen ansprechen. So bestimmte
Die Bedeutung der "running mates"
Trumps Entscheidung für Vance ist also mehr als nur Symbolik. Sie verrät etwas über die Prioritäten des Wahlkampfes, auch über das Selbstbild. Zunächst aber: Wer überhaupt ist J.D. Vance?
Bekannt wurde Vance 2016 mit seinem Buch "Hillbilly Elegy", das lange Zeit auf der Bestsellerliste stand. Vance beschreibt darin sein Aufwachsen in Armut, zwischen Ohio und Kentucky. Es geht um die Folgen der Deindustrialisierung, Drogensucht und häusliche Gewalt – Probleme, die Vance vor allem innerhalb "der Familie, des Glaubens und der Kultur" verortet. Die Unterschicht ist arm dran, so seine Botschaft, aber zu großen Teilen auch selber schuld.
Wer es wirklich nach oben schaffen will, schaffe es durch Fleiß und Disziplin. Vance habe es mit seiner Karriere zum Finanzinvestor und Multimillionär ja selbst vorgemacht.
Vance stieg durch den Erfolg des Buches, das später für Netflix verfilmt wurde, zum gefragten Kommentator bei großen Medien wie The New York Times und CNN auf. Für das damals frische Phänomen Trump gab er eine simplifizierende Erklärung: die weiße Arbeiterklasse wehrt sich. Zu dieser Zeit inszenierte sich Vance noch als scharfer Kritiker von Trump, nannte ihn "Amerikas Hitler" und als "kulturelles Heroin". Doch diese Zeiten sind längst vorbei.
Eine radikale Wandlung
Vance hat in den vergangenen Jahren eine opportunistische Wandlung hingelegt: vom "Never Trumper", wie er sich selbst nannte, zu dessen extremen Unterstützer. Als Vance, inzwischen eindeutig rechtsradikal positioniert, 2022 für den US-Senat kandidierte, machte Trump mit ihm zusammen Wahlkampf. So wurden sie Verbündete, politisch vereint um das nationalistische Projekt "Make America Great Again" (MAGA).
Wie Trump hetzt Vance gegen Immigranten und andere Minderheiten, setzt sich gegen Abtreibungsrechte ein, verbreitete Verschwörungstheorien und dämonisiert liberalen Medien und demokratische Institutionen.
Zur Strategie der US-Rechten sagte Vance vor ein paar Jahren: "Jeden einzelnen Beamten des Staates rausschmeißen, durch unsere Leute ersetzen". Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 kommentierte er: "Es ist mir egal, was mit der Ukraine passiert, so oder so." Wäre er bereits 2020 Vizepräsident gewesen, so sagte es Vance in einem Interview, hätte er das Wahlergebnis wegen der angeblich "gestohlenen Wahl" nicht zertifiziert.
Als Trump am vergangenen Wochenende bei einer Wahlkampfveranstaltung angeschossen wurde, machte Vance den US-Präsidenten Joe Biden ohne jeglichen Beweis dafür verantwortlich. Seine reaktionären, chauvinistischen, zum Teil anti-demokratischen Haltungen versteckt Vance also kaum.
Kein Ausgleich, sondern Kopie
Vance ist MAGA pur. Das dürfte auch der Hauptgrund sein, warum Trump ihn nun zum Vize bestimmt hat. Trump verspricht sich einen bedingungslos-loyalen Mitkämpfer, der bei Wahlkampfterminen die Zuschauer agitiert und vor allem jüngere Wähler und Arbeiter anspricht. Neben dem biografischen Hintergrund ist das Alter der größte Unterschied zwischen den beiden.
Doch Vance ist kein Ausgleich zu Trump, sondern in erster Linie eine Kopie. Die beiden operieren mit den gleichen Erzählungen, finden die gleichen Sündenböcke. Mit der Wahl von Vance demonstriert Trump, der auf einer Welle der guten Umfragen reitet und von Bidens schwachen Auftritten profitiert, sein Selbstvertrauen für November: Ich brauche niemanden, der mich ausgleicht. Trumpismus reicht.
Trump wird sich auch deshalb für Vance entschieden haben, weil dieser gute Verbindungen ins Silicon Valley pflegt und damit an wertvollen Geldquellen sitzt. Nach seinem Abschluss 2013 an der elitären Yale University und einer kurzen Anstellung bei einer Anwaltsfirma arbeitete Vance für Peter Thiel, den PayPal-Gründer, Facebook-Investor und langjährigen Chairman des Überwachungsunternehmens Palantir.
Als Vance 2021 seine Kandidatur für den US-Senat bekannt gab, steuerte Thiel wiederum zehn Millionen US-Dollar bei. Ohne dieses Geld hätte die Kampagne kaum eine Chance gehabt.
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Ein strategischer Fehler?
Auch bei Elon Musk, dem Gründer des Autoherstellers Tesla, Chef der digitalen Plattform X, Raumfahrtunternehmer und reichsten Menschen der Welt, kommt Vance gut an. Musk bezeichnete Trumps Entscheidung pro Vance als "exzellent". Laut Wall Street Journal will Musk 45 Millionen Dollar pro Monat (!) für die Trump-Kampagne spenden.
Das politische Momentum spricht derzeit für die Republikaner. Schaut man auf die Umfragen, zeigen sich allerdings auch Schwächen. Trump kommt bei Frauen schlechter an als bei Männern, bei Schwarzen, Hispanics und anderen People of Color schlechter als bei Weißen. Ob Vance der Richtige ist, um bei diesen Bevölkerungsgruppen aufzuholen, muss bezweifelt werden. Aus strategischer Sicht könnte Trump hier einen Fehler gemacht haben.
Innerhalb des republikanischen Kosmos wird Vance indes schon als möglicher Nachfolger von Trump Richtung 2028 gehandelt. Viele glauben, dass er irgendwann an der Spitze der Republikanischen Partei landen könnte.
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