Die demokratischen Kongress-Mitglieder wollen US-Präsident Donald Trump mit einem Amtsenthebungsverfahren zu Fall bringen. Politikwissenschaftler Thomas Jäger schätzt die Lage ein und sagt, die Chancen auf einen Erfolg seien äußerst gering.

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Amtsmissbrauch oder Hexenjagd? Die Deutungen der laufenden Kongress-Anhörungen zum möglichen Fehlverhalten von US-Präsident Donald Trump gegenüber seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj gehen weit auseinander.

Die Demokraten werfen Trump vor, er habe von Selenskyj Ermittlungen gegen seinen möglichen Gegenkandidaten bei der Wahl 2020, Joe Biden, gefordert. Als Druckmittel habe der Präsident fast 400 Millionen Dollar an Militärhilfe zurückgehalten.

Politikwissenschaftler schätzt Erfolgsaussichten ein

Politikwissenschaftler Thomas Jäger erklärt, warum die Republikaner weiter eisern zu Trump stehen, welche alternative Erzählung ihnen der US-Präsident in der Ukraine-Frage anbietet und wie seine Chancen auf eine zweite Amtszeit stehen.

Herr Jäger, wie kommt das Impeachment-Prozedere bei der Basis der Republikaner an?

Thomas Jäger: Das kommt überhaupt nicht an. 90 Prozent der republikanischen Wähler halten das - wie Trump es formuliert hat - für eine Hexenjagd, für ein politisch motiviertes Vorgehen. Trumps Wählerschaft steht im Verlauf der Anhörungen vor dem Kongress fest hinter ihm.

Wie lässt sich diese Treue begründen?

Trump bietet eine alternative Erzählung an, die auf drei Argumenten basiert. Die Demokraten behaupten ja, es habe ein sogenanntes Quid pro quo in der Ukraine gegeben, also eine Leistung für eine Gegenleistung.

Die Leistung, mit deren Zurückhaltung Trump gedroht haben soll, die 391 Millionen Dollar Militärhilfe, wurde inzwischen freigegeben. Die Republikaner fragen: Wo ist die Gegenleistung? Gibt es denn eine Ankündigung, dass gegen Joe Biden und seinen Sohn Hunter wegen Korruption ermittelt wird? Nein, die gibt es nicht.

Das zweite Argument: Der ukrainische Präsident Selenski behauptet ja gar nicht von Trump unter Druck gesetzt worden zu sein. Und das dritte Argument Trumps ist, dass alle, die bisher vor dem Kongress ausgesagt haben - mit Ausnahme von EU-Botschafter Gordon Sondland - Karrierebeamte sind. Das ist aus seiner Sicht der Deep State, das ist die Bürokratie, die gemeinsam mit dem Establishment versucht, ihn zu entmachten.

Werden sich die Republikaner doch noch überzeugen lassen, dass das Impeachment-Verfahren richtig ist?

Die Wahrscheinlichkeit liegt bei null Prozent. Die Demokraten werden die Anhörungen jetzt schnell beenden, damit ihnen das im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2020 nicht zeitlich aus dem Ruder läuft.

Nur: Die großen Fische wie der designierte Staabschef Mick Mulvaney, Außenminister Mike Pompeo oder Vizepräsident Mike Pence wollen nicht aussagen oder wurden gar nicht vorgeladen. Es sind also noch viele Fragen offen. Vor diesem Hintergrund lassen sich Trumps Wähler und die republikanischen Kongressmitglieder ganz sicher nicht überzeugen, dass der Präsident gegen Gesetze verstoßen hat.

Den Republikanern geht es um ihre Jobs, nicht um Trump

Halten die Republikaner im Kongress tatsächlich fest zu Trump oder haben sie nur Angst, nicht wiedergewählt zu werden, wenn sie sich gegen den Präsidenten wenden?

Da gibt es drei Gruppen. Etwa 50 Prozent der Kongressmitglieder stehen tatsächlich geschlossen hinter ihm. Eine zweite Gruppe hat einfach Angst, sich gegen Trump zu stellen, weil es dann bei der nächsten Wahl einen von Trump gestützten parteiinternen Gegenkandidaten geben könnte, der ihnen ihren Job wegnimmt.

Die dritte Gruppe – die macht höchstens zehn Prozent aus – spielt tatsächlich mit dem Gedanken, das Impeachment ernst zu nehmen, etwa die Senatoren Susan Collins oder Mitt Romney. Aber für sie ist einfach zu wenig Fleisch an diesen Vorwürfen.

Was müsste passieren, dass sich selbst hartgesottene Trump-Fans von ihm abwenden?

Das wäre vielleicht möglich gewesen, wenn die Demokraten die drei Argumente von Trumps alternativer Ukraine-Erzählung, die ich genannt habe, ausgehebelt hätten. Das ist nicht gelungen. Und das wird ohne die ganz hochrangigen Zeugen auch nicht geschehen.

Aber wer weiß, was bei den Befragungen noch alles ans Licht kommt. Wenn die Demokraten tief genug graben, findet sich vielleicht noch etwas, um auch bei den Republikanern moralische Empörung gegen Trump auszulösen.

Wird der Präsident seine Amtszeit überstehen?

Ja. Nach heutigem Stand wird er diese Amtszeit zu Ende bringen und angesichts der möglichen Gegenkandidaten auch seine zweite antreten.

Prof. Dr. Thomas Jäger ist seit 1999 Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in internationalen Beziehungen sowie amerikanischer und deutscher Außenpolitik.
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