Einem US-Medienbericht zufolge will Donald Trump die Zählweise von COVID-19-Sterbefällen in den USA ändern. Die Todeszahlen sollen so verringert werden – die tatsächliche Statistik sieht hingegen wohl noch viel dramatischer aus.

Mehr zu den USA unter Donald Trump hier

Eine wirkliche Trendwende in der Corona-Pandemie ist in den Vereinigten Staaten weiter nicht erkennbar. Am Donnerstag starben erneut über 1.700 US-Bürger an COVID-19. Die USA sind mit großem Abstand das Land mit den meisten Corona-Sterbefällen weltweit: 86.942 Infizierte starben dort bisher.

Donald Trump will nun die Todesrate senken. Allerdings nicht mit strikteren Maßnahmen, größeren Zuschüssen für das Gesundheitssystem oder mehr und gezielteren Tests. Der US-Präsident will schlicht die Zählweise ändern, wie die US-Nachrichtenseite "The Daily Beast" unter Berufung auf fünf Verwaltungsbeamte berichtet, die im Corona-Krisenstab der Regierung arbeiten.

Demzufolge würden Trump und Mitglieder des Stabs Druck auf die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), quasi das US-Pendant zum deutschen Robert-Koch-Institut (RKI), ausüben, die Zahlen herunterzurechnen. Die CDC sollen sogar dazu gedrängt werden, rückwirkend weniger Todesfälle auszweisen.

Trump soll sich laut der US-Nachrichtenseite "Axios" bereits seit Längerem bei seinen Beratern über die Art und Weise beschwert haben, wie die Corona-Todesfälle berechnet werden. Die tatsächlichen Zahlen seien in Wirklichkeit niedriger.

Der US-Präsident braucht Argumente für seine lockere Handhabung der Krise. Und nicht zuletzt hat er die Wahl im November im Blick, bei der er um eine zweite Amtszeit kämpft. Trump verspricht, das Land zurück in eine gute wirtschaftliche Lage zu steuern. Strike Maßnahmen stören da.

Wie die Zahlen geändert werden sollen

Doch wie sollen die Zahlen geändert werden? In den USA werden alle Menschen, die nachweislich mit dem Coronavirus infiziert sind und im Krankenhaus sterben, als COVID-19-Tote gezählt. Dazu kommen jene, bei denen sowohl Symptome als auch Krankheitsverlauf und Todesursache nachweislich auf eine Infektion mit dem Virus hinweisen – ohne, dass ein bestätigter Labortest vorliegt.

Die Koordinatorin des Coronavirus-Krisenstabs, Deborah Birx, drängt laut "The Daily Beast" CDC-Mitarbeiter nun dazu, letztere Personengruppe von der Zählung der Corona-Toten auszuschließen. Außen vorgelassen sollen auf Wunsch von Trumps Corona-Beratergruppe auch positiv Getestete, die aber möglicherweise nicht in direkter Folge von COVID-19 gestorben sind.

Aus Sicht der CDC selbst werden aber gar nicht zu viele Fälle erfasst – im Gegenteil. "Ich mache mir keine Sorgen über überschätzte Zahlen", sagte Bob Anderson, der Leiter der CDC-Abteilung für Sterblichkeitsstatistik, "The Daily Beast". "Wir unterschätzen mit ziemlicher Sicherheit die Zahl der Todesfälle."

"Mit" oder "an" dem Coronavirus gestorben?

In den USA wie auch in Deutschland diskutieren Skeptiker, ob zwischen COVID-19-Erkrankten unterschieden werden sollte, die "mit" oder "an" dem Coronavirus gestorben sind. Der Unterschied lässt sich in der Praxis allerdings gar nicht zuverlässig festlegen und ist – gerade mit Blick auf die Gesamtstatistik – vernachlässigbar, wie folgende Fakten zeigen:

  • SARS-CoV-2 befällt laut einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) neben der Lunge auch zahlreiche andere Organe. Besonders stark schadet der Erreger die Nieren. "SARS-CoV-2, das neuartige Coronavirus, ist nicht nur ein Lungenvirus, sondern ein Multiorganvirus", sagte der Leiter der Studie, Tobias Huber, am Donnerstag. Das hätten Untersuchungen von 27 verstorbenen COVID-19-Patienten gezeigt.
  • Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in Berlin, dort sind bislang mindestens elf COVID-19-Tote obduziert worden. Als Todesursachen wurden in einer ebenfalls am Donnerstag veröffentlichten Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit auf eine parlamentarische Anfrage am häufigsten angegeben: Blutvergiftung bei Lungenentzündungen (vier Fälle), Lungenversagen (drei Fälle) und Herzversagen (zwei Fälle). In allen elf Fällen habe das Pathologie-Institut der Charité festgestellt, dass die Todesursachen "kausal durch COVID-19 bedingt" gewesen seien.
  • Dazu kommt: Trotz des hohen Alters vieler Corona-Toten hätten diese ohne Virusinfektion im Mittel noch neun Jahre länger gelebt, wie eine Analyse des NDR auf Basis von 6.115 verstorbenen Corona-Patienten in Deutschland zeigt.

US-Todeszahlen erheblich unterschätzt

Zurück zu den USA: Gerade in den Anfangszeiten waren Tests dort Mangelware, nach wie vor sind die Testkapazitäten im weltweiten Vergleich nur durchschnittlich. Einige der am weitesten verbreiteten Tests weisen zudem ziemlich hohe Falsch-negativ-Raten auf. (Wie Corona-Tests grundsätzlich funktionieren, lesen Sie hier.)

Zahlreiche US-Experten gehen auch deshalb davon aus, dass die Todeszahlen in den USA bisher sogar erheblich unterschätzt wurden. So betonte etwa Trumps führender Corona-Berater Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, am Dienstag bei einer Anhörung zur Pandemie im Senat: "Die meisten von uns sind der Meinung, dass die Zahl der Todesfälle wahrscheinlich höher ist."

Dies liege daran, dass viele Menschen vor allem im besonders hart getroffenen New York gestorben seien, bevor sie ins Krankenhaus gebracht werden konnten.

5.000 zusätzliche Corona-Todesopfer in New York

Darauf deuten auch erhebliche Übersterblichkeiten hin, also die Abweichung von der angenommenen Totenzahl während des gleichen Zeitraums in einem normalen Jahr.

Eine am Montag veröffentlichte Untersuchung der New Yorker Gesundheitsbehörde für den Zeitraum vom 11. März bis 2. Mai vermutet mehr als 5.000 zusätzliche Corona-Todesopfer in der Großstadt. Die am Montag veröffentlichte Studie deutet auf dann insgesamt etwa 25.000 Todesopfer in New York hin.

Die Nicht-Erfassung dieser mutmaßlichen Corona-Todesopfer könnte den Experten zufolge unter anderem an Erkrankten liegen, die falsch negativ getestet wurden, außerhalb ärztlicher Kontrolle starben oder deren Tod bislang nicht mit COVID-19 in Verbindung gebracht wurde.

Bezüglich der hohen Todesraten in der Millionenmetropole machte Trump bereits einen unkonventionellen Vorschlag: "Wenn man New York aus der Gleichung herausnehmen würde, hätten wir wirklich eine niedrige Sterblichkeitsrate."

Was nicht passt, wird passend gemacht.

Verwendete Quellen:

  • mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • The Daily Beast: "Team Trump Pushes CDC to Revise Down Its COVID Death Counts"
  • Axios: "Trump and some top aides question accuracy of virus death toll"
  • VOX: "Fauci’s Senate testimony debunked a number of Trump’s favorite coronavirus lies"
  • Tagesschau: "Neun Lebensjahre verloren"
  • BR: "#Faktenfuchs: Wie werden Corona-Todesfälle gezählt?"
  • Chicago Tribune: "Fact check: Trump not even remotely true on coronavirus death toll, testing"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.