"Destruktive Akteure aus dem In- und Ausland arbeiten aktiv an einer Destabilisierung unserer Demokratie und unseres Staates", sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Montag in Berlin.
Erhöhte Anschlagsgefahr und steigender Antisemitismus wegen des Nahost-Konflikts, zudem mutmaßlich von Russland aus gesteuerte Sabotagepläne: Internationale Krisen haben nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutzes (BfV) vom Montag die Sicherheitslage in Deutschland deutlich verschärft.
"Mehr denn je sehen wir transnationale Bezüge in allen Arbeitsfeldern des BfV", betonte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang anlässlich eines Symposiums seiner Behörde zu den Auswirkungen internationaler Krisen auf die Sicherheitslage. "Destruktive Akteure aus dem In- und Ausland arbeiten aktiv an einer Destabilisierung unserer Demokratie und unseres Staates. Dabei bedienen sie sich aller Mittel: Spionage und Cyberangriffe, Einflussnahme und Desinformation, Proliferation und Sabotage sowie Staatsterrorismus."
Internationale Krisen wirkten sich in Deutschland unmittelbar aus, betonte Haldenwang in der ARD. "Wir haben eine Dichte an Vorfällen aus den unterschiedlichen Bearbeitungsbereichen meines Hauses, wie wir sie seit vielen Jahren, vielleicht in der Geschichte dieses Amtes noch nie wahrgenommen haben."
Minderjährige radikalisieren sich auf Tiktok
Im Fall des Nahost-Konflikts sei "die latente Gefahr von islamistisch motivierten Anschlägen" gestiegen, sagte Haldenwang bei dem Symposium. Besorgt zeigte er sich wegen der "Gefahr durch hoch emotionalisierte Personen", die infolge der Ereignisse in Nahost zu Anschlägen etwa gegen jüdische Einrichtungen gebracht werden könnten. Es sei "erschreckend", in welch schneller Folge in Europa hier Anschlagspläne aufgedeckt würden.
Die möglichen Täter würden dabei immer jünger, Minderjährige würden über soziale Netzwerke wie Tiktok radikalisiert, sagte der BfV-Präsident. Er schätzte, dass es schon "bei der Hälfte der Fälle" um sehr junge Menschen gehe. Ausgewählt würden oft "weiche Ziele", also leicht zugängliche Orte, fügte der Verfassungsschutz-Präsident hinzu. Er nannte als Beispiele Täter, die mit Autos in Menschenmengen fahren wollten oder in der Bahn Messerattacken verübten.
Gleichzeitig fänden sich vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts ganz unterschiedliche Gruppen zusammen, die bislang nicht kooperiert hätten. "Da ist auf einmal Hamas und Hisbollah auf einer Linie mit IS oder mit Al-Kaida", sagte der Verfassungsschutzchef. Aber auch säkulare Gruppen etwa aus dem türkischen Links- oder Rechtsextremismus sowie deutsche Linksextremisten teilten Anti-Israel-Propaganda.
Haldenwang: Russland nimmt "keinerlei Rücksichten"
Seine Behörde bewerte zudem das "Risiko staatlich gesteuerter Sabotagehandlungen als deutlich erhöht", sagte Haldenwang. Russland scheine "keinerlei Rücksichten" zu nehmen und könne je nach Kriegsverlauf in der Ukraine auch mit Sabotageakten in Deutschland reagieren.
Der Verfassungsschutz-Präsident verwies dabei auf die Festnahmen in der vergangenen Woche in Bayern. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sollen zwei Deutschrussen potenzielle Anschlagsziele ausgekundschaftet haben, um Sabotageakte gegen die von Deutschland aus geleistete militärische Unterstützung für die Ukraine zu verüben.
Mit Blick auf die Europawahl und die Landtagswahlen im September sei zudem "nicht auszuschließen, dass insbesondere Russland Einflussoperationen ausführen wird", sagte Haldenwang weiter. Ziel sei es dabei, die Spaltung der Gesellschaft zu fördern und Kräfte am rechten Rand zu stärken.
Insbesondere mit Blick auf die Finanzierung von Rechtsextremisten und der neuen Rechten forderte Haldenwang mehr Befugnisse für seine Behörde bei Finanzermittlungen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat hierzu eine Gesetzesänderung angekündigt. Haldenwang zeigte sich zuversichtlich, dass diese in absehbarer Zeit beschlossen wird. (afp/jos)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.