In Beliebtheitsumfragen kommt Olaf Scholz schon seit langen nicht besonders gut weg. Das hatte man Medienberichten zufolge wohl auch in der SPD-Spitze erkannt – und dem Kanzler nach dem Ampel-Aus den Verzicht auf eine neue Kandidatur nahegelegt.

Bundestagswahl

Wochenlang blieb bei der SPD die Kanzler-Frage nach dem Ampel-Aus ungeklärt. Erst Ende November legte sich das Führungsgremium der Partei fest: Olaf Scholz wird die SPD auch bei der anstehenden Wahl als Kanzlerkandidat anführen.

Zuvor hatte man in der Partei versucht, Einigkeit in der Frage zu demonstrieren. So betonte SPD-Generalsekretär Mathias Miersch noch wenige Tage vor der Nominierung von Scholz im Gespräch mit unserer Redaktion: "Olaf Scholz ist Bundeskanzler und wird auch wieder Kanzlerkandidat der SPD werden."

Doch Medienberichten zufolge, soll der Rückhalt von Scholz innerhalb der SPD-Führung nach dem Burch der Koalition nicht so stark gewesen sein, wie es die Partei versuchte darzustellen. Wie der "Tagesspiegel" und "T-Online" berichten, soll SPD-Chef Lars Klingbeil Scholz mehrfach einen Verzicht auf die Kanzlerkandidatur nahegelegt haben.

Demnach hätten Klingbeil, dessen Co-Vorsitzende Saskia Esken und Generalsekretär Miersch nicht daran geglaubt, dass die vorgezogene Bundestagswahl mit Scholz als SPD-Spitzenkandidat zu gewinnen sei. "Tagesspiegel" und "T-Online" berufen sich bei ihren Recherchen auf nicht näher genannte Quellen aus der SPD, sowie Informationen aus der Parteiführung und Quellen aus dem Umfeld der Sozialdemokraten.

Scholz zum Rückzug aufgefordert? Dementi aus der SPD

Indem Klingbeil Scholz den Verzicht auf die Kandidatur angetragen habe, habe er "den Bedenken der engeren SPD-Führung sowie mächtiger SPD-Landesverbände" Rechnung getragen, "die intern für eine Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius als beliebtestem deutschen Politiker plädierten", heißt es in den Berichten. Laut T-Online hätten zu diesen Stimmen unter anderem auch die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Achim Post und Dirk Wiese gehört.

Scholz habe allerdings auf seinen Anspruch auf die Kanzlerkandidatur beharrt. Die Entscheidung für ihn als Kanzlerkandidaten sei schließlich bei einer Krisensitzung am 19. Dezember gefallen. Bei dieser hätte die engste Parteiführung auch offen über die Kritik an Scholz, der bei dem Termin nicht anwesend gewesen sei, gesprochen und letztendlich mehrheitlich für dessen Kandidatur gestimmt.

Die Partei selbst widersprach den Berichten. "Ich dementierte die Meldung. Die Darstellung ist falsch", so eine Sprecherin von Klingbeil, ohne konkreter zu werden. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung dementierte auch Miersch die Berichte, ohne ins Detail zu gehen.

SPD ließ Kanzler-Debatte lange schwelen

Die Ampel-Koalition war am 6. November zerbrochen. Die SPD-Führung hatte darauf verzichtet, Scholz sofort als Kanzlerkandidaten zu nominieren. Das Ergebnis dieser Entscheidung war eine wochenlange Diskussion in der Partei, ob man nicht lieber mit Verteidigungsminister Boris Pistorius, der in Umfragen deutlich höhere Beliebtheitswerte erzielt, in den Wahlkampf gehen solle.

Juso-Chef Philipp Türmer hatte die SPD-Spitze damals dafür kritisiert, die Debatte über die K-Frage so lange schwelen zu lassen. Die sich in die Länge ziehende Debatte bezeichnete er als "Shit Show", die die ohnehin schon schwierige Ausgangslage der SPD für die Bundestagswahl noch verschlechtert habe.

Am 25. November – 19 Tage nach dem Bruch der Ampel – wurde Scholz schließlich vom SPD-Vorstand als Spitzenkandidat nominiert. Wenige Tage zuvor hatte Pistorius erklärt, dass er "nicht zur Verfügung stehe für die Kandidatur um das Amt des Bundeskanzlers." (thp)

Verwendete Quellen

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