Die US-Wahl rückt näher. Sechs Wochen davor treffen in der Nacht auf Dienstag (03:00 Uhr/Phoenix) die US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump zum ersten TV-Duell aufeinander. Wird hier schon die US-Wahl entschieden? Und wer hat die besseren Chancen, das TV-Duell für sich zu entscheiden? Ein US-Kenner gibt Antworten.

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Was für Erwartungen haben Sie an das erste TV-Duell der beiden Präsidentschaftskandidaten vor der US-Wahl am 8. November?

Boris Vormann: Ich bin sehr gespannt, das wird eine hochinteressante Debatte. Die Aufmerksamkeit in den USA ist enorm: Es wird mit rund 100 Millionen Zuschauern gerechnet - wie beim Super Bowl. Das erste TV-Duell zieht erfahrungsgemäß immer besonders viele Zuschauer vor die Bildschirme.
Was dürften die entscheidenden Themen sein?

Innenpolitik, Wirtschaftspolitik, Außenpolitik - das kann alles wichtig sein. Es wird darauf ankommen, welche inhaltliche Richtung die Kandidaten dem Duell geben, wo sie ihre Schwerpunkte setzen.

Wird sich Polit-Profi Clinton besser schlagen?

Die Frage ist, ob sie den richtigen Ton trifft, ohne sich zu sehr in Details zu verlieren. Wenn sie zu akademisch und elitär rüberkommt, kann ihr das zum Nachteil gereichen. Das würde Trumps Rhetorik von der abgehobenen Politkaste aus Washington befeuern. Ihr Vorteil, aber aus Sicht vieler Trump-Anhänger auch ihr Nachteil, ist ihr Fachwissen und ihre Erfahrung im politischen Betrieb. Sie darf zudem nicht zu kühl, aber auch nicht zu emotional erscheinen. Ein schwieriger Spagat.

Was spricht dafür, dass sich Trump besser präsentiert?

Trump wird versuchen, sich staatsmännisch und moderat zu geben. Ob ihm das gelingt - mal schauen. Natürlich wird er Clinton auch hart attackieren und auf ihre Rolle im Bengasi-Desaster in Libyen, ihre Email-Affäre und ihre zuletzt angeschlagene Gesundheit eingehen. Darüber hinaus will er sie schwächen, indem er eine mögliche Clinton-Präsidentschaft als dritte Amtszeit Barack Obamas darstellt.

Was spricht gegen einen Sieg Trumps beim Duell?

Vor allem sein Mangel an Fachwissen. Er hat sich im Vorfeld gegen zu viel Einmischung von Moderator Lester Holt ausgesprochen und will einen Fakten-Check unbedingt verhindern. Er weiß offenbar um seine Schwächen.

Nützen ihm die jüngsten Anschläge durch Islamisten in den USA?

Die wird er natürlich ausschlachten und auf die vermeintlich gefährlicher gewordene Welt verweisen. Clinton wird als frühere Außenministerin von Trump in Sippenhaft für Versäumnisse der Obama-Administration genommen. Trump kann sich dann als Retter präsentieren, der Amerika wieder großartig machen will, wie es in seinem Wahlkampfslogan "Make America great again" heißt.

Wird Trump um Niveau bemüht sein oder sich treu bleiben und wieder unter der Gürtellinie austeilen?

Das ist eine spannende Frage. Beobachter erwarten, dass Clinton Trump aus der Reserve locken und ihn provozieren will. Mal sehen, wie der darauf reagiert. Aber Trump trägt den Spitznamen "Teflon-Don" nicht umsonst: Es wird ihm nachgesagt, dass an ihm alles abperlt.

Wer ist der bessere Redner?

Trump ist ein schwacher Redner, vor allem mit dem Teleprompter hatte er in der Vergangenheit immer wieder Probleme. Außerdem ist sein Fachwissen in vielen Bereichen begrenzt. Aber Trump kann Stimmungen im Publikum gut aufnehmen, er hat dafür ein feines Gespür. Clinton wiederum ist eine bessere Rednerin, gilt aber auch nicht als besonders charismatisch.

Und Trump?

Das ist eine Geschmacksfrage. Er ist ein Populist, schlimmer noch: ein Demagoge mit einer gefährlichen Rhetorik, der versucht, Stimmungen aufzugreifen. Manche Menschen finden das offenbar überzeugend.

Wie entscheidend dürfte das erste TV-Duell sein?

Der erste Schlagabtausch ist besonders wichtig, denn dort schauen erfahrungsgemäß die meisten Leute zu. Manche Beobachter sprechen sogar von der wichtigsten TV-Debatte in der Geschichte der USA.

Wer hat mehr zu verlieren?

Eindeutig Hillary Clinton. Sie hat ihren deutlichen Vorsprung in den Umfragen zuletzt eingebüßt und wurde durch ihre Krankheitspause zurückgeworfen. Für sie steht viel auf dem Spiel, der Druck ist enorm. Die Erwartungen an Trump sind ohnehin sehr niedrig, er kann sie eigentlich kaum noch unterbieten. Eine gefährliche Situation für Clinton.

Zur Person: Professor Boris Vormann ist Politikwissenschaftler am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber vom "Handbuch Politik USA".
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